200 Sitzung am 14. Mai 1919 der Friedensbedingungen als notleidende vertriebene Deutſche gelten, doch im weſentlichen eine Staatsauf⸗ gabe iſt. Es heißt von einer einzelnen Gemeinde oder überhaupt von den Gemeinden zu viel zu ver⸗ langen, wenn man glaubt, daß ſie für dieſe zahl⸗ reichen Perſonen ausreichend ſorgen können. Immer⸗ hin, wir ſind damit einverſtanden, wenn der Ma⸗ giſtrat nach den Grundſätzen verfährt, die der Herr Oberbürgermeiſter hier auseinandergeſetzt hat, nämlich daß die Fürſorge für die vertriebenen Deutſchen erſt nach der Fürſorge für die Kriegsbe⸗ ſchädigren einzuſetzen hat. Das darf natürlich nicht ſo aufgefaßt werden, als ob das in jedem Falle ge⸗ ſchehen muß, ſondern es kann nur allgemeine Richtſchuur des Handelns ſein. Wir ſind der Meinung, daß die Kriegsbeſchädigten, beſonders die⸗ jenigen, die in Charlottenburg oder in Groß⸗Berlin ſeit langem ihren Wohnſitz haben, in allererſter Linie Anſpruch auf die Verſorgung durch die Stadt und die Hilfe der Stadt bei der Beſchaffung von Arbeits⸗ gelegenheiten beſitzen. Ich möchte aber auch nicht unterlaſſen, auf eine Gefahr aufmerkſam zu machen, die entſtehen würde, wenn jetzt in größerem Umfange nach dem Antrage verfahren würde. Nach meiner Ueber⸗ eugung würde dadurch eine Erſchwerung der chne⸗ dies ſehr drückenden Wohnungsnot eintreten, die wir keineswegs irgendwie zu fördern haben. Im Gegenteil, in einem Augenblick, in dem wir die allergrößten Schwierigkeiten haben, der bereits hier wohnenden Bevölkerung überhaupt Wohnungs⸗ gelegenheit zu verſchaffen — die zudem in ſehr vielen „Fällen noch außenordentlich mangelhaft iſt müſſen wir alles tun, um den Zu zug weiterer Be⸗ wohner zu verhindern. Ich wünſche keine Maß⸗ nahmen, wie ſie eine Reihe von Großſtädten getroffen hat, daß eine Abſperrung des Zuzuges durch eine Polizeiverordnung erfolgt. Ich glaube, es genügt, wenn wir Maßnahmen unterlaſſen, die den Zuzug fördern, beſonders auch deshalb, weil gegen⸗ wärtig eine großzügige Aktion eingeſetzt hat, Groß⸗ Berlin zu entvölkern. Eine Maßnahme, die die bis⸗ herigen Abſichten durchkreuzen würde, kann doch wohl kaum im Intereſſe unſerer Stadt liegen. Wie geſagt, den Zweck, die guten Abſichten dieſes Antrags unterſtützen wir vollkommen; aber dieſe Abſichten durchzuführen iſt in erſter Linie eine Aufgabe des Staates. Wenn ſie beſonders von einer Großſtadtgemeinde im Zentrum des Reiches För⸗ derung erhielten, würden wahrſcheinlich für dieſe Ge⸗ meinde wie für Groß⸗Berlin ſehr ſchwer Schäd⸗ gungen daraus erwachſen. (Die Verſammlung ſtimmt dem Antrage zu.) r⸗Stellv. Dr Frentzel: Als Ausſchuß⸗ r den Punkt 10 werden in Vorſchlag ichter, Dr Roſenfeld, Troebs und Zielen⸗ egen rſchlag er⸗ Der Antrag lautet: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, ein ſtädtiſches Nachtwach⸗ und Schließweſen einzurichten. 45 Antraaſteller Stadtv. Skaller: Meine Damen und Herren! Daß in der Zeit eines Krieges, in der die ſchlechten Inſtinkte Gelegenheit haben, ſich ſo weit wie möglich auszubilden, in der die Gegenſätze zwiſchen Mein und Dein ſich verwiſchen und ſelbſt die höchſten Gebote wie „Du ſollſt nicht töten!“ auf den Kopf geſtellt werden, nicht erwartet werden kann, daß die Unſicherheit in Stadt und Land abnimmt, wird wohl kaum beſtritten werden. Daß nach einem Kriege, der ſich faſt fünf Jahre hingezogen hat, das in beſonders erhöhtem Maße der Fall iſt, und daß es in noch ſtärkerem Maße auftreten mußte nach einem verlorengegangenen Kriege, bei dem wir wirtſchaftlich völlig ruiniert ſind, war zu erwarten. Ich muß ſagen, daß ich perſönlich ſogar etwas an⸗ genehm enttäuſcht bin. Nach den Vorausſetzungen, die hier vorlagen, mußte man erwarten, daß in noch weit größerem Maße, als es der Fall war, die per⸗ ſönliche Unſicherheit Platz greifen würde. Ich alaube, daß die geſetzlichen Maßnahmen, die gegen die Stel⸗ Iungsloſigkeit ergriffen worden ſind, ein aut Teil „daran ſchuld ſind, daß die Befürchtungen nicht in ſo hohem Maße, wie es vielfach angenommen wurde, zur Tat geworden ſind. Trotzdem läßt ſich nicht leugnen, daß ſpeziell in der Großſtadt die Unſicher⸗ heit außerordentlich zugenommen hat. Wenn wir nun prüfen, was bisber geſchehen iſt und was geſchehen kann, um dieſer Unſicherheit ein Gegengewicht zu bieten, ſo muß ich ſagen, daß das recht wenig iſt. Schon in früheren Zeiten, wo wir nur auf die Hilfe der Polizei angewieſen waren, hat dieſe vielfach verſagt. Daß das während des Krieges in ſteigendem Maße wahrzunehmen war, iſt Tatſache. Wir haben zu unterſuchen, ob nicht die Stadt die Verpflichtung bat, dafür zu ſorgen, daß in weit höherem Maße, als es bis jetzt der Fall iſt, dieſe Sicherheit geboten wird. Wenn ich von einer Sicherheit ſpreche, ſo kommt in erſter Linie in Frage die Sicherheit für Leben und Geſundheit. Sie werden häufig geleſen haben, daß in den letzten Monaten des Krieges dauernd von Raubzügen berichtet wurde, und daß die Pelizei gar nicht in der Lage war, ſelbſt wenn ſie den beſten Willen hatte, in allen Fällen 1atkräftig dagegen ein⸗ zuſchreiten. Als einmal bei mir eingebrochen murde und ich am nächſten Tage der Polizei die Meldung Bezirk heute der 15. Fall gemeldet wäre. Daß die Polizei unter ſolchen Umſtänden nicht viel machen die Dienſte, die die Polizei zu leiſten in der Lage iſt, qualitativ nicht gerade verbeſſert. Dazu kommt, daß wir ſelbſt gar nicht in der Lage ſind, bei der jetzigen allgemeinen Entwaffnung, uns perſönlich zu ſchützen, wenn unſer Leben gefährdet iſt. Jeder einzelne wird in dieſem Falle wahrſcheinlich den beſſeren Teil des Mutes dadurch beweiſen, daß er zurückhaltend iſt und es nicht zum Angriff kommen aber die Polizei, dann iſt laßt. Benachrichtigt er aber r nicht imſtande, ſchnell Abhilfe zu leiſten. möchte ich die Frage auf⸗ 7 .. 4. welche Möglichteiten. ſind machte, mußte ich dort gleich hören, daß in ihrem kann, verſteht ſich von ſelbſt. Inzwiſchen haben ſich 2