verhindern, daß auch der Nachmittagsunterricht noch zu dem Vormittagsunterricht käme, und ſo hat man, um das zu verhindern, den Unterricht eine Stunde früher gelegt. Auch die Bevölkerung hatte in der ſrüheren Zeit ein Intereſſe daran, den Unterricht um 7 Uhr beginnen zu laſſen. Durch eine Abſtimmung, die im Jahre 1912 bei einer Befragung der Eltern⸗ ſchaft unſerer Volksſchüler ſtattgefunden hat, wurde damals der Nachweis geführt, daß der überwiegende Teil der Charlottenburger arbeitenden Bevölkerung den 7⸗Uhr⸗Schulanfang wünſchte. Sie hat ihn viel⸗ leicht aus dem Grunde gewünſcht, die Kinder mög⸗ lichſt zeitig wieder zu Hauſe zu haben, um ſie dann nachher für notwendige Gänge zur Verfügung zu häben, namentlich um dem in der Fabrik arbeitenden Vater oder ſonſtigen Familienangehörigen das Mit⸗ taabrot hinzutraaen. Aus pädagogiſchen und na⸗ mentlich aus wirtſchaftlichen Gründen hat ſich damals auch die Charlottenburger Lehrerſchaft auf den Standpunkt der Eltern geſtellt, und ſie hat den 7⸗Uhr⸗ Schulanfang verlangt, weil ſonſt die Störungen durch Beurlaubungen zu groß geweſen wären. Inzwiſchen haben ſich aber die Verhältniſſe ge⸗ ändert, und heute ſind es vor allen Dingen die Rück⸗ ſichten auf die geſundheitlichen Verhältniſſe unſerer Schüler, die uns zwingen, von einem 7⸗Uhr⸗Schul⸗ anfang abzuſehen und den Beginn des Schulunter⸗ rnichts auf 8 Uhr zu verlegen, wenigſtens den ſehr dringenden dahinzielenden Wunſch auszuſprechen. Unſere Volksſchüler, überhaupt unſere Jugend hat in dem Kriege unſäglich gelitten. Mit ehernen Let⸗ tern hat der Krieg ſeine Zeichen in die Geſichter der Jugend ageſchnitten. Darüber noch weitere Worte zu verlieren, erachte ich als durchaus unnütz. Es iſt darum dringend notwendig, daß wir für die Geſund⸗ heit der Schüler ſorgen, und die geſundheitlichen Verhältniſſe erfordern einen ausreichenden Schlaf. Schlafen heißt heute ſoviel wie eſſen, ſchlafen bedeutet für die Kinder Brot. Infolgedeſſen können wir aus geſundheitlichen Rückſichten nicht zugeben, daß die Kinder ſchon um 7 Uhr zur Schule gohen ſollen, denn ſie haben dann moch nicht ausgeſchlafen. Ein Kind, das um 7 Uhr in der Klaſſe ſein ſoll, muß ſchon um 346 Uhr aufſtehen, und es muß dann, um einen 10⸗ oder 11ſtündigen Schlaf zu haben, ſchon um ½28 oder 8 Uhr ins Bett gehen. Das iſt für die Groß⸗ ſtadt unmöglich; denn zwiſchen 7 und 8 Uhr iſt der Tageslärm noch ſo groß und das Leben auf der Straße noch ſo lebhaft, daß es ſehr ſchwer hält, die Kinder um dieſe Zeit ſchon ins Bett zu ſchicken. Auch ſind die Angehörigen um dieſe Zeit noch durch aller⸗ lei wirtſchaftliche Verhältniſſe daran verhindert, um dieſe Zeit ſchon die nötige Ruhe in der Familie ein⸗ treten zu laſſen. Das Kind, wenn es auch ſchlafen elegt wird, kann um 8§ Uhr in den allermeiſten Fallen noch nicht ſchlafen. Die großſtädtiſchen Ver⸗ hältniſſe bringen es leider mit ſich, daß die Kinder ſpäter ſchlafen gehen. müſſen uns aber damit abfinden. So ſind es vor Verhältniſſe, die uns veranlaſſen, den Antrag zu ſondern erſt um §8 Uhr beginnen zu laſſen. Wir mögen das bedauern, allen Dingen Rückſichten auf dieſe großſtädtiſchen ſtellen, den Schulunterricht nicht ſchon um 7 Uhr, ſes Noch eine Tatſache möchte ich hier erwähnen, nämlich die Verſchiedenheiten in der Behandlung der] Schulanfang⸗ höheren Schulen und der Volksſchulen. Die höheren ſ für Schulen beginnen ihren Unterricht erſt um 8 Uhr, beren während die Volksſchulen ſchon um 7 Uhr anfangen. I § Stgung am 14. Mat 1910 Wir glauben allerdings nicht, daß die Stadt den Volksſchülern etwa eine geringere Fürſorge ange⸗ deihen ließe; wir ſind vielmehr überzeugt, daß in den verſchiedenen Anfangszeiten keineswegs eine ſoziale Bewertung zum Ausdruck gekommen iſt. Es ſind innere Gründe, die die Stadtverwaltung und die Schuldeputation veranlaßt haben, den Unterricht für die höheren Schulen auf 8 Uhr zu verlegen und ihn für Volksſchulen auf 7 Uhr feſtzuſetzen. Aber die Zeiten und die Lebensverhältniſſe haben ſich verän⸗ dert, und die früheren Gründe ſind hinfällig gewor⸗ den. Wir verlangen, daß heutzutage mit dieſem Unterſchied gebrochen und eine gleiche Anfangs⸗ zeit für beide Schularten feſtgeſetzt wird, und zwar dahin, daß der Unterricht auch für die Volksſchulen auf 8 Uhr verlegt wird. — (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtſchulrat Dr. Neufert: Meine Damen und Herren! Für die Feſtſetzung des Schulanfangs ſind der Magiſtrat und die Stadtverordnetenverſammlung zunächſt nicht zuſtändig. Zuſtändig iſt bei den höhe⸗ ren Lehranſtalten das Provinzial⸗Schulkollegium in Berlin und bei den Volksſchulen die Schuldeputation in Verbindung mit der Kreisſchulinſpektion; und da es ſich um eine wichtige, tief einſchneidende Maß⸗ mahme handelt, ſo iſt auch die Zuſtimmung der Re⸗ gierung dazu nötig. Schon aus dieſer Verſchieden⸗ artigkcit der Zuſtändigkeiten ergibt ſich, daß nicht immer volle Uebereinſtimmung ſtattfinden wird, und es wird auch nicht ganz leicht ſein, ſie zu erreichen, da doch die Verhältniſſe in den Volksſchulen und in den höheren Schulen zum Teil recht verſchiedenartig liegen. Zur Sache ſelbſt möchte ich bemerken, daß es ſich hier keinesfalls — und das kat auch der Herr Vorredner geſagt — um eine ganz neue Einrich⸗ tung handelt, ſondern darum, daß die Verhältniſſe, wie ſie vor Ausbruch des Krieges hier in Charlotten⸗ burg an den Volksſchulen geregelt waren, nunmehr wieder eingeführt worden ſind. In den letzten Jahren des Krieges war bekanntlich auch in der Schule die Sommerzeit maßgebend. Dieſe Sommer⸗ zeit iſt auf das Jahr 1919 nicht wieder ausgedehnt worden. Es war daher natürlich, daß wir auf die Balümmungen zurückgingen, wie ſie in den Jahren 1912, 1913 und 1914 bei uns feſtgeſetzt worden waren, und zwar auf Grund einer ſehr umfang⸗ reichen und ſorgfältigen Vorarbeit. Nicht weniger als 23 000 Bürger von Charlottenburg, außerdem 600 bis 700 Lehrer an unſeren Volksſchulen und 15 Schulärzte ſind zur Sache gehört worden. Ganz übereinſtimmend hat man damals erklärt, es ſei wün⸗ ſchenswert, daß die kleinen Kinder erſt um 8 zur Schule kommen, die größeren aber, zumal jenigen, die täglich einen 5ſtündigen Unte ſchon um 7 Uhr. Die Zahlen ſtehen