257 Sitzung am 14. Mai 1919 1 Kommune ſchon dazu übergegangen iſt, die Per⸗ ſonalakten offenzulegen und nur in moderner Form daß dieſe Liſten bei allen Staats⸗ und Kommunal⸗ behörden gehandhabt worden ſind. Die preußiſche Staatsregierung hat bereits in der Beziehung einen Schritt vorwärts gemacht, indem ſie in ihrem Er⸗ laß vom Ende März d. Is. Beſtimmungen getroffen hat, um die Perſonalliſten, ſoweit ſie überhaupt nötig ſind, zu moderniſieren. Auch hier in Charlotten⸗ burg haben ſchon die Kommunalbeamten Anlaß ge⸗ nommen, ſich an den Magiſtrat zu wenden, um eine Moderniſierung des Beamtenrechts, ſoweit das im Rahmen der Kommune möglich iſt, herbeizuführen. Leider iſt ſeitens des Magiſtrats in der Beziehung nicht das Entgegenkommen bewieſen worden, das die Beamten nach meiner Ueberzeugung hätten erwarten können. Es iſt ſeitens des Herrn Oberbürgermeiſters ſeinerzeit dem Beamtenausſchuß nur kurz die Ver⸗ Angelegenheit betreffend fügung zugegangen, daß die Offenlegung der Perſonalakten bis zu einer bevor⸗ ſtehenden Regelung ſeitens der Staatsbehörden zu⸗ rückzuſtellen ſei. Dieſes abwartende Verhalten findet unſere Billi⸗ gung nicht und hat auch in den Kommunalbeamten⸗ kreiſen, — ich will nicht ſagen: böſes Blut gemacht, jedenfalls aber eine nach meiner Ueberzeugung ver⸗ meidbare Erregung hervorgerufen. Man kann nicht verkennen, daß die heutige Geheimhaltung von Per⸗ ſonalakten in dem Sinne, wie ſie jetzt gehandhabt werden, nicht mehr dem modernen Gefühl, dem Be⸗ griff von Menſchenwürde entſpricht. Es handelt ſich um Erwachſene, gereifte Männer und Familienväter, über die Zeugniſſe und Urteile zu den Akten gegeben werden, die für ihr Fortkommen, für ihre ganze Eriſtenz entſcheidend ſind und die ſelbſt von ihrem Inhalt nicht unterrichtet ſind. Es beſteht für ſie kfeine Möglichkeit, weil ſie den Inhalt dieſer Akten nicht kennen, ſich dagegen zu wehren, etwa gegen falſche, unrichtige oder gar böswillige Urteile Stellung zu nehmen; denn es wird wohl auch hier keinen geben, der beſtreiten kann, daß es gelegentlich auch böswillige Vorgeſetzte gibt. Das ganze Verhältnis in dieſer Beziehung er⸗ klärt ſich nur eben ſo, daß der alte Obrigkeitsſtaat den Begriff der Unterordnung und Ueberordnung im Beamtenverhältnis nicht bloß auf das ſachliche Gebiet beſchränkte, ſondern auf das Verhältnis von Perſon zu Perſon übertragen hat. Das iſt der Grundfehler und mit dieſem Grundfehler, der von einer nicht genügenden Würdigung der Perſönlich⸗ keit des Beamten, auch des mittleren und unteren Beamten, ausgeht, — mit dieſem Prinzip muß ge⸗ brochen werden. Man denkt unwillkürlich, wenig⸗ ſtens als Juriſt, daran, daß nach einem Geſetz, das ſeit 1810 beſtand und mehr als 100 Jahre in Preußen beſtanden hat, daß nach der Geſindeord⸗ nung, die ein ſo altes Datum trägt und ein ſo hohes Alter erreicht hat, dem Dienſtmädchen ſogar, das ein Zeugnis bekam, das Recht zuerkannt war, in einem geordneten polizeilichen Verfahren diejenigen zur Rechenſchaft zu ziehen, die etwa falſche oder unrich⸗ die Führung der Perſonalakten zuzulaſſen. Außer⸗ dem hat ja auch die preußiſche Staatsregierung in den Beſtimmungen vom 24. März dieſes Jahres über die Bildung und Aufgaben der Beamtenaus⸗ ſchüſſe, die ich bercits im Eingang erwähnte, darauf Rückſicht genommen, daß in Zukunft in bezug auf die Perſonalakten eine Aenderung einzutreten hat. Denn ſie hat darin wörtlich erklärt, daß, inſoweit den Beamten das Recht der Kenntnisnahme der Ein⸗ tragungen in Perſonalakten eröffner iſt, auch das von einem Beamten angegangene Ausſchußmitglied den Anſpruch darauf erheben kann, ſich Einſicht in dieſe Perſonalakten zu verſchaffen. Hier iſt alſo bereits der Weg dazu vorbereitet, daß in der Führung der Perſonalakten moderne Grundſätze durchgeführt werden. Die modernen Grundſätze ſind in unſerem An⸗ trag kurz dargelegt, und ich bin der Ueberzeugung, daß es ohne große Ueberlegungen und Erwägungen möglich ſein wird, dieſem Antrgg Rechnung zu tragen. Es iſt bereits heute mit Recht darauf hin⸗ gewieſen worden, daß der Magiſtrat ja in einer Frage, die unſeren Stadtſäckel berührt, in der Frage der Beſteuerung der Spielklubs, in dankenswerter Weiſe ſchnell eingegriffen hat. Ich glaube, daß auch auf dieſem Gebiet, das hohe moraliſche Güter be⸗ rührt und das, wie ich glaube, dazu angetan iſt, die notwendige Arbeitsfreudigkeit und Opferfreudigkeit unſerer Beamten nur zu erhöhen, mit derſelben Be⸗ ſchleunigung vorgegangen werden kann, und zwar nach dem Grundſatze: wer ſchnell gibt, gibt doppelt. Stadtrat Dr. Fiſcher: Meine Damen und Herren! Der Magiſtrat ſteht dem vorliegenden An⸗ trag nicht grundſätzlich ablehnend gegenüber; wir haben aber gegen den Antrag in der vorliegenden Form doch erhebliche Bedenken. Bisher iſt bei uns die Uebung eingeführt, daß der Beamte zu allen Tatſachen, die ihn belaſten, auch gehört wird. Dar⸗ über hinaus werden allerdings die Zeugniſſe über Leiſtungen und Führung und auch die ärztlichen Zeugniſſe über die Dienſtfähigkeit und den Krank⸗ heitszuſtand dem Beamten nicht bekanntgegeben. Dieſe Uebung entſpricht im allgemeinen auch der Praxis in anderen Kommunalverwaltungen. Ich möchte hierbei erwähnen, daß es ja auch in Privat⸗ betrieben nicht üblich iſt, den Angeſtellten von den Zeugniſſen und ärztlichen Atteſten Nachricht zu gebem. Es kann auch zweifelhaft erſcheinen, ob es über⸗ haupt im Intereſſe der Beamten liegt oder ob man ihnen damit einen Gefallen tut, wenn man die Per⸗ ſonalakten in der hier geforderten Form offenlegt. Denn auf dieſe Weiſe werden Vorgänge, die ſchon längſt verjährr ſind, die Jahre und vielleicht Jahr⸗ zehnte zurückliegen, neu hervorgezerrt, und bei den Beamten wird vielleicht eine Mißſtimmung erregt, die heute durchaus nicht mehr begründet iſt. Vor allem aber ſcheint es auch bedenklich, ohne weiteres den Beamten Einſicht in die ärztlichen Zeug⸗ niſſe zu geben. Denn Sie müſſen berückſichtigen, daß dalei ſehr oft ein Urteil über den Gnh , zuſtand des Beamten abgegeben wird, der ihm zu den ſchwerſten Sorgen Veranlaſſung geben kann, (Zuruf: Der Arſt kann ſch auch irren!)