264 Sitzung am 14. Mai 1919 In einer Beziehung muß ich allerdings die Kleinhändler in Schutz nehmen, nämlich gegen die Rohheiten und Betrügereien der Kartoffelkutſcher. Sie ſind von den Kartoffelkutſchern in einer Art und Weiſe betrogen worden, die nicht mehr ſchön war. Die Kriegerfrauen, die zumeiſt das Geſchäft verſehen haben, konnten nicht jeden einzelnen Sack nach⸗ wiegen. Das ließen ſich auch die Kutſcher gar nicht gefallen. Wenn die Frauen darauf beſtanden, haben ſie mit voller Wucht den Sack auf die Wagſchale geworfen, daß ſie ſehr oft herunterfiel und dabei auch kaputt ging. Die Frauen haben es dann natür⸗ lich vorgezogen, keinen Sack mehr wiegen zu laſſen, und waren gezwungen, die Betrügereien der Kutſcher einfach hinzunehmen. Infolgedeſſen entſtanden die großen Differenzen, die bei der Abgabe der Kar⸗ toffelmarken feſtgeſtellt worden ſind, und die Frauen wurden geladen, um die Differenz nachzuweiſen. Ja, ſie konnten ſich immer wieder nur darauf berufen, daß ſie von den Kartoffelkutſchern betrogen worden waren. Einen großen Teil der Schuld tragen auch die Kartoffelgroßhändler. Ich kenne Beiſpiele, daß die Leute,, zum Teil auch die Kutſcher, ungeheures Geld dadurch verdienten, daß ſie Betrügereien vor⸗ genommen haben. Aber das hat mit der Kontrolle nichts zu tun. Wir glauben beſtimmt, daß es beſſer werden wird, wenn die Konſumenten bzw. die Arbeiterräte die Kontrolle übernehmen. Wenn der Kleinhändler und Großhändler weiß, daß er beaufſichtigt wird — nicht vom Magiſtrat, er kennt die Mitglieder der Preisprüfungsſtelle und die Beamten des Magiſtrats ganz genau, er weiß genau, daß er ſich da vorzuſehen hat —, wenn hier Perſonen kommen, von denen er weiß, daß ſie der Sache auf den Grund gehen, dann wird die Verteilung beſſer werden. Dann möchte ich Herrn Stadtrat erwidern, daß in Händlerkreiſen darüber geklagt wird, daß ein Teil der Händler immer mit Extra⸗ waren beliefert wird. Dazu gehört die Firma Gum⸗ tau und noch eine andere Firma. Da möchte ich danan erinnern, warum Gumtau ſeinerzeit aus der Lebensmitreldeputation ausſcheiden mußte; derjenige, bekommt. die größte Beunruhigung, bevorzugt werden, und ſie ſagen mit Recht: es kön⸗ nen auch mal andere herankommen, es müſſen nicht immer dieſelben ſein, die die Lebensmittel zur Ver⸗ teilung bekommen. der die meiſten Waren vom Magiſtrat daß gerade dieſe Herren (Zuruf.) Ja, gewiß, das Publikum hat ſich daran gewöh⸗ nen müſſen: aber man ſieht, daß die Leute ſo ſtark beſchäftigt ſind, daß die Konſumenten auch bei ihnen Polonäſe ſtehen müſſen wie bei den Kleinhändlern. Das ließe ſich vermeiden, wenn auch andere Händler mit der Verteilung der Lebensmittel, die für die Kranken nötig ſind, betraut werden. In Bezug Gebert wohl geirrt. Er iſt ein alter Händler, der ſchon früher in Charlottenburg 5 oder 6 Geſchäfte gehabt hat. Er iſt nicht Arbeiter oder Kartoffel⸗ kutſcher, ſondern ein ſelbſtändiger Geſchäftsmann ge⸗ weſen, und nachdem die Kartoffelrationierung vor⸗ genommen worden war, hat er ſich auf den Kartoffel⸗ Auguſtin noch utteldeputat ganz ſtubenrein iſt die Sache doch nicht, und heute iſt er Es erregt bei den anderen Kaufleuten auf Herrn Schatz hat ſich der Kollege Die Arbeitgeber müſſen ihre Kutſcher auch in der Hand haben und ſelbſt die Kontrolle ausüben. Sie laſſen ſich aber unterwegs bei ihren Kutſchern nicht ſehen, ſondern ſitzen irgendwo auf dem Bahn⸗ hof und laſſen die Kutſcher ſchalten und walten, wie ſie wollen, ſo daß ſie ungeſtört ihre Betrügereien vor⸗ nehmen können. Ebenſo iſt es bei den Zuckerkut⸗ ſchern. Welche Manipulationen dieſe Leute vorneh⸗ men, iſt Ihnen vielleicht bekannt. Sie ſchieben einen Trichter in den Sack und laſſen nun den Zucker oder das Mehl in einen Behälter laufen, und die kleinen Kaufleute werden dann darum betrogen. Daher ommt dann die Ware, die zu Wucherpreiſen hinten⸗ herum verkauft wird. Ebenſo iſt es mit dem Schleichhandel. Da trifft allerdings den Magiſtrat ceine Schuld, ſondern die Regierung. Wenn man aufs Land hinausgeht, ſo kann man ſehen, in wel⸗ cher unverſchämten Weiſe dort der Schleichhandel gerade von den Produzenten betrieben wird. Die Produzenten fordern keine Preiſe, ſondern ſie laſſen einfach bieten, und je mehr der Händler oder Privat⸗ mann bietet, deſto mehr Ware bekommt er nachher. Das iſt nicht Schuld des Magiſtrats, ſondern der Regierung, und das muß an anderer Stelle zur Sprache gebracht werden. Es muß dem Schleichhan⸗ del unbedingt ein Paroli geboten werden. Wenn mman beobachtet, wie ſich die Frauen von Rehfelde aus mit 60 und mehr Pfund Kartoffeln nach dem Bahnhof Strausberg, wohin ſie zwei Stunden mar⸗ ſchieren müſſen, ſchleppen, ſo ſind das Zuſtände, in die die Regierung unbedingt eingreifen muß, damit dem Erzeuger das Handwerk gelegt wird. Oder nehmen Sie Spinat, der heute mit 1 bis 1,20 %ℳ pro Pfund verkauft wird; das iſt ein Wucher ſeitens der Erzeuger, der nicht mehr gutzumachen iſt. Das muß dem Erzeuger, der den Spinat früher mit 2 bis 3 Pfennig das Pfund verkauft hat, ins Stammbuch Zeſchrieben werden, daß er ſich gegen den Konſumen⸗ ten in einer Art und Weiſe verfündigt, die zum ſchärſſten Proteſt herausfordert. Stadtv. Perl: Meine Damen und Herren! Der Antrag geht dahin, eine Kontrolle auszuüben. Wie Herr Kollege Gebert ausgeführt hat, ſoll die Kontrolle einerſeits gegenüber der Kommunalver⸗ waltung und andererſeits gegenüber den Lebens⸗ mittelverteilern erfolgen.