276 Sitzung am 28. Mai 1919 dieſer Woche in der Lage geweſen, eine neue Haus⸗ angeſtellte zu mieten, und habe dabei beobachtet, daß junge Mädchen ohne Ausweis, auch ohne Ar⸗ beitsbuch kamen. Infolgedeſſen haben natürlich die Hausfrauen Bedenken und ſagen ſich: jemand in das Haus hineinzunehmen, von dem man gar nicht weiß, wo er bisher geweſen iſt und was er leiſtet, hat natürlich in den Pege Zeiten bei der Schwie⸗ rigkeit der Lebensmittelverſorgung und der Beſchaf⸗ fung irgendwelcher Textilgegenſtände ſein Mißliches. Es wäre gut geweſen, wenn die Mädchen als Aus⸗ weis noch eine kurze Zeit die Bücher gehabt hätten. Einige von ihnen bringen ſie auch mit; denn manche wiſſen noch gar nicht darüber Beſcheid, daß ſie ſie nicht mehr brauchen. Wenn wir ſie auch künftig⸗ hin nicht mehr anwenden, ſo hätte man doch eine ge⸗ wiſſe Grundlage, um zu wiſſen, als was jemand tätig geweſen iſt. Das fehlt, und das führt auch mit zu der Abneigung der Hausfrauen, Fabrikarbei⸗ terinnen zu nehmen. Ich gebe ganz gern zu, daß, wenn die Betreffende die Invalidenkarte mitbrin⸗] gen würde, das auch genügen würde. Dann wüßte man, daß ſie gearbeitet hat, und man hätte eine ge⸗ wiſſe Grundlage für die Beurteilung. Aber das iſt nicht der Fall. Ich habe wiederholt in dem Ar⸗ beitsnachweis in der Eichhornſtraße beobachtet, daß auch die Hausfrauen vielfach nicht über die Verände⸗ rung in der Geſindeordnung orientiert ſind und ſagen: ich kann ein junges Mädchen nicht ins Haus nehmen, von dem ich gar nicht weiß, wo es vorher geweſen iſt. Vielleicht 1. ſich für kurze Zeit ein Ulebergangsſtadium inſofern ſchaffen, daß man vorſchreibt, daß die jungen Mädchen wenigſtens die Invalidenkarte oder das Arbeitsbuch von der Fabrik her mitbringen, damit man irgendeinen An⸗ halt hat und wenigſtens weiß, ob man jemand ins Haus bekommt, der die letzten Jahre überhaupt be⸗ ruflich oder gewerblich tätig war. Stadtv. Dr Liepmann: Obgleich ich nicht gern die aus meiner Fraktion zu dieſer Frage ſich ein⸗ findende Reihe von Rednern vermehre, möchte ich doch eine perſönliche Erfahrung von mir mitteilen. Ich habe mit der Vermittlung des ſtädtiſchen Ar⸗ beitsnachweiſes für Annahme von Hausangeſtellien guten Erfolg gehabt. Die Kollegin Zucker ſchickte mir auf Wunſch eine Fabrikarbeiterin als Kandi⸗ datin zu, die, ſoweit bisher zu beurteilen iſt, gut einzuſchlagen verſpricht. Nun möchte ich noch darauf hinweiſen, daß aus den Worten des Herrn Oberbürgermeiſters doch nur hervorging, daß nicht die große Hälfte, ſondern ein viel kleinerer Teil der angebotenen Arbeitsſtellen Deswegen nicht mit Fabrikarbeiterinnen beſetzt wer⸗ den konnte, weil die Hausfrauen der Einſtellung widerſtrebten. anſcheinend doch deswegen nicht ausgefüllt worden. weil die arbeitsloien gewerblichen Arbeiterinnen vor nicht in eine Familie wollten und die Arbeitsloſen⸗ fürſome ſich dabei beruhigte. Damgegenüber möchte ich geltend machen, daß das Uebel, an dem unſere Die größere Hälfte der Stellen iſt]? Arbeiten zu verrichren, die ihnen von Natur aus liegen und durch die ſie ſich ihr Brot bei Aufnahme eines Dienſtes in einer Familie verdienen können. Stadtv. Horlitz: Zu den letzten ereſneugen des Herrn Kollegen Dr Liepmann muß ich als Mit⸗ glied des Arbeitsamtes Stelluna nehmen. Wir Haben uns über dieſe Frage lang und breit unter⸗ halten und es aunſ abgelehnt, auf die ſich Bewerbenden einen Zwang nach dieſer Richtung aus⸗ zuüben, daß ſie unbedingt den Dienſt in Häuſern annehmen müſſen. Man kann ſich auf den Stand⸗ punkt ſtellen, daß es angebracht iſt, einen Zwang auszuüben, wenn die Mädchen früher Dienſtmädchen maren und erſt durch den Krieg in gewerbliche Be⸗ triebe hineingekommen ſind. Dann ſollen ſie, an⸗ ſtatt die Arbeitsloſenunterſcützung zu beziehen, jetzt lieber in den Häuſern Dienſt nehmen und ihrer alten Beſchäſtigung wieder nachgehen. Aber ohne weiteres auszuſprechen: du mußt, wenn Dienſtſtellen frei ſind, dieſe Dienſtſtellen annehmen, oder aber wir entziehen dir die Erwerbsloſenunterſtützung, da⸗ geaen haben wir uns gewendet und mußten wir uns wenden. Wir dürfen die perſönliche Freiheit des einzelnen nach der Richtung hin nicht antaſten, das wäre ungerecht. Ich alaube, auch Herr Kollege Dr Liepmann würde ſich die Stellung auswählen, die ihm raßt, und ſich keinen Zwang auferlegen laſſen. Dieſen Grundſatz müſſen wir natürlich auch für die Hausangeſtellten aufrecht erhalten. Das iſt ſelbſtverſtändlich. Wenn eine Abneiauna der weiblichen Enwerbs⸗ loſen dagegen beſteht, in den Häuſern Stellung an⸗ zunehmen, verehrte Anweſende, ſo muß das gewiſſe Urſachen haben, die ich heute hier im Plenum nicht unterſuchen möchte. Wir haben uns im Arbeitsanet auch darüber unterhalten. Mon kann es wirllich bei den Dingen, die wir da feſtaeſtellt haben, man⸗ chen Hausangeſtellten nicht übelnehmen, wenn ſie nicht die Luſt empfinden, in den Dienſt irgendeiner Familie aurückrukehren. Ich meine, man darf da nicht ur⸗ teilen. Ich ſtehe mit dem Kollegen Liepmann auf dem Standpunkt, daß man in allen Fällen, wo die Mädchen früher als Hausangeſtellte welgftigt 5 waren, aber durch die Kricgskonfunktur in duſtrielle Tätigkeit hineingekommen Zwang dahin ausübem kann, das man 4 nimm keine E loſe nſpruch ſondern kehre meder in den Dienſt zur In allen anderen Fällen dürfen wir dieſen Zwang unter keinen Umſtänden amwenden. Volkswirtſchaft krankt, in vielen Fällen auf eine der⸗ Menſchen artige überſpannte Ausdehnung der Arbeitslah unterſtützung zurückzuführen iſt. und daß deshalb ſei⸗ tens unſeres Arbeitsamtes energiſch darauf hinge⸗ wirkt werden ſollte, daß die Frauen, die in de Induſtrie beſchäftigt waren, in der Zeit der Arbeits⸗ 2 lofigkeit ihr Widerſtreben aufgeben müſſen, häusl