Sitzung am 28. Mai 1919 Der laufende Jahresbeitrag für den Ge⸗ meinnützigen Verein für Rechtsauskunft (E. V.) in Groß⸗Berlin wird von 3000 % auf 4000 ℳ erhöht. Der Mehrbetrag von 1000 ℳ iſt den Vorbehaltsmitteln zu ent⸗ nehmen.) I. Eingegangen iſt folgender Antrag: Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Maaiſtrat, bei der Landeszentralbehörde die Ermäch⸗ tigung zu beantragen, Eigentümer von Grundſtücken und Wohnunagen zu verpflichten, Angaben darüber zu machen, wieviel Einzel⸗ haushalte ſich in den Gebäuden befinden, aus wieviel Nerſonen jeder Einzelhaushalt be⸗ ſteht und wieviel Räume jede Einzelperſon bewohnt: ferner um die Berechtigung zu erſuchen, Wohnränme, die nicht in wirtſchaftlicher Weiſe ausgenutzt werden, ganz oder teilweiſe Woh⸗ nunaſuchenden zu überweiſen. Dr. Hertz und eine Reihe anderer Unterſchriften. Wir kommen zu Punkt 15: Vorlane betr. Beitrag für dae Deutſche Geſellſchaft für ſtaatsbürgerliche Erziehung. — Druckſache 125. Stadtv. Dr Broh: Ja, meine verehrten Kol⸗ legen und Kolleginnen, ſo gerina der Betrag iſt, der hier verlangt wind, wir können doch aus prim⸗ zipiellen Gründen ihm nicht zuſtimmen. Es, iſt un⸗ gefähr dasſelbe wie bei der Druckſache Nr. 124. Es handalt ſich hier um die Deutſche Geſellſchaft für ſtaatsbürgerliche Erziehung. Ju ibrer Empfehlung wird uns mitgeteilt, daß ſie eine ausgedehnte Pro⸗ paganda in den neutralen und anderen Ländern aus⸗ unbe habe, und zwar anſcheinend zugunſten Deutſch⸗ ands. (Heiterkeit und Unruhe.) Durch die Verlogenheit der Preſſe, die la beſonders während des Krieges amtlich noch umterſtützt wurde, iſt es ackommen, daß viele wahrſcheinlich auch von Ihnen nicht einmal wiſſen, daß dieſe berühmte Pro⸗ pagandatätigkeit aller ſolcher kaniſcher fahren, was die Geſellſchaft für ſtaatsbürgeiliche Er⸗ ziehung will, und muß feſtſtellen — ich habe eine ganze Reihe-von Material darüber, das ich Herrn Kollegen Broh ſehr gern zur Einſicht zur Verfügung ſtelle —, daß die Geſellſchaft nach dem Programm, das ſie aufgeſtellt hat, wohl in der Lage iſt, Er⸗ ſprießliches zu leiſten! Wenn wir an die Kriegs⸗ zeit zurückdenken — und ich denke mit Schaudern an die Zeit zurück, wo ich Soldat war —, ſo iſt da in bezug auf ſtaatsbürgerliche Erziehung etwas geleiſtet worden, was ich mit Abſcheu von mir weiſen muß. Gerade deshalb habe ich mich ein⸗ gehend informiert, ob die Einrichtung, um die es ſich hier handelt, auf demſelben Nivean ſteht wie die Verbände, die ich damals mit ihren Erziehungs⸗ methoden ſehr ſcharf verurteilen mußte. Zu meiner großen Freude muß ich ſagen, daß das auf dieſe Geſellſchaft nicht zutrifft. Die Geſellſchaft hat ſich darum bemühr, daß eine neutrale Aerztekom⸗ miſſion Mitteldeutſchland bereiſt und die Wirkun⸗ gen der Hungerblockade feſtgeſtellt hat. Den Be⸗ mühungen der Aerztekommiſſion iſt es zu danken, daß die Neutralen in Holland, in der Schweiz, vor allen Dingen in Skandinavien ſich bereit gefunden haben, eine große Anzahl deutſcher Kinder — es handelt ſich vorläufig um 5000 — zu verpflegem und dort der Geſundung wieder zuzuführen. Eine. weitere Aufgabe hat der Verein darin geſehen und auch mit Erfolg gelöſt, daß er an Wilſon eine um⸗ fangreiche Schrift geſandt hat, die von den Pro⸗ feſſoren Deußen in Kiel, Oſtwald in Leipzig, Eucken in Jena, Veihinger und Geheimer Oberregierungs⸗ rat Meyer in Halle verfaßt worden iſt. In Dieſer Schrift wird ein Programm verfochten, das ſich auf die 14 Wilſonſchen Punkte feſtlegt, und Wilſon auf⸗ gefordert, ſeinen Einfluß geltend zu machen, daß ein Friede auf der Grundlage dieſer 14 Punkte zu⸗ ſtande kommt. Die einzelnen Ausführungen, die in dieſer Schrift gemacht werden, kann man, welchen politiſchen Standpunkt man auch einnimmt, durch⸗ aus gut heißen. Es ſind darin Gedanken zum Aus⸗ druck gebracht, die ſich natürlich nicht im Rahmen einer parteipolitiſchen Auffaſſung bewegen, aber im allgemeinen zu der Friedensfrage eine Stellung einnehmen, die jeder Menſchenfreund und Sozialiſt unter allen Umſtänden unterſchreiben kann. Eine weitere Auſgabe, der ſich die Geſellſchaft für ſtaatsbürgerliche Erziehung unterzogen hat, iſt die, daß ſie ſich, ebenfalls in einer umfangreichen Schrift, an die Bürgermeiſter einiger großer ameri⸗ Städte wendet und ſie bittet, ihven Ein⸗ fluß geltend zu machen, daß die Amerikaner, ſoweit ihr Vertmeter, Präſident Wilſon, im Viererrat und bei den Alliierren Einfluß hat, im Intereſſe eines gerechten Friedens wirken ſollen. Und einen ge⸗ rechten Frieden wollen wir doch alle. 281