9 286 Sitzung am daß man ihnen ein Recht zuerkennen will, das ſie ſich in ihrem Leben niemals haben träumen laſſen. Meine Damen und Herren, es iſt geſagt worden, der Angeſtelltenausſchuß ſolle nun darüber befinden, wer angeſtellt und entlaſſen wird. Ich will Ihnen gleich einmal einen typiſchen Fall er⸗ zählen. Heute vormittag kam eine Hilfsarbeiterin zu mir aus einer anderen Stelle und bat mich, in meiner Eigenſchaft als Stadtverordneter doch dafür zu ſorgen, daß ihre Kündigung zurückgenommen wird. Ich habe ihr geſagt: „Fräulein, das kann aber warum ſind Sie denn gekündigt?“ ſagt ſie, „ich bin 3½ẽ Jahre beim Ma⸗ giſtrat und bin gekündigt worden, weil ich auf der Kündigungsliſte ſtand. Ich habe mich auch in der Zentralſtelle des Magiſtrats danach erkundigt, und da hat man mir geſagt: Ja, wenn es nach uns ge⸗ gangen wäre, wären Sie noch lange nicht dran ge⸗ weſen, Sie ſtehen bei uns in der Liſte noch weiter hinten; aber der Angeſtelltenausſchuß hat Sie in der Liſte nach vorn geſetzt. Ich fragte ſie darauf: „Sind Sie denn beim Angeſtelltenausſchuß ge⸗ weſen?“ — „Ja, der hat mir geſagt: Sie haben Privatwermögen, Sie können es noch aushalten. Nun hat das arme Wurm aber, wenn ich dieſen Ausdruck gebrauchen darf, kein Privatvermögen. Wenn das nun behauptet wird, wo wollen das die Herrſchaften herwiſſen? — „Nein“, ſagte ſie, „man hat mich deswegen vom Angeſtelltenausſchuß auf der Liſte nach vorn geſchoben, weil ich mich trotz vieler Aufforderungen, in den Verband einzutreten, immer ablehnend verhalten habe“. ich nicht, — — „Run“, (Hört! hört! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Wer alſo nicht in den Verband eintritt, der wird hinausgeworfen. Das iſt der Verband für unſere Büroangeſtellten! Sie ſehen, wohin das führt. So etwas wird ein Magiſtrat, überhaupt eine Behörde niemals dulden, wenn ſie zu beſtimmen hat. Dieſes Recht ſollen wir dem Magiſtrat nehmen und einem Ausſchuß überweiſen, der mit den Angeſtellten ſo verfährt, wie ich es eben erwähnt habe. Was iſt aber die Folge, wenn wir das Mit⸗ beſtimmungsrecht ablehnen? Die Folge wird ſein, daß die Hilfskräfte entweder weiterarbeiten oder in einen Streik eintreten. Ich würde es für meinen Teil begrüßen, wenn ſie in einen Streik einträten. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) 1 Wer wird dann ſtreiken? Nach meiner Ueberzeu⸗ gung nicht 10% der Hilfskräftei! Es ſind nur einige Schreier, die nie zufriedengeſtellt werden können. Laſſen Sie die doch in einen Streik ein⸗ treten! Dann würden die anderen Beamten und Hilfskräfte, die noch da ſind, die doppelte Kraft in den Dienſt der Stadt ſtellen und ohne die Strei⸗ keunden die Arbeit machen. (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion. — Lebhafte] (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Und wenn wir Tag und Nacht arbeiten, aber wirſ e müſſen den Schreiern unter den Hilfskräften be⸗ weiſen, daß wir die Arbeit ohne ſie fertigbekommen. bei (Erneute lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokrate im Ausſchuß noch einer weiteren Erörterung zu 28. 2at 1010 Die größte Zah der Hilfskräfte wird arbeiten und ihre Tätigkeit nicht einſtellen. (Biederholte lebhafte Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten.) Ich möchte den Magiſtrat bitten, es ruhig darauf ankommen zu laſſen. 2 (endauernde Zurufe bei den Soztaldemokraten⸗ — Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Dr. Borchardt (unterbrechend): Ich muß bitten, den Redner nicht fortwährend zu unter⸗ brechen; Sie können ſich ja zum Worte melden. Stadtv. Müller (fortfahrend): Wenn es zum Streik kommt, ſo ſehe ich nicht ſo ſchwarz. Selbſt wenn ein gewiſſer Prozentſatz ſtreikte, ſo würden die Arbeiten auch ohne dieſe weitergeführt werden, ſolange natürlich nur, bis geeigneter Erſatz ein⸗ geſtellt wäre, und den zu finden, iſt gar nicht ſo ſchwer. Sie wiſſen, wie viele Kriegsbeſchädigte her⸗ umlaufen, namentlich ſtellungsloſe Kaufleute, die zu⸗ frieden wären, wenn ſie Beſchäftigung fänden. Der Magiſtrat ſagt in ſeiner Vorlage, und zwar mit Recht, daß er für die Verwaltung keine Ver⸗ antwortung mehr übernehmen könne. Wer ſoll denn die Verantwortung übernehmen? Wir können ſie doch nicht übernehmen! Wenn der Magiſtrat er⸗ klärt, er könne die Verantworutng nicht mehr über⸗ nehmen, ſo müſſen wir ihn in die Lage verſetzen, die Verantwortung weiterhin tragen zu können, und ſer kann ſie nur übernehmen, wenn das Mitbeſtim⸗ mungsrecht abgelehnt wird. Deshalb möchte ich Sie bitten, die Vorlage des Magiſtrats unter Streichung folgender Worte anzunehmen: und der Einführung des Mitbeſtimmungs⸗ rechts des Angeſtelltenausſchuſſes. Das iſt der Antrag meiner Freunde. Stadtv. Künzel: Meine Damen und Herren! Namens meiner Freunde möchte ich bitten, die Vor⸗ lage einem Ausſchuß von 15 Miigliedern zur wei⸗ teren Beratung zu überweiſen. Es iſt weniger die Erhöhung der Beſoldung der Hilfsangeſtellten, die uns zu dieſem Antrage veranlaßt, als gerade die Beſtimmung über das Mitbeſtimmungsrecht. Wir müſſen hier ſchwere Bedenken geltend machen und behalten uns vor, das Für und Wider dieſer Frage unterziehen, um ſo mehr, als, wie ſchon vorhin be⸗ tont wurde, in der Begründung der Vorlage der Magiſtrat ſelbſt erklärt hat, daß er Verantwor⸗ tung in dem bisherigen Umfange meh r nehmen könne, wenn das Mitb⸗ itbeſti dieſer Form zur Tatſache icht etwa der ( 1 nehmen e