292 Bürger nicht in dieſer Art und Weiſe aufs Spiel geſetzt wird. — Bekomme ich keine Antwort? Oberbürgermeiſter Dr Scholz: Ich habe leider überhört, daß der verehrte Herr Vorredner eine An⸗ frage an mich gerichtet hatte. Ich kann darauf nur erklären, daß wir gern bereit ſind, den Antrag an die Baupolizei, die wir bekanntlich nicht beſitzen, weiterzugeben. (Stadw. Mickler: Nicht beſitzen?) — Nein! Stadto. Mickler: Ich habe gerade auf dieſem vebicte gewiſſe Nachforſchungen angeſtellt, weil ich ebenfalls der Anſicht zuneigte, daß Charlottenburg keine eigene Baupolizei hätte, ſondern dem Berliner Polizeipräſidium angegliedert wäre, und da iſt mir pon Berlin die Nachricht zugegangen, daß Char⸗ lottenburg ſeine eigene Baupolizei beſäße. Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: Der Herr Vor⸗ redner irrt, dieſe Auskunft kann nur auf einem Irr⸗ tum beruhen. Die Baupolizei iſt ſtaatlich und noch nicht in unſeren Beſttz übergegangen. Wir ſind aber, wie geſagt, bereit, den Antrag weiterzugeben, da wir ſeine innere Berechtigung nicht beſtreiten. (Stadtw. Mickler: Dann muß ich ſagen, daß ich vom Berliner Polizeipräſidium unrichtig berichtet bin.) Stadtbaurat Seeling: Das Berliner Polizei⸗ präſidium hat ganz richtig berichtet; es exiſtiert eine beſondere Charlottenburger Baupolizeiabteilung, aber beim hieſigen Polizeipräſidium. (Der Antrag der Stadtv. Toſt und Gen. wird hierauf angenommen.) Vorſteher⸗Stellv. Dr Frentzel: Ich will noch mitteilen, daß unter den für den Ausſchuß zu Punkt 18 der Tagesordnung vorgeſchlagenen Mit⸗ gliedern eine Aenderung eingerreten iſt, und zwar tritt ſür Herrn Künzel Herr Müller ein. (Die Verſammlung iſt damit einveytanden.) Ferner iſt ein Antrag eingegangen, der folgen⸗ Ddermaßen lautet: Der Magiſtrat wird erſucht, die Gas⸗ ſperrſtunden wegen der erheblichen Schädigung der gewerbetreibenden Bürgerſchaft ſo ſchnell als möglich aufzuheben. Der Antrag iſt unterzeichnet von den Herren Frank, Grüßer, Müller, Perl und Panſchow. Er wird in der üblichen Weiſe behandelt werden. Wir kommen zu Punkt 21: Antrag der Stado. Irl Meinote und (en, betr. die, Pflegeamt für ſittlich gefährdete Mädchen. Deſnm e jache 130. Diente de⸗ Sitzung am 28. Mai 1919 Der Antrag lautet: Die Stadwerordnetenverſammlung wolle beſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, mit dem Berliner Magiſtrat wegen der erforder⸗ lichen Schritte zur Einrichtung eines Pfleg⸗ amtes für ſittlich gefährdete Mädchen und Frauen in Verbindung zu treten. Antragſtellerin Frl. Reinold: Der Antrag, den wir Ihnen heute vorlegen, iſt aus der Not der Zeit hervorgegangen, aus einer Not, die über Deutſch⸗ land nach vier ſchweren Jahren des Krieges ge⸗ kommen iſt, eines Krieges, der nichr nur den Männern, ſondern auch den Frauen und Kindern Schaden an Leib und Leben gebracht hat. In beſorg⸗ niserregender Weiſe hat die Verwahrloſung der weib⸗ lichen Jugend während des Krieges und darüber hinaus zugenommen, noch begünſtigt durch die große Arbeitsloſigkeit, die ſeit einigen Monaten eingeſetzt hat. Dieſen geführdeten Frauen und Mädchen zu helfen, ſie zu ſchützen vor dem Hinabgleiten in die Proſtitution, iſt Pflicht der Allgemeinheit. Wir ſchützem dadurch nicht allein die Frauen, ſondern unſer ganzes Volk, da die unheimliche Zunahme der Geſchlechtskrantheiten in engſter Verbindung damit ſteht. In voller Erkennung der Gefahren, die unſérem Volke von dieſer unneimlichſten aller Seuchen drohen, hat die Reichsregierung am 11. Dezem⸗ ber 1918 auf dem Verordnungswege ein Notgeſetz zur Bekämpfung der Geſchlechtskrantheiten erlaſſen. Es iſt anzunehmen, daß eine weit größre Anzahl von Frauen jetzt auf Grund dieſes Geſetzes der Sittenpolizei zugeführt wird.! Es mläre eine große Ungerechtigkeit, wenn man alle dieſe Frauen der ſittenpolizeilichen Kontrolle unterſtellte. Es iſt da⸗ her Pflicht, die Polizeikontrolle durch ſaniräre und fürſorgeriſche Maßnahmen zu erſetzen, die geeignet ſind, die an einer Geſchlechtskrantheit leidenden Frauen zu hindern, ihre Kranlheit weiter zu ver⸗ breiten und ihnem die Möglichkeit zur Rückkehr in einen anſtändigen Broterwerb zu geben. Die Fürſorgeerziehung kann bei dieſen Gefähr⸗ deten nur ſelten eintreten. Einerſeits erfaßt ſie nur die Mädchen bis zum 18. Lebensjahre, andererſeits ledeutet ſie ein ſo tieſes Eingreifen in das Privat⸗ leben des einzelnen, daß man ſich hierzu nur als letztes Mittel entſchließen wird. In den meiſten Fällen wird es genügen, dieſe Mädchen für kurze Zeit in ein Mädchenſchutzhaus aufzunehmen, bis eine geeignere Lehr⸗ oder Arbeitsſtätte für ſie gefunden iſt, cder ſie ins Elternhaus zurückgehen zu laſſen und die geſetzlich empfohlene Schutzaufficht bei ihnen auszuüben. Er erſcheint als eine ſelbſtverſtändliche Pflicht der Gemeinden, nicht nur beſtehende Fürſorgeein⸗ richtungen zu unteiſtützen, ſ Pflegeämter einzurichten, um