Sitzung am 28. Mai 1919 vielen Jahren in ſo hervorragender Weiſe arbei⸗ tende Jugendfürſorge dem Zwecke dienſtbar gemacht werden. Ich bin verſchiedentlich gefragt worden, ob es nicht am beſten wäre, das von mir vorgeſchlagene Pegeamt mit der Jugendfürſorgeſtelle zu vereini⸗ gen. Nach eingchender Veratung mit den leiten⸗ den Perſönlichkeiten der Jugendfürſorge möchte ich dem Vorſchlag ganz entſchieden zurückweiſen. Wer weiß, in welcher muſtergültigen, perſönlichen, fein differenzierten Weiſe in der hieſigen Jugendfürſorge gearbeitet wird, mit welcher Hingabe und liebevollen Ausdauer jeder einzelne Fall verfolgt wird, wünſcht nicht die Vcaſtung dieſer Stelle mit neuen Auf⸗ gaben, die mit den alten nicht vollſtändig überein⸗ ſtimmen. Denn die Fürſorge für ſexuell gefährdete Mädchen und Frauen erfordert eine ganz andere Art der Behandlung als die der kriminell gefährde⸗ ten Jugendlichen. Die erſteren bedürfen einer ganz beſonders ſorgfältigen Individualiſierung und liebe⸗ vollſter ſeeliſcher und ethiſcher Beeinfluſſung. Nur beſonders ſür diere Arbeit ausgebildete und veran⸗ lagte Frauen, denen dieſe Arbeit Herzensſacha iſt, werden imſtande ſein, dieſe unendlich ſchwere Auf⸗ gabe einigermaßen zu erfüllen. Während die Jugendfürſorge ſich der Gefährdeten nur bis zum dollenderen 18. Lebensjahre annimmt, wird es ſich bel den Schützlingen des Pflegeamtes vielfach um Mädchen und Frauen handeln, die dieſes Alter überſchritten haben. Wechl kaum in einem anderen Zweige der ſozialen Arbeit ſind die Pfleglinge ſo tüilich nicht voraus, daß nur in dieſer Form eine Verwirklichung unſeres Wunſches dentbar iſt. Da es ſich um nichtige ſanitäre Aufgaben handelt, wäre eine Angliederung ꝓraktiſche an einem Palizeiamt nachweiſen ie viellei, iſt, mewicht legt. geſſen werden, ſo Arbe and 5 280 in den Räumen der Sittenpolizei uniergebracht werden. In Bieleferd, wo das Pflegeamt in einer muſtergültigen Reiſe eingerichtet iſt, heißt es in der Dienſtanweiſung für die ſtädtiſche Fürſorgerin: Der ſtädtiſchen Fürſorgerin iſt es unter⸗ ſagt, polizeiliche Ermittlungen anzuſtellen, Strafanträge aufzunehmen oder von vertrau⸗ lichen Annaben der Beſchuldigten, namentlich Geſtändniſſen, der Polizeibehörde Mitteilung zu machen. Ihre Aufgabe iſt vielmehr, § rauen und Mädchen von der Begehung un⸗ ſittlicher oder gar ſtrafbarer Handlungen ab⸗ zuhalten, ſie nach Begehung ſolcher Hand⸗ lungen in ihre Obhut zu nehmen und ſie, ſoweit dies im Rahmen der Geſetze und ohne Gefähudung öffentlicher Intereſſen möglich iſt, vor der ſtrafrichterlichen Verurteilung oder doch vor der Strafverfolgung zu bewahren. Dem Pflegeamt ſollen alle von der Sitten⸗ polizei aufgegriffenen Frauen zugeführt werden. Die Vernehmung hat nicht bei der Polizei, ſondern von den Beamtinnen des Pflegeamtes zu geſchehen. Die Unterſuchungen werden nicht vom Polizeiarzt, ſondern von einer vom Pflegeamt beſtellten Spezial⸗ ärztin bzw. Arzt vorgenommen. Die Frauen und Mädchen, die keiner Krankenkaſſe angehören und die die Behandlung nicht bezahlen können, werden auf Koſten der Stadt ärztlich behandelt. Um die Durch⸗ führung der ärztlichen Behandlung zu überwachen, müßten Pflegeſchweſtern nach Art der Schul⸗ ſchweſtern angeſtellt werden, die die Patientinnen beeinfluſſen, damit ſie ſich der Behandlung nicht ent⸗ ziehen, was bei der Behandlung in der ſeit dem 19. Dezember 1918 hier eingerichteten öffentlichen Sprechſtunde für Geſchlechtskranke nicht ganz zu ver⸗ meiden iſt. Dem Pflegeamt werden auch alle bei der Sitten⸗ polizei einlaufenden Anzeigen über Gewerbs⸗ unzucht, Geſchlechtskrankheiten und Infektionsquellen zur Erledigung überwieſen, ſoweit es ſich um bisher unbeſcholtene Frauen und Mädchen handelt. In unauffälliger Weiſe, ſo daß der Frau kein Schaden dadurch erwachſen kann, wird die Beamtin des Pflegeamts verſuchen, ſich durch eingehende Er⸗ kundungen ein klares Bild davon zu machen, ob die Fürſorge eintreten muß. Hierdurch werden die Frauen davor bewahrt, gleich der Polizei vorge⸗ führt zu werden. Was eine ſolche Vorführung für die einzelne Frau bedeuten kann, iſt ſchwer zu be⸗ ſchreiben: ſo lange im Volke die anonyme Anzeige bei der Sittenpolizei noch ein beliebtes Rachemittel iſt, ſo lange iſt die Frau des Volkes Freiwild. Die bisher unbeſcholtene Frau hiervor wenigſtens in ge⸗ wiſſem Sinne zu ſchützen, iſt durch die Einrichtung eines von uns vorgeſchlagenen Pflegeamtes möglich. Endlich müßten dem Pflegeamt auch alle die der Sittenpolizei unterſtehenden Frauen überwieſen werden, die ins bürgerliche Leben zurückkehren wollen, wenn ihre Zahl auch klein ſein ſollte. Trotz aller miniſteriellen Erlaſſe und Verfügungen, trotz der Bemühungen einiger Polizeibehörden, den — einmal abgeglittenen Frauen die Rückkehr in das ie wir bürgerliche Leben nach Möglichkeit zu erleichtern, ſtellen ſich ihnen doch derartige, teils durch die Be⸗ völkerung, teils durch die Behörden getroffene Schwierigkeiten entgegen, die nur derjenige ganz ver⸗ kann, der ſich einmal mit dieſer Arbeit be⸗ Wenngleich die Arbeitsbeſchaffung die