295 Sitzung am 28. Mai 1919 nach dieſer Richtung zu treffen und Anregungen zu geben. Dann kommt noch etwas anderes in Frage und das wird auch eine dankbare Aufgabe des Aus⸗ ſchuſſes ſein —, daß er den Unterſchied in der Be⸗ urteilung der Frauen und Männer, der auf ſeruellem Gebiete beſteht, unter allen Umſtänden aus der Welt ſchafft, wenigſtens Hand daran legt, daß dieſer üble Zuſtand, der jetzt beſteht, daß geſchlechtskranke Frauen anders behandelt werden wie Männer, unter allen Umſtänden beſeitigt wird. Ich erinnere daran, daß man in den fortgeſchrittenen ſkandina⸗ viſchen Ländern den geſchlechtskranken Männern dieſelbe Behandlung zuteil werden läßt wie den ge⸗ ſchlechtskranken Frauen. Kommen wir dazu, dann werden wir einerſeits erreichen, daß wir die Würde der Frauen wieder heben, und andererſeits die Aus⸗ breitung dieſer Krankheiten aus der Welt ſchaffen. Wir erklären von unſerem Standpunkt aus, daß die “ traurigen ſozialen Verhältniſſe daran ſchuld ſind, daß ſich das Uebel der Proſtitution überhaupt ſo weit verbreiten konnte. Alle Mittel, die angewandt werden, aber nicht in ſozialer Be⸗ ziehung wirken, ſind nur Palliativmittel. Das wollten wir bei dieſer Gelegenheit zum Ausdruck bringen. Sollte eine ſolche Inſtitution geſchaffen werden, ſo haben wir die Bitte, daß vor allen Din⸗ gen verſucht wird, die ſozialen Uebel zu beſeitigen. Ich will noch daran erinnern — das liegt mir beſonders am Herzen —, daß die Proſtitution, wenn Sie die Statiſtik darüber nachleſen, zum großen Teil aus den Kreiſen der unehelich Ge⸗ borenen ihre Nahrung findet. Es iſt berechnet worden, daß von 100 unehelich Geborenen 21 der Proſtitution verfallen ſind. Dieſe Zahlen ſprechen deutlich genug und zeigen uns, wie tief die ſittliche Not der Unehelichen iſt. Auch auf dieſem Gebiete helfend einzuſetzen, wäre eine dankenswerte Auf⸗ gabe des Ausſchuſſes. Es kommen noch die häuslichen Verhältniſſe hinzu, die ich hier nur ſtreifen will. Die Wohnungs⸗ verhältniſſe der arbeitenden Bevölkerung, die leider zum großen Teil die Proſtituierten ſtellt, ſind be⸗ dauerlicherweiſe ſo beſchaffen, daß ein unſittlicher Einfluß auf das heranwachſende Kind gegeben iſt. Alſo auch die Wohnungsfrage ſpielt hier eine ganz bedeutende Rolle, und wenn ſich die Körperſchaften, die dieſe Frage zu löſen haben, mit dieſer ſchwie⸗ rigen Materie befaſſen, dann werden ſie der Woh⸗ nungsfrage ganz beſondere Aufmerkſamkeit ſchenken müſſen. Aber noch etwas anderes iſt es, was ich im Zuſammenhang mit . betonen möchte, das iſt die mangelnde Schulbildung. Ich kann Ihnen auch hier eine große Reihe von Zahlen geben. den Kreiſen der Iwangszöglinge ohne abgeſchloſſene Voltsſchulbildung ſind von 100 immer 6,6 der Pro⸗ ſtittion verfallen; diejenigen, welche volle Volts⸗ 4 e it höherer il⸗ Zahlen erſehen Sie, t. weil ſie ja immer in ihrem ſie uns am Herzen liegt, iſt die Tatſache, daß ganze Berufszweige für die Proſtitution geradezu einen Nährboden bilden. Ich erinnere Sie nur an das Kellnerinnenweſen. Auch da kann ich Ihnen intereſſante Zahlen mitteilen: von 1169 Kellne⸗ rinnen aus 47 Wirtſchaften waren 68,7 % der Proſtitution verfallen. Dieſe Zahlen ſprechen Bände. Alle dieſe Fragen ſind, wenn wir an die Löſung dieſer Sache herangehen, von großer Wichtigkeit. Ich wollte Ihnen dieſe Zahlen nur vorführen, um Ihnen klar und deutlich zu zeigen, daß die Wurzel des Uebels in den ſozialen Verhältniſſen liegt, und je mehr wir Hand ans Werk legen, um auch inner⸗ halb unſerer Kommune die ſozialen Verhältniſſe beſſer zu geſtalten, um ſo mehr werden wir das Uebel der Proſtitution beſeitigen, wenn auch nicht ganz beſeitigen, ſo doch den bedeutendſten Teil, der in den mangelhaften ſozialen Verhältniſſen be⸗ gründet iſt. (Der Antrag der Stadw. Frau Klockow auf Ausſchußberatung wird hierauf zurückgezogen uyid der Antrog der Stadtw. Frl. Reinold und Gen. ein⸗ ſtimmig angenommen.) Vorſteher⸗Stellv. Dr Frentzel: Das Protokoll der heutigen Sitzung vollziehen die Stadtverord⸗ neten Dr Broh, Ir Hertz und Herzog. Wir kommen zu Punkt 22: Antrag der Stadtv. Dr. Luther und Gen. betr. Er⸗ weiterung der Deputationen für höhere, mittlere, Volks⸗ und Fortbildungsſchulen. — Druckſache 131. Der Antrag lautet: Die Stadwerordnetenverſammlung möge beſchließen, daß die Deputationen für höhere, mittlere, Volks⸗, Fach⸗, Gemerbe⸗ und Fort⸗ biſdungsſchulen dahin erweitert werden, daß in jeder derſelben eine von den Lehrer⸗ und Lahrerinnenorgamiſationen gewählte Perſön⸗ lichkeiten Sitz und Stimme hat. Antragſteller Stadtv. Dr Luther: Meine Damen und Herren! Es iſt ein begreiflicher Bunſch der Lchrerſchaft, mehr als bisher berufs⸗ ſtändiſch in den Deputationen mer Stadt vertreten zu ſein. Ich mache mir in Gemeinſchaft mit meinen Freunden dieſen Wraſch der Lehrerſchaft zu eigen, und wir glarben, daß jatzt tatſächlich die Zeit ge⸗ komm en iſt, in der Notlage umſeres Vaterlandes, 00 das Wort Nietzſches gült: es wird einmal, eine Zeit geben, in der men kein anderes Wort mehr gagen wind „rie Erziehung. Da doch die Lehrer an erſter Linie berufen ſind, Volkserzieher zu ſein, usfſo könmen wir ihren Wunſch durchaus begreifen, um die reichen Erfahrungen, die ſie ſammeln und die ilhnen, in allerhöchſtem Maße zur Verfügung ſtehen, eil imu hrem Arbeitsgebiet aus der Tieſe zu ſchöpfen vermögen, auch hier nutzbringend n reimerter Da aber die gunze Materie außer⸗ ordentlich ſchm ierig iſt und auch Wünſche der Lehrerkammer ſelbſt worliegen, verzichte ich mach ſückſprache mit den einzelnen Fraktionsvorſtzenden auf eine nähere Begründung umd bitte Sie, für em dieſen Antrag einen Ausſchuß ven 2 Miigliedern 4 ber ſeinzuſeten, damit awir uns über die Sache im Aus⸗ ted mee