306 ein ſolches Amt bekleiden. Wenn Sie ebenfalls dieſer Auffaſſung ſind, ſo können Sie den Antrag des Ausſchuſſes nicht ablehnen, ſondern Sie ſind verpflichtet, ihm Ihre Zuſtimmung zu geben. Ich erſuche Sie im Namen des Ausſchuſſes, unſerem Antrag zuzuſtimmen. dazu befähigt, Stadtv. Dr Luther: Meine Damen und Herren! Ich muß im Namen der großen Mehrzahl meiner Freunde erklären, daß wir aufs allerſchärfſte gegen dieſen Antrag ſind. Wir wundern uns über die Ein⸗ bringung dieſes Antrags um ſo mehr, als er den Namen des Herrn Dr Hertz trägt, desſelben Herrn Dr Hertz, der ſich in einer der früheren Verſammlun⸗ gen für befugt erachtet hat, uns nachts um ½21 Uhr, als einige Herren der Abſpannung wegen bereits nach Hauſe gegangen waren, eine Vorleſung darüber zu halten, daß man ein ſolches Amt als Ehrenamt auf⸗ faſſen müſſe, und daß er nicht begreifen könne, wie man nach Hauſe gehen könne, wenn wichtige Vorlagen noch zur Debatte ſtänden. Um ſo überraſchter ſind wir, daß derſelbe Herr Dr Hertz, der ein ſolches Lob⸗ lied auf das Ehrenamt des Stadtverordneten geſun⸗ gen hat, nun bereit iſt, Anweſenheitsgelder für die Sitzungen der Verſammlung und der Deputationen zu bewilligen. Wir ſind darum dagegen, weil dieſer Antrag aus einer materialiſtiſchen Weltanſchauung geboren iſt, die wir ablehnen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Es muß dabei bleiben, daß das Amt des Stadrver⸗ ordneten ein Ehrenamt iſt. Ich gebe gewiß gern zu, daß allerlei Schwierigkeiten entſtehen können. Bei Rückſprachen mit den Dezernenten, bei der Vertei⸗ lung der Perſönlichkeiten auf die betreffenden Depu⸗ tationen wird es ſich aber einrichten laſſen, daß doch die Mitglieder ohne Arbeits⸗ und Verdienſtverluſt anweſend ſein können. Wir ſind dagegen und er⸗ klären noch einmal, daß wir ein beſoldetes Ehren⸗ amt in unſerem Katechismus nicht beſitzen. Stadtv. Dr Liepmann: Meine Damen und Herren! Die Mitglieder meiner Fraktion ſtanden von Anfang an dem Antrag in geteilter Stimmung gegenüber. Ein größerer Teil zeigte ſich nicht ge⸗ neigt, für Anweſenheitsgelder einzutreten, während die Fraktion einſtimmig dafür zu haben war, daß den Stadwerordneten keine Koſten durch die Fahr⸗ ten erwachſen dürfen und daß der Magiſtrat erſucht werden ſolle, ihnen Freifahrt zu verſchaffen. Die⸗ jenigen, die von vornherein ihren prinzipiellen Standpunkt dahin kundgetan hatten, daß ſie das Amt des Stadtverordneten als ein rein ehrenamt⸗ liches auch ferner aufgefaßt zu ſehen wünſchen, haben aber durchaus nicht verkannt, daß diejenigen, die den Antrag Dr Hertz unterſtützten, ſehr gute Gründe da⸗ für vorbringen konnten. Dieſe Gründe ſind nun im Ausſchuß noch des näheren erörtert worden, und es iſt hinſichtlich ihrer Würdigung eine Wandlung bei einem großen Teile der Mehrheit meiner Freunde eingetreten. Ich be⸗ tone aber ausdrücklich: die Wandlung bezieht ſich nicht auf die prinzipielle Stellungnahme über die allgemeine Frage, ob es richtig iſt, im Gemeinde⸗ dienſt das Prinzip der ehrenamtlichen Tätigkeit zu Sitzung am 18. Innt 1910 vor den Anſchauungen, die der Herr Vorredner aus der anderen Fraktion geltend gemacht hat zum größten Teil jedenfalls —, zu. Wir haben aber ge⸗ ſehen, daß Gründe tatſächlicher Art, insbeſondere mit Rückſicht auf die Zuſammenſetzung dieſer Verſamm⸗ lung, nach Berufen betrachtet, ſo ſchwerwiegend ſind, daß wir uns ſcheuen, weiter die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß ſo große Opfer an Arbeitszeit und Verdienſt von vielen unſerer Kollegen gebracht werden, um ihre Pflicht als Stadwerordnete auszu⸗ üben. Insbeſondere wurde es uns leicht, dieſen Standpunkt einzunehmen, weil wir erwarten können, daß eine allgemeine Regelung der Betätigung im Ge⸗ meindedienſt durch Einführung einer neuen Städte⸗ ordnung ſeitens der Landesverſammlung in Bälde vorgenommen werden wird, und da wir ja auch dar⸗ auf gefaßt ſein müſſen, daß eine Neuregelung für die Gemeindeverwaltung Groß⸗Berlin ungeſäumt vor⸗ genommen wird. Es handelt ſich alſo nur um eine kurze Uebergangszeit, für welche die fragliche Ent⸗ ſcheidung ergeht. Ich hebe ferner hervor, meine Damen und Her⸗ ren, daß unſer prinzipieller Standpunkt ſchon des⸗ wegen hier nicht zu der äußerſten Konſequenz einer) Ablehnung des Antrags zu führen brauchte, weil ſchon durch die Geſetzgebung, nämlich durch die Ver⸗ ordnung vom 31. Januar 1919, ein Riß in den Grundſatz der Städteordnung gemacht iſt, daß die Tätigkeit der Stadtverordneten eine rein ehrenamt⸗ liche ſein ſoll. Dieſer Verordnung gegenüber, die nach meiner Anſicht Geſetzeskraft erlangt hat, ſind wir machtlos. Sie erlaubt, daß die verſchiedenen Ge⸗ meinden dieſe Frage verſchieden regeln, daß alſo in der einen Gemeinde Anweſenheitsgelder geſtattet werden, in der anderen nicht. Die grundſätzliche Frage ſteht alſo gar nicht mehr zur Entſcheidung. Naun iſt Berlin, diejenige Gemeinde, die uns hier am nächſten intereſſiert, mit dem Beiſpiel vor⸗ angegangen, einen ganz geringen Entgelt für den entgangenen Avbeitsverdienſt, und zwar in Höhe von 6 ℳ, als Anweſenheitsentſchädigung auszuſetzen. Die überwiegende, Mehrheit meiner Freunde erachtet es deshalb aus dieſen praktiſchen Gründen und in Rückſicht auf die Geringfügigkeit des Entgelts, das wirllich nur in den wenigſten Fällen volle Entſchädi⸗ gung für den entgangenen Arbeitsverdienſt darſtellt, in ſehr vielen Fällen aber weit hinter ihm zurück⸗ bleibt, nicht für geboten, die prinzipiell begründete ablehnende Stellung auf dieſe Uebergangsmaßregel anzuwenden. Wir werden daher in unſerer über⸗ wiegenden Mehrheit, wenn nicht alle, für den Antrag ſtimmen und ſelbſtverſtändlich damit auch für das Erſuchen an den Magiſtrat, den Stadtverordneten freie Fahrt auf den elektriſchen Bahnen und der Un⸗ tergrundbahn zu gewähren. Perſönlich bedaure ich, daß dieſer letzte Antrag über die Freifahrt auf die Mitglieder des einen Kollegrums beſchränkt und nicht, wie ich es beabſichtigt hatte, auch weitergehend 52 1. Mitglieder des Magiſtrats ausgedehnt wo en iſt. 2 5 möchte verlaſſen. In dieſet Frage ſtimmen wir nach wie! tunde i