376 Sitzung am 26. Juli 1919 Jugend, wir ſchädigen die Kräfte der in der Arbeit ſtehenden Perſonen. Mir haben verſchiedene Aerzte immer wieder beſtätigt, daß der Hauptwunſch auf dem Gebiet der Ernährung der iſt, daß endlich die Aus⸗ mahlung des Brotgetreides herabgeſetzt wird. Ich ſpreche nicht pro domo, ich ſelbſt vertrage das Brot ſehr gut, werde aber dauernd von anderen Leuten gefragt: wie liegt die Sache, kann nicht endlich Schluß gemacht werden. Dann ein Weiteres! Wir wiſſen, daß in vielen Gegenden, die nicht Groß⸗Berlin und Hamburg heißen, ein anderes Brot hergeſtellt wird, ein großer Teil der Bevölkerung alſo unter dieſer Schädigung nicht mehr zu leiden hat. Wir wiſſen weiter, daß auch in Berlin ein Teil der Bevölkerung gar nicht unter dieſer Sache leidet, ſondern ſich im Schleich⸗ handel gutes Mehl beſorgt und ſich davon jetzt gutes Brot backen läßt. Meine Damen und Herren, unter ſolchen Um⸗ ſtänden muß man hier Schluß machen, da können wir das ſich nicht weiter ſo fortſetzen ſehen. Es kommt hinzu, daß durch dieſe ganze Sachlage Schleichhandel hervorgerufen, mindeſtens aber be⸗ ſonders geſtärkt wird. Dieſe Sachlage führt dazu, daß der Schleichhandel mit Korn und Mehl neuer⸗ dings eine ganz ungeahnte Ausdehnung erhalten hat. (Sehr richtig!) Ein weiterer Geſichtspunkt, der ja von aller⸗ höchſter Bedeutung auch für unſere ganze Ernährung iſt, iſt der, daß wir erſt dann, wenn wir wieder gerin⸗ ger ausmahlen, Kleie gewinnen und Damit die Mög⸗ lichkeit, unſere Schweinezucht endlich in die Höhe zu bringen. Aber nicht nur die Schweinezucht hängt da⸗ von ab, ſondern auch die Erhaltung des Rindviehbe⸗ ſtandes. Denn aus den verſchiedenſten Gegenden wird berichtet, daß das Rindvieh unter den jetzigen Verhältniſſen mehr und mehr erkrankt. Als ich neu⸗ lich auf dem Lande war, konnte ich feſtſtellen, daß faſt bei jedem Bauern ein Stück Rindvieh beinkrank oder ſo ſchwach war, daß es ſich nicht vom Boden erheben konnte, weil die Knochen nicht mehr wider⸗ ſtandsfähig waren. Das liegt zum großen Teil an dem Mangel an Kleie, natürlich auch an dem an anderem Kraftfutter. Durch die Herabſetzung der Ausmahlungsrate wird Kleie gewonnen, wodurch dieſe Zuſtände gebeſſert werden. Es iſtj die aller⸗ höchſte Zeit, daß auch nach der Richtung ſchleunigſt vorgegangen wird. Meine Damen und Herren, es iſt ja ſelbſtwer⸗ ſtändlich, daß wir und auch der Magiſtrat keine volle Ueberſicht darüber haben, wie die ganzen Ver⸗ hältniſſe liegen. Es iſt Sache der Reichsgetreide⸗ ſtelle, dazu Stellung zu nehmen, und Sache des Reichsernährungsminiſters, darauf hinzuwirken, daß die Ausmahlung herabgeſetzt wird. Ich hoffe aber, daß der Magiſtrat mit großer Beſchleunigung den Antrag weitergibt, damit wir noch im Auguſt, ſpäte⸗ ſtens am 1. September eine herabgeſetzte Ausmah⸗ lung erleben. Ich glaube, der Herr Reichsernäh⸗ rungsminiſter würde ſich ein großes Verdienſt er⸗ werben, wenn er die Reichsgetreideſtelle veranlaſſen würde, einem ſolchen Antrage möglichſt ſchnell zu ſtark ausgemahlenes Brot ißt, und daß bei dem augenblicklichen Zuſtande auch unter Umſtänden Ge⸗ ſundheitsſchädiaungen eintreten können, das will ich dem- Herrn Vorredner durchaus zugeben. Aber, meine verehrten Damen und Herren, das wiſſen alle Leute ſowieſo, und das weiß der Herr Reichsernäh⸗ rungsminiſter beſſer, als wir das hier wiſſen. Ich glaube, daß, wenn irgendwie die Möglichkeit dazu beſteht — und dieſe Möglichkeit, das hat der Herr Vorredner ſelbſt anerkannt, können wir hier nicht beurteilen —, dann der Herr Reichsernährungsmini⸗ ſter ohne weiteres von ſelbſt zu dieſer Maßregel über⸗ gehen wird. Deshalb kann ich eigentlich die große Dringlichkeit und Notwendigkeit, die Sache heute in dieſer außerordentlichen Stadtverordnetenſitzung zur Sprache zu bringen, nicht anerkennen. Trotzdem aber ſind wir bereit, im Schoße des Magiſtrats die Frage zu erwägen und ſie eventuell dann das dürfte die richtige Inſtanz ſein — dem Lebensmittelverband Denn hier eine Son⸗ deraktion von uns aus auf Grund dieſes Beſchluſſes, der heute ganz unvorbereitet gefaßt wird, zu unter⸗ 1 Antragſteller Stadtv. Dr Stadthagen: Zu meinem Bedauern habe ich aus den Worten des Herrn Oberbürgermeiſters entnommen, daß er nicht hinreichend darüber informiert iſt, daß in weiten Schichten der Bevölkerung der Wunſch auf baldigſte Aenderung der Brotherſtellung beſteht. Wäre das der Fall, dann würde er eben ſehen, daß jetzt die größte Beſchleunigung notwendig iſt. Es handelt daß der Beſchluß möglichſt ſchnell ge⸗ Der Reichsernährungsminiſter wird ja auf die möglichſt kaldige Herab⸗ ſetzung hinzuwirken. Im übrigen glaube ich, daß zogar ein großer Teil der Bevölkerung, auch der Ar⸗ beiterbevölkerung, gern, wenn es abſolut notwendig fein ſollte, mit einer 10%igen Kürzung der Geſamt⸗ brotration einverſtanden wäre, wenn er anders aus⸗ gemahlenes Getreide bekommt. Denn weite Kreiſe der Bevölkerung können überhaupt das Brot in dem jetzigen Zuſtande kaum mehr von Brot aus beſſer ausgemahlenem Mehl. Mindeſtens wäre dem einzelnen freizuſtellen, ob er Brot aus 82%igem oder ähnlich ausgemahlenem Getreide haben will oder aus 94%igem. Wenn er die Wahl hat, würde ſich, glaube ich, faſt die ganze Bevölkerung dafür entſcheiden, dieſes Brot zu er⸗ halten, genau ſo, wie es bei dem amerikaniſchen Weizenmehl war, wo die ganze Bevölkerung nur das teure Weizenmehl genommen hat und nicht d billige andere Mehl, das ſie auch hätte haben können. Ich glaube alſo, 99 44 dring ſich darum, faßt wird. auch nur gebeten, entſprechen. Wer ſchnell gibt, gibt gera d e ſkommen in dieſem Falle doppelt. Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: und Herren! Daß jeder von uns gern ein weniger iſei 411 Meine Damen mehr eſſen, ſie hätten daher