Sitzung am 3. September 1919 — Daß Sie darüber lachen, iſt ſelbſtverſtändlich, denn Sie Kapitaliſten ſtehen Schulter an Schulter hinter dieſer „ſozialiſtiſchen“ Regierung (Große Heiterkeit) und werden natürlich Angriffe auf dieſe Regtelung niemals zulaſſen. (Zuruf: Wenn man nichts zu verantworten hat, kann man auch anders!) Dies nur nebenbei. Aber ich habe nicht wegen dieſer kleinlichen Dinge das Wort ergriffen, die nur nebenbei geſagt ſind, ſondern hauptſächlich wegen der Mitwirkung der kommunalen Arbeiterräte. Es iſt ganz erſtaunlich, in welcher, ich möchte ſage, Naivi⸗ tät der Herr Stadtrat Fiſcher hier in unſerer Mitte lebt und auch der Herr Kollege Panſchow. Es dürfte eigentlich ſo ziemlich jedem bekannt ſein, daß Deutſchland heuzutage das Land iſt, in dem nichts ſo ſehr blüht als der Schleichhandel und die Schie⸗ bung, ja daß Deutſchland das Land der Schleich⸗ händler und Schieber geworden iſt. (Sehr richtig!) Selbſtverſtändlich werden die Herren von der So⸗ zialdemokratie und die Herren Demokraten uſw. in allen dieſen Punkten wiederum hinter der Regierung ſtehen, die erklärt: es geht nicht anders zu machen, wir haben keine Mittel gegen den Schleichhandel. Die wahren Mittel gegen den Schleichhandel wollen Sie nicht ſehen oder können Sie nicht ſehen. Dar⸗ über iſt ja auch hier nicht weiter zu ſprechen. Aber da ß der Schleichhandel in dieſer Weiſe in Deutſch⸗ land wuchert, weiß jeder unter uns, nur Herr Stadt⸗ rat Fiſcher und Herr Panſchow weiß es nicht. (Heiterteit.) Für ſie ſind es nur „einzelne Fälle“, wenn hier ge⸗ ſagt wird — es war mein Kollege Suhſe, der das darlegte —, daß es jetzt überall Kohlen gibt zu j e de m Preiſ e, den man nur anlegen will. (Gmufe: Woꝛ) Es wurde mir auch geſagt: es gibt den Zeueer für 8 ℳ. Das iſt jetzt der übliche Schleichhandelspreis, während 4,15 %, ich recht unterrichtet bin, der offizielle Preis iſt. Alſo Kohlen gibt es und gab es den ganzen Winter hindurch für jeden, der zahlen wollte und konnte. Das weiß jeder. Aber Herr Panſchow ſagt, wenn ſo ein Fall ihm mitgeteilt wird: das iſt nur ein Ausnahmefall. Und err Stad⸗ iſcher ſaat: „Wir haben ia unſere ren, unſere Kommiſſionen; wiſſen Sie denn Ale dieſe 4 und Kommiſſionen ſor⸗ Schleichhandel iſt] terdrückt oder 44 nicht ſtatt⸗ 0 nur einmal 1f gegenüber der vollkommen gerade in dieſem Punkte verſagt, wir ſchenken ihr nicht ſo viel, wie unter dem Nagel iſt, an Vertrauem dafür, daß ſie wirklich den Schleich⸗ handel unterdrückt. Deshalb haben wir auch nicht etwa das unbe⸗ dingte Vertrauen zu den kommunalen Arbeiterräten, daß es ihnen gelingt, dieſe Wucherpflanze auszu⸗ reißen. Aber immerhin: wir haben einige Hilfs⸗ kräfte mehr, die dazu beitragen werden, und zwar haben wir Hilfskräfte, zu denen die arbeitende Be⸗ völkerung Vertrauen hat, mehr Vertrauen, als zu Ihren Reviſoren und Kommiſſionen. Und das iſt ſehr weſentlich. Nun hat der Herr Oberbürgermeiſter noch aus⸗ geführt, daß dieſe ganze Sache mit den kommunalen Arbeiterräten in der Luft ſchwebe. Denn die hohe Obrigkeit von Charlottenburg, will ſagen, der Magt⸗ ſtrat hat bisher ſeine hohe Genehmigung zu dem Beſchluſſe der „Zufallsmehrheit“ der Stadtverordne⸗ tenverſammlung noch nicht erteilt. Dieſe Offenher⸗ zigkeit iſt recht dankenswert. Und der Herr Ober⸗ bürgermeiſter hat ja recht. Nach der Städteordnung iſt der Beſchluß zwar in der Stadwerordnetenver⸗ ſammlung gefaßt — aber, wenn der Magiſtrat nicht will, dann iſt er eben nicht gefaßt! Das zeigt uns wieder einmal — beinahe möchte ich ſagen vor Toresſchluß —, wie notwendig es iſt, mit dieſer verrotteten Städteordnung, die ſeinerzeit natürlich ein Fortſchritt gegen das Mittelalter war, die heute aber für uns das Mittelalter darſtellt, ein Ende zu machen. Das zeigt eben, wohin es führt, wenn eine Bürokratie in Form eines Magiſtrats über der wirk⸗ lichen parlamentariſchen Vertretung der Stadt noch exiſtiert. Dann wird mit Begriffen wie Zufalls⸗ mehrheit operiert. Damit kann man natürlich alles aus der Welt bringen, was die Stadtwverordneten⸗ verſammlung macht. Es iſt mehr oder weniger immer eine Zufallsmehrheit. Wenn es der hohen Obrigkeit nicht paßt, dann wird es eben nicht ge⸗ nehmigt. (Andauende Unruhe. Zuruf des Ober bürg er⸗ meiſt er s: Mathematitt) — Das iſt keine Mathematik, ſondern iſt tatſächlich begründet in dem Syſtem des Oberhauß ſes, das der J Magiſtrat bildet. die Herren angreifen. Sie nehmen die Rechte wahr, Ich will auch gar nicht perſönlich die ihnen das Geſetz gibt. Eh bien! Aber wir ſagen: wir werden Ihnem in Zukunft 4 Rechte nicht erteilen. (Zuruf: Sie eſhen ſie dem kommunalen Arbeiterrat!) Die Stadtvertreter brauchen keinen Vormund über ſich, Ke keine Vormundſchaft des Magiſtrats. (Seiterteit und Zurufe.) 0 240 in e Sinne bin ich dem Herrn Oberbür⸗ germeiſter für die Selbſtherrlichkeit dankbar, mit der er von 2 veralteten Rechte der Städteordnung Stadtverordnetenverſammlung hier mmer 50 daub. Gchech machen zu dürfen. 1 Fiſcher: Meine Damen 4 Der Herr K, Juſtizrat Dr 393