396 Der Antrag lautet: Die Stadtverordnetenverſammlung er⸗ ſucht den Magiſtrat, bei der Reichsregierung die ſchleunigſte Vorlegung des Geſetzentwurfes über die Kommunaliſierung zu erwirken. Antragſteller Stadtv. Dr Hertz: Meine Damen und Herren! Wir haben uns bereits vor einigen Monaten über die Frage der Kommunaliſierung unterhalten, und da wir damals grundſätzlich den Gegenſatz zwiſchen Kommunaliſierung und Soziali⸗ ſierung behandelt haben, kann ich für meinen Teil von einer Erörterung dieſes Gegenſtandes abſehen. Zur Stellung dieſes Antrags hat uns die Tatſache veranlaßt, daß das vor mehr als ſechs oder acht Monaten von der Reichsregierung in Ausſicht ge⸗ ſtellte Geſetz über die Kommunaliſierung bisher immer noch nicht vorgelegt worden iſt und daß wir in Uebereinſtimmung mit dem Preußiſchen und dem Deutſchen Städtetag der Meinung ſind, daß darin eine ſchwere Gefährdung der Intereſſen der Gemein⸗ den zu ſehen iſt. Auch wenn man — wie ja einige der Herren hier in dieſer Verſammlung — der Meinung iſt, daß eine weitgehende Kommunali⸗ ſierung oder überhaupt eine Kommunaliſierung vom Uebel iſt, ſo muß man doch darin mit uns überein⸗ ſtimmen, daß die Vorlage eines Geſetzentwurfs, der der Unſicherheit auf dieſem Gebiet ein Ende macht, dringend notwendig iſt. Die Tatſache, daß das nicht geſchieht und daß die Regierung bisher keine An⸗ ſtalten macht, dieſe Vorlage vorzulegen, zwingt uns zur Stellung dieſes Antrags. Wir bitten Sie, ihm zuzuſtimmen. Stadtv. Meyer I1: Meine Damen und Herren! Ich möchte auch in möglichſter Kürze erklären, daß meine politiſchen Freunde nicht in der Lage ſind, dem Wunſche, den der Herr Vorredner eben aus⸗ geſprochen hat, zu entſprechen. Wir ſind zunächſt der Meinung, daß die Stadwerordnetenverſammlung zu allgemein politiſchen Angelegenheiten, die Reichs⸗ oder Staatsſache ſind, nur dann Stellung zu nehmen berufen iſt, wenn ein beſonderes Intereſſe der Char⸗ lottenburger Gemeinde obwaltet. Daß das im vor⸗ liegenden Falle zutrifft, können wir nicht zugeben. Wir haben in Charlottenburg zum Unterſchiede von vielen anderen großen Gemeinden bereits die Kom⸗ munaliſierung auf den unſeres Erachtens wichtiaſten Gebieten durchgeführt. Wir haben ſtädtiſche Waſſer⸗, Gas⸗ und Elektrizitätswerke, und wir ſind jetzt auch ſo weit, daß das weſentlichſte Verkehrsunternehmen, das bisher noch im Privateigentume war, die Straßenbahn, kommunaliſiert iſt. Unter dieſen Um⸗ ſtänden läßt ſich wie geſagt ein beſonderes Intereſſe an beſchleunigter Einbringung eines Kommunali⸗ ſierungsgeſetzes vom Charlottenburger Standpunkt aus nicht anerkennen. Es liegt hier ein Intereſſe vor, das keineswegs größer iſt als das aller anderen Gemeinden, und ſchon aus dieſen grundſätzlichen Er⸗ wägungen heraus glauben wir dem Antrage nicht zu⸗ ſtimmen zu ſollen. Aber es iſt nicht notwendig, daß wir uns auf ſchaftlich günſtige Periode. Sitzung am 3. September 1919 lichkeit betanntgegeben iſt, immer noch nicht zu einer Vorlage verdichtet iſt. Meine Damen und Herren, wir finden das nicht ſo merkwürdig; wir haben von vornherein gewußt und vorausgeſagt, daß dieſe Ma⸗ terie eine außerordentlich ſchwierige iſt, daß ſich die Probleme nicht von heute auf morgen löſen laſſen und daß deshalb geraume Zeit dazu notwendig iſt, um etwas Vernünftiges zu ſchaffen. Wir haben keines⸗ wegs das Mißtrauen, daß die Reichsregierung etwa in doloſer Weiſe die Einbringung dieſer Vorlage ver⸗ zögert. Wir neigen dieſem Gedanken um ſo weniger zu, als ja in der Reichsregierung die ſozialdemokra⸗ tiſche Partei, die grundſätzlich für die weiteſte Kommunaliſierung iſt, jetzt ſtark überwiegt und auch vorher bereits die Führung gehabt hat. Wir nehmen vielmehr als ſicher an, daß, wenn der Entwurf bis⸗ her ſich noch nicht zu einer Geſetzesvorlage verdichtet hat, das lediglich ſeinen Grund darin hat, daß auch die Reichsregierung ſich von den der Materie inne⸗ wohnenden Schwierigkeiten überzeugt hat. Darüber hinaus wird die Reichsregierung vermutlich erkannt haben, daß die Erfahrungen die Kommunaliſterung nicht gerade vorwärts zu bringen geeignet waren. (Sehr richtig! Meine Partei, und ich glaube, ich kann das auch von anderen nicht ſozialdemokratiſchen Parteien ſagen, iſt an ſich durchaus nicht gegen Kommunaliſierung; meine Parteifreunde haben insbeſondere bei den Kommunaliſierungen, die in Charlottenburg ſtattge⸗ funden haben, führend mitgewirkt. Aber wir müſſen immer wieder betonen, der richtige Zeit⸗ punkt für neue Kommunaliſierungen iſt eine wirt⸗ An unſerem kranken Wirtſchaftskörper Experimente zu machen, iſt außerordentlich gefährlich, und jede neue Kommu⸗ naliſierung würde heute nach unſerer Ueberzeugung die Folge haben, daß eine neue ſchwere Laſt auf die 1 . der ſteuernden Bevölkerung gelegt wird. (Sehr richtig! bei der Demokratiſchen Fraktion.) Deshalb, meine Damen und Herren, erachten wir die Zurückhaltung der Regierung für xrichtig. Man ſollte ſich jetzt in allen Parteien abgewöhnen, die Wirtſchaft lediglich mit politiſchen Augen zu be⸗ trachten, man ſollte die praktiſchen Geſichtspunkte in den Vordergrund rücken, und von dieſen Geſichtss⸗ punkten aus wird man ſicherlich nicht wünſchen, daß heute Raum und Anreiz für Experimente gegeben wird, deren Tragweite ſich 5 gegenwärtig nicht an⸗ nähernd ermeſſen läßt. dieſe mehr formelle Seite der Sache zurückziehen,) liſie ſondern wir wollen gar keinen Zweifel darüber laſſen,] daß wir auch ſachlich den Antrag nicht billigen. Der] Derr Kallege Dr Hert hat es abfällig kritiſtert, aßß ein Geſetzentwurf, der bereits vor 6 oder 7 Mo⸗ naten in ſeiner beabſichtigten Geſtaltung der Oeffent⸗! ſpre