399 Sitzung am 3. September 1919 — Der Magiſtrat bittet Sie, dieſe Zurückhaltung nicht zu üben, ſondern dem Antrag der Unabhängi⸗ gen zuzuſtimmen! Die Demokraten dagegen halten das nicht für erforderlich. Das erſcheint im erſten Moment etwas ſonderbar; denn im allgemeinen arbeiten doch Magiſtrat und Demokraten ſehr har⸗ moniſch zuſammen. Wer ſich aber die Sache ein bißchen näher an⸗ ſieht, wird gar nicht ſo ſehr verwundert ſein. Denn der Magiſtrat, auch der reaktionärſte Magiſtrat, iſt allmählich infolge der Steuerverhältniſſe, infolge der übrigen Schwierigkeiten, die in der Beſchaffung der Geldmittel für die Stadt liegen, gezwungen, auf eine Kommunaliſierung zu drängen. Er ſieht darin das einzige Mittel, um aus dieſen Schwierigkeiten herauszukommen. Deswegen hat auch der Städte⸗ tag einen entſprechenden Antrag angenommen. Die Herren Demokraten ſehen heute dieſe Schwierigkeiten noch nicht ein; ſie ſind darin noch etwas kurzſichtiger als der Magiſtrat. Aber ich bin überzeugt, daß auch die Zeit für ſie kommen wird, wo ſie das einſehen werden. Wir brauchen uns aber darüber heute nicht zu unterhalten. Nur eins möchte ich hier betonen. Die Gründe, aus denen der Herr Kollege Meyer Zurückhaltung empfiehlt, ſind natürlich ganz andere als die, aus denen ich ſie empfehle. (Stadw. Meyer 1: Das hoffe ich!) — Daß Sie das hoffen, iſt ja ſelbſtverſtändlich.— Herr Kollege Meyer empfiehlt die Zurückhaltung, weil er überhaupt nichts oder nur wenig von der Kommunaliſierung wiſſen will. Da ſchützt er grundſätzliche Erwägungen vor: weil man an ſich von der Stadtverordnetenverſammlung aus gar nicht in dieſe Dinge hineinreden ſollte, wenn ſie nicht durch ein beſonderes Intereſſe dazu angetrieben würde, — eine Anſicht, die der Magiſtrat wieder nicht teilt. Dann hat er auch ſachliche Gründe: die Regierung wird ihre Gründe haben. Sie wird Schwierigkeiten haben. Vermehren wir dieſe Schwierigkeiten nicht! Stecken wir unſere Naſe nicht in dieſe Schwierigkeiten! Sie wird ſchon erſcheinen wie der deus ex machina und uns das Kommunali⸗ ſierungsgeſetz beſcheren; aber drängen wie nicht wie ungeduldige Kinder ſo ſehr nach dem Kommunali⸗ ſierungsgeſetz. Das waren ſo ungefähr die Ausfüh⸗ rungen des Herrn Kollegen Meyer. Ich dagegen bin für die Zurückhaltung und wünſche, daß Sie nicht ſo ſehr dieſes Geſchenk von der Regierung erbitten, aus dem einfachen Grunde, den ich Ihnen vorhin ſchon ſagte, weil ich dieſe Regie⸗ rung für ſo total unfähig halte, — (Lachen) ein Sozialiſierungsgeſetz, verdient, zu verfa das wirklic dieſen Namen rlichkeit wäre, wenn ich nun an eem , n ſſen, und vor allen Dingen dieſe lverſammlung für ſo unfähig halte, ein der⸗ eſetz in die Welt zu ſetzen, daß es für mich] ſwir haben, entkräftet ſind. Denn Herr Kollege icht gut] Meyer hat das, was Herr Kollege Broh geſaat hat⸗ 2 alles nicht geſagt, ſondern er hat im weſentlichen ob wir nicht dadurch eine Art Vertrauensvotum für die Regierung abgeben, daß wir von ihr ein der⸗ artiges ausreichendes Geſetz erwarten und da den Magiſtrat bitten, bei der hohen Regierung vorſtellig zu werden. Eins ſollte Sie ſchon bedenklich machen. Sie haben gehört, daß ſogar ein Heilmann dafür eintritt. Wenn das nicht für Sie ſchon ausreichend iſt, Ihnen das nicht ſchon zeigt, daß dieſer ganze Antrag am letzten Ende nur eine reaktionäre Wir⸗ kung hat, dann ſehen Sie nicht die Zuſammenhänge der Dinge. Alſo ich bitte meine eigenen Genoſſen, ſich eben⸗ falls die Sache nochmals reiflich zu überlegen. Ich meinerſeits werde natürlich von meinem prin⸗ zipiellen Standpunkt aus zu einem ſolchen Antrag nicht die Hand reichen. 2 2 Vorſteher⸗Stellv. Marzahn: Es iſt Schluß der Debatte beantragt. Auf der Rednerliſte ſtehen noch die Herren I). Frentzel, Perl und Heilmann. — (Der Antrag wird genügend unterſtützt, aber ab⸗ gelehnt.) Stadtv. Dr Frentzel: Meine Damen und Herrem! Ich wollte, ich könnte es mir ſo leicht machen wie Herr Kollege Broh, nämlich mir die Be⸗ gründung, die er hier angeführt hat, zu eigen zu machen, dieſer Regierung keinen Groſchen zu geben und von ihr nichts zu erwarten. Wenn ich ſie ſo einfach teilen könnte, wäre ich in einer außerordent⸗ ich guten Lage. Das iſt) das reine Mädchen für alles. Dann kann man jeden Antrag ablehnen oder annehmen, wie man will, ohne ſich je darum zu be⸗ ümmern, was man denn eigentlich ſagt. So be⸗ quem will ich es mir nicht machen. Ich habe mich überhaupt eigentlich nur zum Worte gemeldet, um einen etwas prolongierten Zwiſchenruf auf die Bemerkung des Herrn Kollegen Heilmann zu machen, der die Vorgänge bei der Vor⸗ lage der Charlottenburger Woſſerweife hier als Material angeführt hat. Die Vorgänge, verehrter Herr Kollege, ſind durchaus richtig erkannt; nur unterſcheide ich mich von Ihnen dadurch. daß ich andere Schlüſſe daraus ziehe. Es beweiſt nämlich dieſer Vorgang nicht den Schaden, den das Nicht⸗ vorhandenſein eines Reichsgeſetzes über die Kommu⸗ naliſierung bedeutet, ſondern er ſpricht im weſent⸗ lichen dagegen, daß jemand verſucht, ſei es ein Ober⸗ bürgermeiſter oder eine Stadt, für ſich ſelbſt etwas beſonderes haben zu wollen, (Sehr richtig!) und daher von vornherein glaubt, das, was all⸗ gemein geregelt werden ſollte, für ſich aus augen⸗ blicklichen Schwierigkeiten heraus beſonders ge⸗ regelt wiſſen zu wollen. Das ſtößt natürlich auf Schwierigkeiten, und der Erfolg iſt denn in dieſer Beziehung auch nicht ausgeblieben. Im übrigen kann ich den Ausführungen meines Freundes Meyer nur vollkommen zuſtimmen. Ich kann auch nicht zugeben, daß durch die an und für ſich ſo beherzigenswerten Ausführungen des Herrn Oberbürgermeiſters und auch durch die Bemerkungen des Herrn Kollegen Heilmann die Einwände, die