402 Die Fraktion iſt weit entfernt davon, mit dieſem Antrage der Reichsregierung ein Vertrauensvotum ausſtellen zu wollen. (Sehr richtig!) Ich glaube, außer dem Kollegen Dr. Broh hat in dieſer Verſammlung wohl niemand den Eindruck ge⸗ habt, als wenn wir Unabhängigen der jetzigen Reichsregierung in dieſer Zuſammenſetzung ein Ver⸗ trauensvotum wegen einer Handlung oder vielmehr wegen einer von uns außerordentlich bedauerten und feſtgenagelten Unterlaſſung ausſprechen woll⸗ ten. Der Zweck dieſes Antrags war ja, feſtzuſtellen, daß die Reichsregierung, nicht aus böſer Abſicht ihrer Mitglieder — das gebe ich ohne weiteres zu —, ſon⸗ dern aus allgemeinen Gründen, überhaupt nicht in der Lage war und bisher nicht die Kraft beſeſſen hat, einen ſolchen Geſetzentwurf vorzulegen. Ich ſehe die Urſache für dieſe Unterlaſſung nicht in den Schwie⸗ rigkeiten dieſer Materie, ſondern ich ſehe ſie darin, daß in der jetzigen Reichsregierung wie auch in der Regierung in ihrer früheren Zuſammenſetzung die⸗ jenigen Parteien trotz ihrer Minderzahl die aus⸗ ſchlaggebenden ſind, die ſowohl Gegner der Soziali⸗ ſierung wie der Kommunaliſierung ſind. Ich glaube, dem Herrn Kollegen Meyer und auch dem Herrn Kollegen Dr Frentzel durchaus nicht perſönlich zu nahe zu treten, wenn ich aus ihren Ausführungen folgere, daß ſie unſerm Antrage, der nur die Vorlage eines Geſetzentwurfes fordert, deshalb mißtrauiſch gegenüberſtehen, weil ſie mit Recht fürchten, daß, wenn erſt einmal der Geſetzentwurf vorliegt und Schritte in dem Rahmen der Kommunaliſierung un⸗ ternommen werden, es dann leichter ſein wird als gegenwärtig, die zahlloſen Bedenken und das große Mißtrauen gegen die Sozialiſierung zu zerſtreuen, die gegenwärtig noch außerordentlich ſtark ſind. Des⸗ halb iſt es von ihrem Standpunkt durchaus folge⸗ richtig, daß ſie als Vertreter des Privateigentums und im Intereſſe des Privateigentums — auch das iſt, wie die Herren wiſſen, kein Vorwurf perſönlich gegen ſie, ſondern eine rein objektive Feſtſtellung — gegen dieſen Antrag ſind. Ich kann Ihnen weiter ſagen, daß wir uns auch keinen Augenblick darüber im Zweifel waren, daß dieſer Antrag von allen Fraktionen, mit Ausnahme der Rechtsſozialiſten vielleicht, bekämpft werden wird. (Stadtv. Heilmann: Aber der Städtetag iſt doch dafür!) — Gewiß, der Städtetag iſt dafür; aber die Haltung des Städtetags erklärt ſich aus einer ganz andern Urſache. Die Oberbürgermeiſter, die Vertreter der Städte, ſehen die außerordentlich großen Schwierig⸗ keiten, die ihnen jetzt durch den Mangel eines ſolchen Geſetzes bereitet werden. Wir haben ja jetzt bei der Uebernahme der Groß⸗Berliner Straßen⸗ bahn ein ſolches Beiſpiel gehabt. Durch ein Kom⸗ munaliſierungsgeſetz wäre vielleicht dieſe Maßnahme viel leichter gegangen. Das von angeführte Beiſpiel beweiſt genau dasſelbe; auch die Vorlage über die Kommunaliſierung der Charlotten⸗ burger Waſſerwerke hätte ganz anders und viel leich⸗ ter erledigt werden können. Das allein ſind die Mo⸗] tive, die die Oberbürgermeiſter, die den Städtetag bewegen. Aber damit kann man die Haltung der Parteien nicht identifizieren. Sitzung am 3. September 1919 Herrn Heilmann Es iſt mir volltommen gleichgültig, ob Sie dem Antrage zuſtimmen wollen oder nicht; denn der Zweck, den wir mit dem Antrage verfolgt haben, iſt von uns durchaus erreicht worden. Stadtv. Dr Broh (perſönliche Bemerkung): Da⸗ durch, daß der Schluß der Debatte angenommen iſt, kann ich nicht ausführlich auf die Angriffe eingehen; ich möchte nur einige perſönliche Angriffe kurz zu⸗ rückweiſen. Zunächſt den Angriff des Kollegen Hertz. Selbſtverſtändlich ſtehe ich in dieſer Frage im Gegenſatz zur Unabhängigen Fraktion. Das habe ich doch ganz klar und deutlich bereits erklärt. Es braucht wohl nicht geſagt zu werden, daß dieſer Be⸗ ſchluß in meiner Abweſenheit gefaßt worden iſt. Das iſt ein Beſchluß, dem ich jedenfalls niemals zu⸗ geſtimmt hätte. Nun meint der Genoſſe Hertz, es wäre kein Ver⸗ trauensvotum für die Regierung. Ueber die Worte wollen wir nicht ſtreiten. (Unruhe und Rufe: Perſönlich!) — Ja, das iſt perſönlich. (Widerſpruch und Unruhe.) Wenn man ſich an die Regierung wendet mit dem Erſuchen, ſie möge ein Kommunaliſierungsgeſetz her⸗ ausbringen, und wenn man von dieſer National⸗ verſammlung erhofft, daß ſie das richtige Kommu⸗ naliſierungsgeſetz herausbringt — denn ſonſt hätte ja der Antrag keinen Sinn — — (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher⸗Stellv. Marzahn: Herr Kollege Dr Broh, das iſt nicht perſönlich! 82 8 Stadtv. Dr. Broh: — Ich bin auch mit dieſem Punkte fertig —: dann iſt das ein Anerkennt⸗ ni § der Regierung und der Nationalverſammlung, da kann ich mir nicht helfen, und dieſes Aner⸗ kenntnis mache ich nicht mit. Mögen das meine unabhängigen Genoſſen mit ſich ausmachen. 42 Stadtv. Heilmann: Bravo!) Nun meinte der Herr Heilmann, er erwarte von mir, daß ich mein Mandat niederlege. (Zurufe: Nein, im Gegenteil, er befürchtet es, be⸗ daüert esl — Heiterteit, — Gut, er bedauert es. — An ſich wäre es die logiſche Folge, daß ich mein Mandat niederlegte. Gewiß, das iſt eine Frage, vor der ich möchte ſagen, vor jeder Sitzung ſtehec, (ufe: Ach, denn hier mit dieſer reakti von Herrn Heilmann