405 Sitzung am 3. September 1919 unabhängige Geſinnung iſt Ihnen ſa aleich Rauben und Morden. (Zuruf des Stadtv. Heilmann.) — Herr Kollege Heilmann, ſtreiten wir darüber nicht; es könnte ſonſt noch eine ſehr lange Er⸗ örterung deswegen geben. — Dieſer Oberverwal⸗ tungsgerichtsrat Lindenau ſchreibt im „Berliner Tageblatt“ (Zuruf) —das ſcheinen Sie nicht zu kennen —: „Ein beängſtigendes Zukunftsbild entrollt ſich. Eine Sicherheitstruppe von 10 000 kampf⸗ und ſchützengrabengewohnten jungen Männern erhält die Herrſchaft im Berliner Straßenleben — Berufsſoldaten, die, von Offizieren gedrillt und geführt, dazu in Ka⸗ ſernen vom zivilen Leben abgeſchloſſen, jeder Kenntnis der Großſtadt, ihrer Bevölkerung, ihrer geſellſchaftsfeindlichen Kreiſe entbehren, von Polizeirecht und Toktik keine Ahnung, von den Grenzen der Polizeigewalt keine Vor⸗ ſtellung haben. Wie ſoll das werden, wenn an Stelle der im Polizeifach herange⸗ dienten Führer der Schutzmannſchaft wieder — wie es vor 50 Jahren Herkommen war! — ein ehemaliger Oberſt mit ſeinem „Offiziers⸗ ſtabe“ dem Polizeipräſidenten zur Seite trittl . . . . Hat man an die Bedürf⸗ niſſe des Publikums gedacht, dem anſtatt des allmählich wirklich zum Schutz mann ange⸗ leiteten erfahrenen Beamten der junge Unter⸗ offizier mit Silberſtickerei, Wickelgamaſche und Handgranate als Helfer im großſtädtiſchen Straßenleben angeboten wird, dazu der Leut⸗ nant oder Major als Beſchwerdeinſtanz.“ Ich unterſcheide mich ſelbſtverſtändlich von dieſem eben zitierten Oberverwaltungsgerichtsrat in der Beurteilung dieſer Angelegenheit: aber ich zitiere ſeine Aeußerungen als Beweis dafür, daß nicht nur wir die großen Gefahren ſehen, die aus dieſer Vor⸗ lage zu entſtehen geeignet ſind, ſondern daß auch ganz andere Kreiſe, die uns vollkommen fernſtehen, unſere Auffaſſung teilen. IIch verkenne keineswegs und ich weiß ganz deutlich, daß dieſe Vorlage rein politiſchen Motiven ihren Urſprung verdankt. Ich be⸗ zwecke auch hierbei durchaus nicht, Ihnen einreden zu wollen, daß Sie in Ihrem Intereſſe handeln, wenn Sie unſere Anſchauungen und unſeren An⸗ trag unterſtützen, ſondern ich weiß ganz deullich, daß in dem Kampf, der gegenwärtig zwiſchen den Klaſſen tobt, die herrſchenden Klaſſen ſich Stütz⸗ punkte ſchaffen wollen, die ſie iegen die anderen 4 benutzen wollen. Als ein ſolches Inſtrument Schichten hergeben dürſen, iſt es in letzter Linie, der dieſe Vorlage ihre Entſtehung verdankt. Der Vor⸗ ſitzende des Schutzmannsverbandes, ein bisher noch im Polizeidienſt in Berlin ſtehender Schutzmann oder Wachtmeiſter — ich kenne ſeinen Dienſtgrad nicht —, Ernſt Schrader, hat leulich in der Zeit⸗ ſchrift der Schutzleute oder Polizeibenmten, wie ſie heißt, dieſes Motiv, wenn auch mit etwas anderen Worten, aber doch in der Sache dasſelbe, vollkommen zugegeben. Auch er verweiſt darauf, daß die Schutz⸗ leute ihre Intereſſengemeinſchaft mit den übrigen beſitzloſen Schichten der Geſellſchaft einſehen und ſich nicht mehr zu willenloſen Werkzeugen in der Hand von Vorgeſetzten machen wollen. Wer die Demokratie als große Errungenſchaft der Revo⸗ lution nicht nur im Munde führt, ſondern in ſeinem Herzen Demokrat iſt und das Mitbe⸗ ſtimmungsrecht auch denen, die es bisher nicht ge⸗ habt haben, zubilligt, der muß folgerichtig dann dazu kommen, die Schutzleute in ihrem Kampf gegen die Militariſierung der Polizei zu unter⸗ ſtützen. Herr Oberverwaltungsgerichtsrat Lindenau macht aus ſeiner Erfahrung heraus darauf aufmerk⸗ ſam, daß, wenn dieſer Plan meint, die Verbrecher irgendwie energiſch faſſen und die in Berlin herr⸗ ſchende Unſicherheit für das Eigentum und die per⸗ ſönliche Sicherheit aus kriminellen Motiven irgend⸗ wie abändern zu können, man ſich einer außerordent⸗ lich großen Täuſchung hingäbe. Denn die Urſachen, daß das Verbrechertum überhand genommen habe, liegen ja, ganz abgeſehen von den allgemeinen Ur⸗ ſachen, vor allen Dingen in der zu geringen Zahl von geſchulten Polizeibeamten. Wenn es gelänge, die Zahl der Polizeibeamten zu vermehren, die Kenntnis und Erfahrung haben, die große Erfah⸗ rung, die nötig iſt, wenn man das Verbrechertum wirklich bekämpfen will, dann würde mit Hilfe der Schutzmannſchaft ſich dieſes Ziel ſchon erreichen laſſen. Aber daß die militariſterten Polizeibeamten zu dieſer Aufgabe viel weniger fähig ſind als die Polizeibeamten, daß es deshalb folgerichtig zu einer Vermehrung der Unſicherheit gerade aus kriminellen Motiven heraus kommen muß, wenn man dieſer Vorlage zuſtimmt, das weiſt Herr Oberverwaltungs⸗ gerichtsrat Lindenau in eingehenden Darlegungen ganz klar und überzeugend nach. Deshalb bleibt eben nur die Schlußfolgerung, die ich vorhin zog, daß nicht die Bekämpfung des Verbrechertums, ſondern die Bekämpfung gewiſſer unbequemer politiſcher Anſchauungen für dieſe Vor⸗ lage maßgebend iſt. Denn, verehrte Anweſende, wenn Sie einwerfen wollten, daß die bisherigen Vorgänge in der Revolution gezeigt haben, daß eine Bekämpfung derjenigen nötig iſt, die aus politiſchen Motiven heraus zur Waffe greifen, ſo verkennen Sie vollkommen das, was jedem Kenner der Arbeiter⸗ bewegung in den letzten Monaten nicht verborgen bleiben konnte, daß diejenigen Kreiſe, die wirklich aeglaubt haben, daß ſie ſich mit der Waffe in der Hand als eine Minderheit zur Herrſchaft bringen könnten, jetzt von völliger Einflußloſigkeit ſind. Sie 1] waren immer einflußlos und ſind jetzt vollkommen einflußlos. Deshalb braucht man eine ſolche große kaſernierte Polizei nicht, wenn man nur dieſe Ele⸗ ute bekämpfen will. Aber weil man eben poli⸗ e Anſchauungen, politiſche Parteien treffen will⸗