426 * Mit Recht iſt bereits von Herrn Freiherrn v. Rechenberg darauf hingewieſen worden, daß eine große Zahl von Gebäuden, die ſonſt öffentlichen Zwecken dienten, heute für dieſe Zwecke entbehrlich ſind. Man kann nicht etwa mit dem Einwand kommen, daß dieſe Gebäude für Wohnzwecke kleinerer Mieter nicht unmittelbar brauchbar ſeien. Denn es iſt wohl möglich, dieſe Räume für andere öffent⸗ liche Zwecke, die heute erfüllt werden müſſen, in An⸗ ſpruch zu nehmen und die dadurch frei werdenden anderen kleinen Räume auf dieſe Weiſe als Wohn⸗ räume zu nutzen. Das iſt der gegebene Weg, und da bietet ſich eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Wenn Sie z. B. das Gebäude des Landwehroffizier⸗ Kaſinos nehmen, ſo könnten dort ſehr gut Büros, vielleicht des Magiſtrats ſogar, hineinverlegt werden, die heute in höchſt unzweckmäßiger Weiſe in Klein⸗ wohnungen untergebracht ſind, während es ſehr wohl möglich iſt, ein Perſonal von 40 bis 50 Perſonen in großen Räumen gemeinſchaftlich arbeiten zu laſſen, wie ich auch in dieſem Hauſe vor einigen Tagen in einem Sitzungsſaal 30 Perſonen beſchäftigt geſehen habe. So gut wie das hier möglich iſt, kann es auch in einem anderen Gebäude durchgeführt werden. Deshalb darf nicht etwa der Einwand ge⸗ macht werden, daß ſich die großen Räume in dieſen Gebäuden nicht dazu eignen, dem ungeheuren Man⸗ gel an Kleinwohnungen abzuhelfen. Was uns noch weiter beſtimmt, die Frage der Zivileinquartierung ins Auge zu faſſen, iſt, daß wir leider bereits haben hören müſſen, daß die Schulen wieder in Anſpruch genommen werden ſollen, um dem Mangel an Wohnungen abzuhelfen. Das dürfen wir in keiner Weiſe dulden. Die Schulen ſind während der Kriegszeit bereits ſo ſehr die Aech kinder der Verwaltung geweſen, daß wir nicht noch, wie es jetzt geplant und wie mir von ſeiten des Ma⸗ giſtrats bekannt geworden iſt, erneut Räume in Schulgebäuden für Kleinwohnungszwecke abgeben können. Wir müſſen dem widerſprechen. Das zwingt uns wiederum, nach anderen Mitteln Umſchau zu halten, um hier nicht von neuem die Schulen für Sünden büßen zu laſſen, die in der Vergangenheit von der alten Stadtverordnetenverſammlung und dem Magiſtrat Charlottenburgs begangen worden ſind. Es handelt ſich hier um eine Not, die nach meiner Auffaſſung bei gutem Willen tatſächlich zu einem nicht unweſentlichen Teil beſeitigt werden kann, wenn man ſich nicht ſcheut, neue Wege und durchgreifende Mittel anzuwenden. Der Weg der Zivileinquartierung, auf den ich immer wieder hinweiſe, iſt an ſich auch heute nicht einmal ein neuer, nachdem mehr als ein Dutzend großer Gemeinden in Deutſchland ihn beſchritten und, wie ich erſt vor wenigen Tagen in einer Be⸗ ſprechung mit einem Mitglied des Magiſtrats in Dresden feſtſtellen konnte, zu einem ſehr guten Teile dort der Wohnungsnot dadurch abgeholfen haben, in einer Stadt wie Dresden, die ſich ihrem ganzen Cha⸗ rakter nach mit Charlottenburg vergleichen läßt. Dort hat man bereits im März in durchgreifender Weiſe eine Zivileinquartierungspflicht geſchaffen. Ich habe das Statut hier vor mir liegen. Es iſt ein Statut, das den Inhabern von Wohnungen mit mehr als 6 Zimmern, wenn dieſe Räume nicht von mehr als 6 Perſonen bewohnt werden, die Ver⸗ 11 27 auferlegt, ein oder zwei Räume abzugeben. iſt den berechtigten individuellen Bedürfniſſen der Wohnungsinhaber durchaus Rechnung getragen.! Sitzung am 17. September 1919 Der ganz ungewöhnliche Wohnungslurus, der in Charlottenburg zu Hauſe iſt, zwingt uns, auf dieſem Gebiet nicht abzuwarten, bis die Wohnungs⸗ verhältniſſe noch ſchlimmer werden. Heute ſind im Wohnungsamt in Charlottenburg über 1600 Woh⸗ nungsreflektanten gemeldet, die vergeblich nach Woh⸗ nungen ſuchen. Deshalb heißt es, ſich hier in dieſem Fall nicht ſcheuen, einen Weg zu betreten, der auf den erſten Blick ungewöhnlich erſcheint. Das ſoziale Gefühl kann es ſchlechthin nicht länger vertragen, daß einzelne oder wenige Perſonen ſich in Wohnungen mit 10, 12, 15 Räumen breitmachen oder ganze Häuſer und Villen bewohnen, wo Tauſende ge⸗ zwungen ſind, ſich auf das engſte zu beſchränken, Hunderte genötigt ſind, einſtweilen nicht zu heiraten oder ſich mit einer ganz unzureichenden Wohnung zufrieden zu geben. Alles das ſind Dinge, die dazu zwingen, etwas zu tun, was auf den erſten Blick vielleicht ungewöhnlich erſcheint, aber doch, wenigſtens auf die Dauer unvermeidlich iſt. Wir haben geſehen, daß auch Berlin nicht umhin kann, dieſen Weg zu beſchreiten. Wir brauchen nicht erſt noch die Erfahrungen in Berlin abzuwarten, denn andere Erfahrungen auf dieſem Gebiet liegen bereits vor. Ich habe vor wenigen Tagen hier in Charlottenburg jemand geſprochen, der ſeit Monaten eine Wohnung ſucht. Nach einem Inſerat, das am Sonnabend in der Mittagszeitung ſtand, war in der Neuen Kantſtr. 21 eine Wohnung von 3 Zimmern zu vermieten. Als er 3 Stunden nach Herausgabe der Zeitung dieſe 3⸗Zimmerwohnung aufſuchte, er⸗ zählte ihm der Verwalter des Hauſes, daß ſie bereits vor 2 Stunden vermietet worden ſei, nachdem eine Reihe von Perſonen in Automobilen vorgefahren ſeien und ein Bewerber ſofort die Wohnung, wie geſagt, eine 3-Zimmerwohnung, für den Preis von 2500 ℳ genommen habe. Angeſichts ſolcher Tatſachen bedarf es, glaube ich, keines weiteren Beweiſes, daß wir die ſchärfſten Maßnahmen treffen müſſen, und ich ſtehe nicht auf dem Standpunkt, daß es ſo außerordentlich ſchwierig iſt, Wohnungen von 8, 10 oder 12 Zimmern, die alle 2 Eingänge, 2 Aborte, zum großen Teil 2 Küchen haben, zum mindeſten aber ſich auf ganz leichte Weiſe mit 1 oder 2 Kochgelegenheiten verſehen laſſen, ſo aufzuteilen, daß einzelne Perſonen oder kleine Familien in ihnen ein Unterkommen finden. Ich halte das für den einzigen Weg, der uns dazu verhelfen kann, aus dieſer Notlage herauszukommen. Wir haben einen Winter vor uns, in dem es Nöte geben kann, denen wir nicht abzuhelfen vermögen. Hier liegt aber eine Möglichkeit vor, ihnen entgegen⸗ zutreten, wenn man von dem Gefühl erfüllt iſt, daß hier durchgreifend geholfen werden muß. Aus dieſem Grunde bin ich der Meinung, daß ſpeziell die Frage der Zivileinquartierung in einem beſonderen Ausſchuß zu erörtern iſt, da das der ein⸗ zige Weg iſt, auf dem überhaupt etwas geleiſtet werden kann. Alle Verfügungen, alle Verbote in Bezug auf das Inſeratenweſen, alle die Verbote, daß und 4 e, die Verbote, die ſonſt auf dieſem Gebiete beſtehen und Strafen für den androhen, der nichts nuten. Alle die Leute, die mit Wah⸗ n