Sitzung am 1. Oktober 1919 Stadtv. Dr Rothholz: Auch meine Fraktion ſchließt ſich dem Antrag an, die Vorlage einem Aus⸗ ſchuß zu überweiſen, denn ſie enthält eine ganze Reihe von einſchneidenden Beſtimmungen für die Arbeiterſchaft, die Beamtenſchaft und die Privat⸗ dienſtverpflichteten. Ich möchte hier nur auf ein⸗ zelne Punkte eingehen, behalte mir aber vor, im Ausſchuß noch auf andere hinzuweiſen. Was in erſter Linie die Arbeiter anbetrifft, ſo wird ihnen zweifellos, theoretiſch betrachtet, ein Recht zuerkannt, für das wir auch einſtehen; aber wir glauben doch, daß den Arbeitern, auch den Privatdienſtverpflichteten, ein Danaergeſchenk mit dieſer Vorlage gemacht iſt. Denn nach der Reichs⸗ verſicherungsordnung werden ſowohl die Arbeiter wie die Privatdienſtverpflichteten, ſobald ein Rechts⸗ anſpruch auf das Ruhegeld und die Hinterbliebenen⸗ verſorgung beſteht, von der Klebepflicht wie auch von der Pflicht der Angeſtelltenverſicherung befreit, und daraus ergeben ſich eine ganze Reihe von großen Bedenken. Es iſt fraglich, ob für dieſes Linſengericht der Anerkennung des Rechtsanſpruches die Arbeiter eventuell den Anſpruch auf eine Inva⸗ lidenrente verlieren ſollen, was gegenwärtig um ſo bedauerlicher wäre, als die Invalidenrente in der letzten Zeit weſentlich erhöht worden iſt; auch die Anſprüche der Privatangeſtellten aus der Ange⸗ ſtelltenverſicherung könnten eventuell ganz erheblich beeinträchtigt werden. Außerdem aber enthält die Vorlage noch eine ganze Reihe von Beſtimmungen, die uns nicht ganz genehm ſind. Unter anderem ſollen die Krieger⸗ witwen erſt eine Witwenrente bekommen, wenn ſte bedürftig ſind. Unſeres Erachtens müßte aus einer ſolchen Vorlage die Bedürftigkeitsfrage vollkommen ausſcheiden. Die Rente ſoll den Kriegerwitwen in demſelben Maße gewährt werden wie den Hinter⸗ bliebenen von Arbeitern und Privatdienſtverpflich⸗ teten. Schließlich möcht aufmerkſam machen. e ich noch auf einen Punkt Mir ſcheint es nicht richtig zu ſein, nur nach den Dienſtjahren die Höhe der Rente der Kriegsbeſchädigten zu bemeſſen, ſondern man müßte meines Erachtens noch einen anderen Maßſtab anlegen, und zwar den, wie groß die Be⸗ ſchädigung des Betreffenden iſt. In welcher Weiſe das aber geregelt werden kann, überlaſſen wir dem Ausſchuß. Wir wünſchen gewiſſe Schönheitsfehler auszumerzen, was uns hoffentlich im Ausſchuß ge⸗ lingen wird. Standpunkt, daß die Vorlage ſo, wie ſie uns hier vorliegt, nicht in Bauſch und Bogen angenommen werden kann, da ſehr viele einſchneidende und wichtige Fragen eingehend erörtert werden müſſen. Ich betone noch einmal, daß wir uns dem Antrag anſchließen. Stadtrat Dr Fiſcher: Der Magiſtrat hat na⸗ türlich gegen eine Beratung in einem Ausſchuß nichts einzuwenden. Ich darf nur kurz darauf hinweiſen, daß die jetzt aufgeſtellten Grundfätze eine Fortbildung der bereits im Jahre 1917 aufgeſtellten Grundſätze ſind. Infolgedeſſen iſt auch hier von früher die Be⸗ ſtimmung übernommen worden, daß die Krieger⸗ witwan nur im Falle der Bedürftigkeit auf Antrag Witwen⸗ und Waiſengeld bekommen. Bezüglich der Anrechnung der Invaliden⸗ und Altersrente beſteht bei uns die Beſtimmung, daß dieſe Renten auf das Ruhegelalt und die Witwen⸗ und Waiſengelder angerechnet werden. Für den Fall, daß dem Bedienſteten ein Rechtsanſpruch gewährt wird und infolgedeſſen die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Invaliden⸗ und Altersbezüge fortfällt, übernimmt die Stadtgemeinde die frei⸗ willige Weiterverſicherung und damit die Weiter⸗ zahlung der Beiträge für die Invaliden⸗ und Alters⸗ verſicherung, um auf dieſe Weiſe die Invaliden⸗ und Altersrente für ſpäter zu ſichemn, vor allem in den⸗ jenigen Fällen, in denen dieſe Weiterzahlung für die Stadtgemeinde günſtiger erſcheint. ⸗ Die Anrechnung dr Dienſtjahre für die Kriegs⸗ beſchädigten entſpricht ja wohl im allgemeinen den Grundſätzen, die wir hier aufſtellen, wonach die Reihe der Dienſtjahre an ſich die gegebene Grundlage für die Berechnung des Ruhelohnes bildet. Ich darf bei dieſer Gelegenheit wohl darauf hinweiſen, daß der Grad der Dienſtbeſchädigung dadurch berückſichtigt wird, daß die Kriegsbeſchädigten hierfür die Kriegs⸗ beſchädigtenrente bekommen, die nicht auf den Ruhe⸗ lohn und die Hinterbliebenenverſorgung angerechnet wird, die von der Stadt gewährt werden ſollen. (Die Verſammlung beſchließt die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß, der gleichzeitig beauftragt wird, Vertreter des Gemeindearbeiterver⸗ bandes und der Angeſtellten⸗Ausſchüſſe zu ſeinen Be⸗ ratungen hinzuzuziehen.) Vorſteher Dr Borchardt: Punkt 9 der Tagesordnung: Wir kommen zu Vorlage betr. Erweiteruna der freien Kurſe zur Fort⸗ bildung erwachſener Arbeiter und Arbeiterinnen. Druckſache 212. Stadtv. Dr. Stephan: Meine Damen und Herren! Wir werden der Vorlage zuſtimmen, ſind uns aber dabei bewußt, daß das, was hier den Ar⸗ beitern geboten wird. durchaus ungenügend iſ. Wenn Sie den Arbeitsplan der Volksbildungs⸗ kurſe anſehen, der auf der letzten Seite der Vorlagen abgedruckt iſt, ſo finden Sie, daß große Gebiete des haben, Wiſſens nur auf das allerkümmerlichſte durch eine I]Stunde wöchentlich vertreten ſind. Philoſophie, die Iaeſamte Technik, Phuſik, Chemie ſind mit je 1 Stunde bedacht. Das iſt herzlich wenig, und es iſt zu fürchten, nter⸗ daß durch diefe Kurie nur ein oberſlächliches Halb⸗ wiſſen gefördert wird. Der Hörer ſolcher Vorträge glaubt etwas 3 iſſen, und ſpäter, wenn er ſein ſo