446 Stadtſchulrat Dr. Neufert: Zu den Ausfüh⸗ rungen des Herrn Stadtv. Dr Stephan über Kurſe, die bis zum Abiturientenexamen vorbereiten, möchte ich erwähnen, daß es meines Erachtens nicht angängig wäre, ſie mit den Volksbildungskurſen zu verbinden; es würde weit über den Rahmen dieſer einfachen Kurſe hinausgehen. Wir müſſen uns da⸗ vor hüten, für die verſchiedenartigen Vorträge eine ganz verſchiedenartige Bildungsbaſis zu ſchaffen. Die Vortragenden müſſen in dieſen Kurſen von der Vorausſetzung ausgehen, daß die wenigſten Teil⸗ nehmer eine höhere Bildung als die Volksſchulbil⸗ dung haben. Wir würden mit unſeren Anforde⸗ rungen an Zeit, Lehrplan und Lehrer ja ganz außer⸗ ordentlich viel höher gehen müſſen, wenn wir auf die höheren Lehranſtalten und ſogar auf das Abi⸗ turientenexamen vorbereiten wollten. Ich glaube auch, es würde eine Unmöglichkeit ſein, für die einzelnen Kurſe eine genügende Anzahl von geeig⸗ neten Charlottenburger Hörern zu bekommen und zu erhalten. Unſer höheres Schulweſen gabelt ſich nach den verſchiedenen Richtungen: in Gymnaſium, Realgymnaſium und Oberrealſchule. Wir könnten, wenn wir auch auf das Abiturientenexamen vorbe⸗ reiten wollten, es nicht anders machen, als daß wir den Lehrplan einer von dieſen Schularten zugrunde legten. Die letzten Ausführungen möchte ich in dem⸗ ſelben Sinne beantworten. Wenn wir fremde Sprachen hinzufügen, ſo würde es ebenfalls für den Dozenten recht ſchwer ſein, die richtige Baſis zu treffen. Wir haben hier verſchiedene Volkshoch⸗ ſchulen, die derartige Sprachkurſe abhalten. Die Humboldt⸗Akademie z. B., die vom Magiſtrat Charlottenburg unterſtützt wird, hat derartige Kurſe ſeit Jahr und Tag. Diejenigen, welche wünſchen, ſich in Engliſch, Franzöſiſch oder Ruſſiſch ausbilden zu laſſen, ſind dort ſehr gern geſehen. Auch ſonſt iſt in Charlottenburg für fremdſprach⸗ lichen Unterricht gut geſorgt. Ich glaube aber, daß in den Arbeiterkurſen, wie ſie bisher hier beſtanden haben, den künftigen Volksbildungskurſen, doch wohl nicht der richtige Ort dafür ſein würde. Stadtv. Skaller: Meine Damen und Herren! Die IDr Stolze nötigen mich noch zu einer Erwiderung. Ich erſehe daraus, daß mit voller Abſicht dieſe De⸗ putation, die ich vorhin erwähnt habe, nur mit Aufgaben künſtleriſcher Volksbildung betraut wer⸗ den ſoll. Im Widerſpruch dazu ſteht der Antrag und die Begründung, die wir ihm ſeinerzeit ge⸗ geben haben, und im Widerſpruch ſteht auch die Definition, die der Magiſtrat dieſer Deputation gibt, indem er ausdrücklich ſagt, daß ſie auch wiſſen⸗ ſchaftliche Veranſtaltungen treffen ſoll. Ich bin doch nach der ganzen Ausſprache der Anſicht, daß ſich] tatſächlich noch ſehr viel über dieſes ganze Pro⸗ gramm ſagen ließe und daß ſich in dieſer Verſamm⸗ lung nicht alles das ausführen läßt, was not⸗ wendigerweiſe mit berückſichtigt werden ſollte. Aus dieſen Gründen beantrage ich, daß die ganze Vor⸗ lage noch einmak an einen 15⸗gliedrigen Ausſchuß ader am beſten der Deputation für künſtleriſche Volksbildung und Volksunterhaltung zur weiterenß Beratung überwieſen wird. Stedtv. Or Stephan: Aus den Ansfürungen 2 des Herrn Stadtſchulrats erſehe ich, daß ich doch Sitzung am 1. Oktober 1919 Ausführungen des Herrn Magiſtratsrats nicht ganz verſtanden worden bin. Ich will die Weiterbildung der Bildungſuchenden nicht im Rahmen der Volkslüldungskurſe haben, ſondern ich will die Gründung einer beſonderen Anſtalt, und ich glaube, ich habe mich doch vorhin ziemlich deutlich ausge⸗ drückr. Ich meine, es müßten Kurſe eingerichtet werden, die jedermann aus dem Volke entſprechend ſeiner Vorbildung, anſteigend von der Volksſchule bis oben herauf, beſuchen kann, um ſchließlich auch das Abiturientenexamen zu machen. Die Volkshoch⸗ ſchulkurſe ſind ja ſehr zu begrüßen; aber die ſind mehr für die, welche eine wiſſenſchaftliche Abendunter⸗ haltung haben wollen. Dadurch wird nichts erreicht, weil keine Berechtigung durch den Beſuch erzielt wird. Zweck meines Vorſchlages war, die Berechti⸗ gung zum akademiſchen Studium auch für die ande⸗ ren Volkskreiſe zu ermöglichen. Wenn dagegen eingewandt wird, es würden ſich nicht genügend Teilnehmer an ſolchen Abendkurſen finden, ſo möchte ich dem widerſprechen. Achnliche Einrichtungen gibt es z. B. in den Vereinigten Staaten. Sie haben ſich dort vorzüglich bewährt, wo viele tüchtige Leute, die heute im öffentlichen Leben, in der Politik, in der Technik ſtehen, aus⸗ ſchließlich ihre Bildung auf derartigen Abendſchulen erworben und Tüchtiges geleiſtet haben, und heute noch leiſten. Es würde natürlich nicht praktiſch ſein, bei einer derartigen Anſtalt jetzt ſchon gleich mit einer Dreigabelung: Oberrealſchule, Realgymnaſium und Gumnnaſium, anzufangen, ſondern man müßte mit der einfachſten Form, wahrſcheinlich mit der Oberrealſchule, beginnen, um ſich der großen Meyr⸗ heit der Bildungſuchenden einigermaßen anzupaſſen. Sräter müßte auch das erweitert werden. Ich möchte alſo nochmals betonen: es handelt ſich um eine beſondere Anſtalt, die von den Volksbil⸗ dungskurſen losgelöſt iſt und mit ihnen an ſich nichts zu tun hat. . Magiſtratsrat Dr Stolze: Ich möchte auf die Ausführungen des Herrn Stadtv. Skaller nochmals kurz eingehen. Es iſt allerdings von der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung am 15. April 1919 — ich glaube auf Antrag des Herrn Skaller — ein Antrag dahin angenommen: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle beſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, ein Organ zu ſchaffen, dem es obliegt, künſtleriſche und wiſſenſchaftliche Veranſtaltungen zu arran⸗ gieren, an denen die Arbeiterſchaft und ſpe⸗ ziell die unbemittelte Bevölkerung umſonſt 1002 gegen geringes Entgelt teilnehmen mn. 1 8 5 2 In unſerer Vorlage vom 8. Mai 1919, die ſich mit dieſem Antrag beſchäftigt, iſt aber ausgeführt worden: Vezüglich der wiſſenſchaftlichen V ſtaltungen verweiſen wir auf er 1 en, Vo