474 überhaupt in den letzten Jahren im Deutſchen Reich zugewandert ſind, ſtehen den Kreiſen außerordent⸗ lich nahe, die der Herr Vorredner in ſeinen An⸗ ſchauungen vertritt, und ich glaube, er hat ſich bei ihnen wohl kaum Freunde erworben und er und ſeine Freunde werden ſich wohl wenig Anerkennung verſchaffen, wenn ſie dieſen Schlachtruf für die Folge ſtärker erheben werden. Ich möchte ihn darauf hin⸗ weiſen, daß der hier gefallene Zwiſchenruf: die bal⸗ tiſchen Barone, durchaus berechtigt iſt und daß die Herren, die ſich um die konterrevolutionäre weſt⸗ ruſſiſche Regierung ſcharen, einen großen Teil der läſtigen Ausländer ausmachen, die hier jetzt nach ſeiner Meinung die Wohnungsnot verſchärfen. Im übrigen möchte ich dem Herrn Vorredner empfehlen, wenn er Zahlen benutzt, doch des Wor⸗ tes eingedenk zu ſein, daß man mit Zahlen alles beweiſen kann, und bevor er ſolche problematiſchen Zahlen über die Zuwanderung hier nach Char⸗ lottenburg benutzt, ſich vorerſt mit dem Direktor unſeres Statiſtiſchen Amtes auseinanderzuſetzen, der ihm ſagen wird, wie man ſolche Zahlen benutzt und welche Schlußfolgerungen man aus ihnen ziehen kann. Er würde dann wahrſcheinlich erfahren, daß die einfache Zahl der Zuwanderer durchaus nicht genügt, um ein Urteil über die Zahl der wirklich hier Verbliebenen zu gewinnen, ſondern daß eine ganze Reihe von anderen Momenten, die Abreiſenden uſw., auch mit dabei zu berückſichtigen ſind. Zu der Vorlage ſel bſt möchte ich ſagen, daß der Antrag, der im Ausſchuß angenommen wor⸗ den iſt, unſeren Antrag ja etwas abſchwächt. Aber wir werden dem Antrage des Ausſchuſſes aus der Erwägung heraus zuſtimmen, daß wir bisher den Eindruck gehabt oder vielmehr in dieſer Ausſchuß⸗ ſitzung neu gewonnen haben, daß der Magiſtrat innerhalb der ihm vom Wohnungsverband gegebenen Kompetenzen vorläufig verſucht, ſeine Aufgaben zu erfüllen. Wir ſind uns hier bei dieſem Punkte voll⸗ kommen bewußt, daß die letzte Verordnung des Wohnungsverbandes, deren Wortlaut Herr Stadt⸗ ſyndikus Sembritzki in der Ausſchußſitzung zum erſtenmal bekanntgegeben hat, den Gemeinden außer⸗ ordentlich geringe Kompetenzen zuweiſt, und daß ſich unſer Kampf jetzt in erſter Linie gegen dieſe Verordnung des Wohnungsverbandes richtet, die die Zwangseinquartierung und die Möglichkeiten der In⸗ anſpruchnahme unbenutzter Wohnräume ſo außer⸗ ordentlich einengt, daß praktiſch von einer Zwangs⸗ einquartierung überhaupt nicht mehr die Rede ſein kann und daß eine Milderung der jetzigen Wohnungs⸗ not auf dieſem Wege wahrſcheinlich kaum eintreten wird. Wir führen den Kampf um eine Erweiterung der Befugniſſe der ſtädtiſchen Behörden in dieſer Richtung fort und werden dann wieder an die Ver⸗ ſammlung herantreten, damit ſie uns dann, wenn wir weitere Befugniſſe für die ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaften erreicht haben, auf dieſem Wege folgt. Stadtv. Dr. Krüger: Herren! Es iſt mir und verſchiedenen anderen Stadtverordneten heute von dem Rektor der Städti⸗ ſchen Eliſabeth⸗Schule ein Notſchrei über die dor⸗ ſtärkter 3 tigen Verhältniſſe zugegangen, die dadurch einge⸗ treten ſind, daß man das Hintergebäude zu Rot⸗ ſtandswohnungen eingerichtet hat. Infolgedeſſen mußten natürlich Klaſſen geräumt, ihre Geräte der Turnhalle untergebracht und die Tur Sitzung am 16 Ottober 1010 Meine Damen und 4 Rektor ſuchte ſich ſo zu helfen, daß er Nachmittags⸗ unterricht einrichtete. Das ging ſo lange, bis die Eltern energiſch Beſchwerde erhoben, und nun nahm er das ſogenannte Wilmersdorfer Syſtem an, d. h.⸗ er machte zwei Abteilungen in der Schule, die eine Abteilung erhielt an 3 Tagen, die andere an den anderen 3 Tagen Unterricht. Es kamen noch weitere Mißſtände hinzu. Es waren recht zweifelhafte Weiber einquartiert wor⸗ den, die ſich ziemlich ſchamlos benommen haben, was auch nicht gerade erzieheriſch auf die jungen Mäd chen einwirken kann. Kurz und gut, es ſind Miß⸗ ſtände ſchlimmer Art vorhanden. Inzwiſchen iſt die Schule in der Orantenſtraße belegt und dadurch ein Schulgebäude in der Bismarck⸗ ſtraße frei geworden. Der Rektor glaubte mit Rechr, daß er jetzt ſeine Schule würde voll belegen konnen, und er beantragte daher, daß die Bewohner des Hintergebäudes nach der Bismarckſtraße umquartiert würden. Das iſt nun leider nicht geſchehen. Er hat aber erreicht, daß ſeine Klaſſen nach der Krumme Straße gebracht wurden, wo er für 7 Klaſſen 5 Räume erhielt, immerhin ſchon eine Verbeſſerung für ſeinen Unterrichtsbetrieb. Das geſchah Ende September. Jetzt aber, nach 14 Tagen, erhält er den Befehl, inner⸗ halb der nächſten 14 Tage mit dieſen Klaſſen aus der Krumme Straße nach der Bismarckſtraße hinzu⸗ wandern. Dadurch kommt neue Unruhe in die Schule hinein; auch iſt es unzweifelhaft, daß für Rektor, Lehrer und Lehrerinnen der Unterrichts⸗ 1 . durch die weitere Entfernung ſchwieriger wird. Ich ſollte meinen, man müßte ſich entſchließen, entweder — das wäre das mindeſte — die Klaſſen in der Krumme Straße zu belaſſen oder einfach die Bewohner des Hintergebäudes der Eliſabeth⸗Schule zwangsweiſe nach der Bismarckſtraße 49 oder in ſonſtige Räume, ſoweit ſolche frei werden, umzu⸗ quartieren, damit zwei Schulen — es kommt näm⸗ lich auch die Sophien⸗Schule hinzu — wieder in normale Zuſtände verſetzt werden, was mir im In⸗ tereſſe des geſamten Unterrichts durchaus notwendig erſcheint. Ich möchte alſo dieſem Wunſche infolge der Anregungen der Eltern und des Rektors hier⸗ mit Ausdruck geben. Stadtv. Dr Roſenfeld: Meine Damen und Herren! Auf die allgemeinen Gründe, die zuu Wohnungsnot geführt haben, will ich nicht eingehen; nur mit einem Worte möchte ich erwähnen, wernn Herr Dr Stephan glaubt, vor Rätſeln zu ſtehen, daß alle diejenigen, die ſich mit der Frage der Wohnungs⸗ not und der ins Ungeheure gehenden Literatur außf dieſem Gebiete auch nur einigermaßen beſchäftigt haben, wiſſen, daß die Schuld an der Wohnungsnot der volkswirtſchaftliche Stillſtand trägt, den wir ſeit Jahren auf dem Gebiete des Bauweſens haben. te in] nungs