487 Sitzung am 15. Oktober 1919 lagen für die Jugend freigegeben und für Zwecke der Jugendpflege geöffnet werden. Sie wiſſen wohl, daß in Bayern und in Deutſch⸗Oeſterreich alle königlichen und kaiſerlichen Schlöſſer und Park⸗ anlagen durch Geſetz für die Jugendpflege reſerviert werden, und ich denke, daß wir das auch hier nur mit Freuden begrüßen können, ſelbſt wenn dort einmal ein kleiner Uebergriff durch die Kinder er⸗ folgt. Die Kinder, die wir hier in unſerer Stadt haben, ſind durch die ſchrecklichen Jahre der nichts⸗ würdigen Hungerblockade in ihrer Geſundheit ſo heruntergekommen, daß wir ihnen das bißchen Luft und Sonne gern gewähren wollen, und es iſt für jeden Jugenderzieher und Freund der Jugend un⸗ verſtändlich, wie irgend jemand ſagen kann, daß eine ehrfurchtgebietende Stätte entweiht oder ge⸗ ſchädigt wird, wenn Kinder dort ſpielen. Ich kann mir nichts Schöneres denken, als wenn einſtmals auf dem Stückchen Erde, das mich deckt, jubelnde Kinder in heller Freude herumtoben. Ich glaube, daß das die Stätte der Ehrfurcht, die gerade dort in unſerem Schloßgarten mit vielen vaterländiſchen Erinne⸗ rungen verbunden iſt, auch nicht im entfernteſten ſchädigen kann. Ich würde die Kinder auch nicht hinten bis auf die Pferdewieſe verdrängen, ſondern ſie vorn laſſen, und ich muß ſagen, ich bin gerade auf Grund dieſer Anfrage erneut im Schloßgarten geweſen und habe mich gefreut, daß die Kinder nicht ferngehalten werden, da ſie früher dort über⸗ haupt nicht hingebracht werden durften. Jetzt ſind dort die Kinder, teilweiſe auch im Kinderwagen, mit ihren Müttern; es ſind auch, was beſonders erfreu⸗ lich iſt, Alte und Schwache in ihren Rollwagen dort und freuen ſich der Luft und Sonne, die ihnen dort gewährt werden kann. Wir wollen auch nicht nach dem Schutzmann — ſo hat es Herr Kollege Dr Krüger gegenüber unſeren Kindern getan — rufen, ſondern wir wollen höchſtens wünſchen, daß dort ein paar Parkwächter ſind, die ſchon mit den Kindern fertigwerden werden, und es wird hoffent⸗ lich nicht mehr ſo lange dauern, ſo wird wohl auch die Unzucht, von der Herr Kollege Dr Krüger ge⸗ ſprochen hat, unter den halbwüchſigen Leuten ver⸗ ſchwinden. Unſere Berliner Bevölkerung iſt vor „dem Kriege immer noch ſo geſund geweſen, daß wir annehmen können, daß ſie auch nachher ſolche Unzu⸗ träglichkeiten und Unſittlichkeiten nicht dulden und ſelbſt Ordnung ſchaffen wird. Aber die Kinder wollen wir dort lieber ruhig ſpielen laſſen. In England dürfen ſie auch den Raſen betreten, und man freut ſich dort, wenn ſie geſunden. Stadtv. Frau Nemitz: Meine Herren und Damen! Wenn wir die Benutzung des Schloß⸗ gartens als eine Errungenſchaft der Revolution be⸗ trachten können, ſo wollen wir dafür ſorgen, daß wir ſie im Intereſſe der Kinder und derjenigen Be⸗ völkerung, die gezwungen iſt, in dumpfen Woh⸗ nungen zu hauſen, erhalten, nicht vielleicht wieder von den Schloßgarten einen Schutzmann oder wo möglich Soldaten mit Handgranaten ſtellen. Da⸗ wollen wir vermeiden. Ich ſtimme vollſtändig mit der Auffaſſung überein, daß wir eine Stätte am hoh n, wenn wir dort die rohend der Krieg auf die Bevölkerung, auf die Ju⸗ gend⸗ gewirkt hat. , 0 (Sehr richtig! bei den⸗Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) 117 122 Sie ſind ja 4½ Jahre hindurch zur Zerſtörung er⸗ zogen worden, es herrſchte eine förmliche Zerſtö⸗ rungswut, und dieſe Zerſtörungswut werden wir nicht in ein paar Monaten beſeitigen können. Da müſſen wir eben Geduld haben und alle dagu bei⸗ tragen, daß dieſe Stätten nicht mutwillig runierr and geſchändet werden. 44 Ich bin durchaus dait einverſtanden, daß die Schule die Erzieherin neben den Eltern ſein muß⸗ Seien Sie überzeugt, daß aufgeklärte Eltern in dieſer Beziehung ihre Pflicht getan und die Lehrer und Lehrerinnen unterſtützt, nicht erſt die Kinder, wenn ſie die Gärten und Anlagen betreten hatten, auf die Warnungstafeln hingewieſen haben. Nein, wir als aufgeklärte Mütter, die ein Intereſſe an Natur⸗ und Kulturſchönheiten haben, haben es uns zur Auf⸗ gabe gemacht, unſeren Kindern zu ſagen: ihr ſollt nicht zerſtören, ihr ſollt kein Blümchen unnötig ab⸗ pflücken, ihr ſollt kein Tierchen töten uſw. Da wer⸗ den Sie mit uns fühlen, welche Empfindungen wir während des Krieges gehabt haben, wenn wir ſehen und hören mußten, wie junge Leute darüber ge⸗ frohlockt haben, wie im Felde zerſtört wurde, und eine förmliche Befriedigung dabei zum Ausdruck kam. Das ſchaffen wir nicht mit einem Handſchiag aus der Welt. Meine Herren und Damen, weiter möchte ich hinzufügen, daß ſich hier auch ganz beſonders die Erziehungsart des deutſchen Volkes bemerkbar macht. Das Volk iſt ſo erzogen, daß entweder hinter jedem ein Schutzmann ſteht oder jeder erne Woarnungstafel vor der Naſe haben muß. So iſt es, kann man ſagen, bis zum heutigen Tage: es iſt ja alles verboten. Geht man im Wald ſpa⸗ zieren, wo man glauben ſollte, ſich frei bewegen zu . ſo findet man plötzlich ein Schild: Verbotener Weg. (Zurufe.) — Ja, daß das Rauchen verboten iſt, das wird wohl bis zu einem gewiſſen Grade ſeine Berechr⸗ gung haben; durch unverſichtiges Umgehen mit Feuer können Brände im Walde entſtehen. Aber wenn ein Weg vorhanden iſt, ſo weiß ich nicht, was man dadurch, daß man ihn benutzt, zerſtören kann. 5 er aber macht ſich eben die ganze Erziehungsart, die nur ſchädigend auf den Menſchen einwirkt, 5⸗⸗ ꝛnerkbar. SDWir werden alles daran ſetzen, daß dieje Zer⸗ ſtörr Igswut nicht weiter um ſich greift. Wir werden neben der Schule unſere Pflicht darin ſehen, uberall, wo wir Gelegenheit dazu haben, auf das aufmerk⸗ ſam zu machen, was ſich gehört. Ohne Schutzmann und Warnungstafel muß endlich einmal der richtige Geiſt einziehen, und der Geiſt, den man 4½ Jahre gepflegt hat, muß beſeitigt werden. Deshalb bitte 4 2 ich Sie, nicht danach zu trachten, wie es Herr Stadto. * I⸗ Krüger getan hat, daß vor dem Schloßpark ein mu oder womöglich Soldaten geſtellt wer⸗ ielſtätte für unſere Kinder, die mit bleichen ch den. Wir halten den Schloßpark für die beſte