495 * Sitzung am 15. Oktober 1919 ſehnlich, daß für ſämtliches Perſonal der 8⸗Stunden⸗ Tag in Betracht kommt; Möglichkeiten ſind vor⸗ handen. Daran können tatſächlich Zweifel auf⸗ tauchen, ob ein Arzt, der 24 Stunden Dienſt tun ſoll, in voller Friſche, mit aller Gewiſſenhaftigkeit und in ſtändiger Bereitſchaft ſeine verantwortliche Tätigkeit ausführen kann. Alſo, meine Herren und Damen, wir halten uns lediglich an das, was uns Herr Stadtrat Ur Gott⸗ ſtein hier geſagt hat. Es liegt der Beſchluß des Magiſtrats vor, in ſämtlichen Krankenhäuſern die Einheitsküche einzuführen. Stadtv. Dr. Feilchenfeld: Meine Damen und Herren! Es iſt ja vichtig, was die verehrte Frau Vorrednerin geſagt hat, daß Herr Stadtrat Dr Gott⸗ ſtein ausdrücklich dieſe Erklärung abgegeben hat. Ich kann aber zur Ehrenrettung des Herrn Stadtrats Dr Gottſtein auch ſagen, daß ich damals, als dieſer Beſchluß gefaßt wurde, ſofort mit ihm darüber ge⸗ ſprochen habe und er ganz meiner Meinung war, daß die Durchführung ſo, wie ſie damals gewünſcht wurde, überhaupt nicht möglich ſein wird. Nach dem, was Herr Dr Sußmann uns eben vorgetragen hat, iſt verſucht worden, im Rahmen dieſes Beſchluſſes möglichſt doch noch den Wünſchen Rechnung zu tragen. Meine Damen und Herren, wenn je irgendwo eine öde Gleichmacherei unberechtigt iſt, dann iſt es Das wäre das Sinn⸗ Das wird Nemitz Volles leiſten können. Die Aerzte ſind von Jugend an gewöhnt, aufopfernd, ſelbſtlos zu wirken, alle per⸗ ſönlichen Intereſſen und körperlichen Rückſichten im Dienſte der Menſchheit, im Dienſte der Kranken zu⸗ rückzuſtellen. Alle Aerzte, draußen ſowohl wie in der Heimat, ſind in den letzten 4 Jahren, wie ich Ihnen ſagen kann, gezwungen geweſen, Tag und Nacht ſchwer zu arbeiten, oft genug unter Verluſt ihrer eigenen Geſundheit. Aber ihren Dienſt haben ſie bisher faſt immer, wenigſtens wohl in der großen Menge, getan, und ſo erwarte ich es auch und weiß es auch von unſeren Aerzten und Schweſtern in den Krankenhäuſern. Stadtv. Skaller: Meine Damen und Herren! Ich hatte gedacht, daß nach den ſachlichen Ausfüh⸗ rungen des Herrn Stadtrats Dr Sußmann die An⸗ frage als erledigt betrachtet werden kann, und ich bin eigentlich verwundert, daß Frau Nemitz noch einmal auf die Sache zurückgekommen iſt. Das, was ſie ſagte, iſt im Grunde genommen nichts weiter als eine Bemängelung rein formeller Art. Sie meinte: hätten wir die Ausführungen des Herrn Stadtrats Dr Sußmann damals ſchon gehört, ſo hätten wir wahrſcheinlich die Bedenken nicht gehabt; aber weil Herr Stadtrat Dr. Gottſtein das und das geſagt hat, müſſen wir uns an das halten, was er geſagt hat. Wenn wir aber überzeugt werden, daß inzwiſchen etwas Beſſeres eingetreten iſt, ſo weiß ich nicht, warum wir uns an die rein formale Aus⸗ führung halten und nicht das Beſſere in dem Augen⸗ blick, wo es uns geboten iſt, gutheißen ſollen. Tat⸗ ſächlich habe ich die Ausführungen des Herrn Stadt⸗ rats Dr Gottſtein ſo verſtanden, daß ſich das auf die rationierten Lebensmittel bezieht, und Herr Stadtrat Dr Sußmann hat uns eben erklärt, daß die rationierten Lebensmittel ſo eingeteilt werden, wie es von der Verſammlung beſchloſſen und uns damals von Herrn Stadtrat Dr Gottſtein zugeſagt worden iſt. Bezüglich der anderen Sachen liegt ein Beſchluß nicht vor. Nun iſt außerdem die Tatſache nicht zu beſtrei⸗ ten, daß im Etatsausſchuß Herr Stadtrat Dr. Gott⸗ ſtein auf die Nachteile eines ſolchen Beſchluſſes, wenn er wörtlich durchgeführt werden ſollte, auf⸗ merkſam gemacht hat, und alle Parteien haben das zugegeben. Er exemplifizierte: wenn beiſpielsweiſe feinere Gemüſe auf der einen Seite und Erbſen und Kartoffeln auf der anderen Seite zu haben ſind und die betreffenden enhewen gefragt würden, die Schwerarbeiter ſich entſcheiden würden, die ſchwerer bekömmliche Koſt zu nehmen, während die feinere Koſt den anderen, die körperlich nicht ſo viel zu ar⸗ beiten brauchen, zugebilligt würde. Man kann ſich auf den Standpunkt der abſolut gleichmäßigen Ver⸗ teilung ſtellen und braucht dabei einen ſo vernünfti⸗ gen Grundſatz nicht zu negieren. Das iſt ohne wei⸗ teres anerkannt worden, und Herr Stadtrat Dr Suß⸗ mann hat mit Recht ausgeführt, daß es nicht nur ein Recht, ſondern eine Pflicht der Verwaltung war, ſich nach dieſen Grundſätzen zu richten. 2 Wir ſollten objektiv in eine Reviſion der ganzen Frage eintreten und prüfen, ob es notwendig iſt, wörtlich den ganzen Beſchluß ſo aufrecht zu erhalten, wie wir ihn damals gefaßt haben. Wenn uns hier 22 Sachverſtändige, zu denen wir abſolutes Zutrauen daß haben können, Gründe vorbringen, die dafür ſprechen, nicht ſo ſtlaviſch den Beſchluß durchzuführen, den