Viehlieferungen, die eingingen, die Leute noch weiter mit Friſchfleiſch beliefert. Die Sache zog ſich aber länger hin, als wir annehmen konnten. Daraufhin haben wir geſagt: das geht ſo nicht weiter, wir werden einen gewiſſen Ausgleich ſchaffen müſſen. Dieſen Ausgleich haben wir in Ueberein⸗ ſtimmung mit allen Groß⸗Berliner Gemeinden da⸗ durch geſchaffen — das hat der Herr Vorredner leider vergeſſen, deutlich hervorzuheben (Hört, hört!) daß wir die Rationen an Friſchfleiſch für die Be⸗ völkerung, die rituell lebt, auf die Hälfte herabgeſetzt haben und die jüdiſchen Schlächter, da das einfacher war, nur alle 14 Tage belieferten. Meine Herren, der Magiſtrat und die Groß⸗Ber⸗ Iiner Gemeinden haben geglaubt, das ruhig tun zu dür⸗ fen, weil ſie der Meinung waren, daß die Benachteili⸗ gung, von der gerade der Herr Vorredner auch ſehr viel geſprochen hat, die für die übrige Bevölkerung daraus entſtehen könnte und daraus entſtanden iſt, ſo unerheblich iſt, daß das nicht ins Gewicht fällt, und das kann man, glaube ich, aus den Zahlen, die der Herr Vorredner hier gegeben hat, auch durchaus herausleſen. Nun hat er allerdings bei dieſen Zahlen zwiſchen Friſchfleiſch und Gefrierfleiſch getrennt. Ich be⸗ ſtreite ihm, daß da ein ſo erheblicher Unterſchied iſt; im Gegenteil, ich will ihm beweiſen, daß der Unter⸗ ſchied zugunſten des Gefrierfleiſches vorhanden iſt. Wenn ich Ihnen die Tafel über die Durchſchnitts⸗ ſchlachtgewichte, die wir in dem letzten halben Jahr erzielt haben, vorlege, ſo werden Sie darüber er⸗ ſchrecken. Wir haben ein Durchſchnittsſchlachtgewicht von 120 1kg beim Stück Vieh gehabt, das ſind alſo noch nicht 2½ Zentner. Meine Herren, in Frie⸗ denszeiten rechnete man mit einem Schlachtgewicht von 4 bis 5 Zentnern. Sie können daraus entneh⸗ men, welcher Art das Vieh geweſen iſt, das wir der jüdiſchen Bevölkerung vorzugsweiſe zugeführt haben. Die Sache wird aber noch zuungunſten der jüdiſchen Bevölkerung dadurch verſchärft, daß ſie nur Vorderviertel abnehmen. — Es handelt ſich um ſtreng rituell lebende Juden. Die Hinterviertel ſind von uns für die Krankenhäuſer uſw. verwendet worden. Das Vorderteil enthält bekanntlich das ſchlechteſte Fleiſch, die meiſten Knochen und Sehnen. Ich möchte Sie fragen, ob man nunmehr noch be⸗ haupten kann, daß man gerade bei der Belieferung mit Friſchfleiſch an die jüdiſche Bevölkerung und mit Gefrierfleiſch an die allgemeine Bevölkerung von einer Bevorzugung der jüdiſchen Bevölkerung ſprechen kann. Denn, meine Damen und Herren, das Gefrierfleiſch iſt von beſten Rindern, wie wir ſie ſeit zwei Jahren hier nicht mehr ſchlachten. (Zuruf: Es laugt aber nichts!) — Gegen dieſen Einwurf muß ich mich durchaus wenden. Es iſt ſelbſwerſtändlich, daß hier und da mal auch unter dem Gefrierfleiſch ein Stück iſt, das nicht f 1 t. hier auch nicht ſo behandelt wird, wie elt werden ſollen. Aber im großen und haben ja dauernd Sachverſtändige Sitzung am 15. Oktober 1919 501 unterwegs bei der Abnahme des Fleiſches — können wir ſagen, daß wir gerade in den allerletzten Wochen mit ganz glänzendem Gefrierfleiſch verſorgt wor⸗ den ſind. Nun hat der Herr Vorredner geſagt, es liege nicht nur eine ſchlechtere Verſorgung der allgemeinen Bevölkerung inſofern vor, als die einen eben Friſchfleiſch bekommen haben, und die anderen ſich mit Konſerven und Gefrierfleiſch haben abfinden laſſen müſſen, ſondern auch eine Bevorzugung inſo⸗ fern, als das Gefrierfleiſch teurer iſt als das Friſch⸗ fleiſch. Das iſt richtig; dieſe materielle Bevorzugung dieſer Teile der Bevölkerung hat allerdings vorge⸗ legen. Aber, meine Herren, irgendeinem muß dieſe materielle Bevorzugung ſchließlich zugute kommen, irgendwo müſſen wir das Fleiſch verkaufen, und dieſe Preisunterſchiede werden immer beſtehen. Im übrigen ſind ſie ja nach den Ziffern, die der Herr Vorredner gegeben hat, keineswegs ſo erheblich, daß man daraus irgendwelche beſonderen Konſequenzen herleiten kann. Die ganze Sache bekommt nun aber ein etwas anderes Geſicht, meine Damen und Herren, und deshalb wird ſich die Deputation für die Lebens⸗ mittelverſorgung in der nächſten Woche erneut mit der ganzen Angelegenheit beſchäftigen müſſen. Wir wollen nämlich die Kundenliſte neu auflegen, und nachdem nun allgemein bekannt geworden iſt, daß Friſchfleiſch bei den jüdiſchen Schlächtern zu haben iſt, daß die in erſter Linie mit Friſchfleiſch, wenn auch nur alle 14 Tage, beliefert worden ſind, ſo wird es in der Tat möglich ſein, daß dieſer oder jener darauf ſpekuliert. Wir werden uns deshalb in der Deputation überlegen müſſen, ob wir bei der Neu⸗ auflegung der Kundenliſte Vorſorge treffen, daß tat⸗ ſächlich an der kleinen Bevorzugung, die wir der jüdiſch⸗rituell lebenden Bevölkerung zukommen laſſen, nur diejenigen Perſonen teilnehmen, die wirklich rituell leben wollen. Wir ſind deshalb mit der jüdi⸗ ſchen Gemeinde in Verhandlungen getreten, um dafür Sicherungen zu ſchaffen. Es wird da wahrſchein⸗ lich eine nicht unerhebliche Einſchränkung der Zahl der rituell ſchlachtenden Fleiſcher vorgenommen werden und wahrſcheinlich auch eine nicht unerhebliche Ein⸗ ſchränkung der Perſonen, die an dem Fleiſchbezug teilnehmen; zurzeit ſind es ja nur 7000 Perſonen. Aber der Herr Vorredner hat darauf hin⸗ gewieſen, daß von dieſen 7000 Perſonen gleichwohl 2660 an dem Bezug des amerikaniſchen Specks teilgenommen haben, den wir ja nicht dieſen, ſondern anderen Schlächtern für die Kundſchaft dieſer Schlächter geliefert haben. Dieſe Teilnehmer an dem amerikaniſchen Speck ſind ja allerdings zum Teil chriſtliche Dienſtboten und dgl., alſo Perſonen, die an ſich nicht zur rituell lebenden Bevölkerung gehören, gleichwohl aber bei dieſen Schlächtern mit eingeſchrieben waren. Man kann ferner wohl annehmen, daß dieſer oder jener ſeine Speckkarte verkauft oder weitergegeben hat; auch das iſt möglich. Jedenfalls werden wir Vorſorge treffen müſſen, daß in Zukunft nur die wirklich rituell lebende jüdiſche Bevölkerung an dieſer Ausnahmeſtellung teil⸗ nimmt. Im übrigen glaube ich aber nicht, daß man ſagen kann, es handele ſich hier um eine unberech⸗ tigte Bevorzugung; denn die Ungerechtigkeit würde doch nur dann vorliegen, wenn die allgemeine Be⸗ völkerung in irgendwie erheblichem Maße benach⸗ teiligt würde. Und das kann ich nicht anerkennen.