512 Von grundſätzlicher Bedeutung iſt der Antrag des Herrn Stadtv. Seidel: die Summe, die hier für den katholiſchen Religionsunterricht gefordert wird, zu ſtreichen. Ich glaube, meine Damen und Herren, es iſt nicht möglich, dieſem Antrag zu ent⸗ ſprechen. Es handelt ſich um den Religionsunter⸗ richt katholiſcher Kinder, die evangeliſche Schulen be⸗ ſuchen. Wir erfüllen nur eine geſetzliche Pflicht, in⸗ dem wir für den katholiſchen Religionsunterricht dieſer Kinder ſorgen. Es iſt der Religionsunterricht ein Pflichtfach unſeres Grundlehrplans; wir ſind da⸗ her verpflichtet, für Lehrkräfte zur Erlepigung des Unterrichts zu ſorgen. Eine Streichung der Beträge kann alſo weder für den evangeliſchen noch für den katholiſchen Religionsunterricht nach Lage der gegen⸗ wärtigen Geſetzgebung in Frage kommen. Es wäre auch eine große Unbilligkeit, wenn wir bloß bei der einen Poſition eine Erhöhung nicht eintreten ließen. Ich habe aber die Worte des Herrn Vorredners nicht ſo aufgefaßt, daß der Religionsunterricht, wenn er erteilt wird, fortan geringer bezahlt werden ſoll; es ſoll vielmehr überhaupt kein Geld aus ſtädtiſchen Kaſſen dafür ausgegeben werden. Nein, meine Herren, das iſt nicht möglich. Wenn wir für die katholiſchen Kinder, die unſere evangeliſchen Schulen beſuchen, nicht durch Nebenbeſchäftigung Religions⸗ unterricht erteilen laſſen, ſo müßten wir feſt ange⸗ ſtellte katholiſche Lehrer damit betrauen. Es würden dadurch nur die Ausgaben für uns erheblich höher werden. Stadtv. Freiherr v. Rechenberg: Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seidel hat die Gelegenheit benutzt, erſtens ſeinen Fanatismus, zweitens ſeine gänzliche Unkenntnis der Verfaſſung darzutun. In der Verfaſſung ſteht, daß bis zum Erlaß der in § 138,2 vorgeſehenen Geſetze die bis⸗ herigen maßgebend bleiben. Das bisherige Geſetz iſt das vom Jahre 1906; das iſt noch maßgebend. In dieſem Geſetz heißt es in § 37 Abſ. 2: Bei den nach Abſ. 1 zu ſtellenden Anfor⸗ derungen darf von den Beſchlußbehörden die Notwendigkeit des beſonderen Religionsunter⸗ richts nicht mit Rückſicht auf die Leiſtungs⸗ fähigkeit der Verpflichteten verneint werden. Die Stadtwerordnetenverſammlung oder der Magiſtrat iſt ſomit gar nicht in der Lage, dieſe Summe zu ſtreichen, ſind. Ich glaube, jeder wird zugeben müſſen, daß mehr als 12 Kinder vorhanden ſind. Was die An⸗ zahl der Schulen anlangt, ſo möchte ich nur ſagen, daß von mittleren Schulen 16 in Betracht kommen, ferner 3 katholiſche und noch zahlreiche andere Ge⸗ meindeſchulen, wöchentlich erteilt werden. Wir ſtehen allerdings auf dem Standpunkt, daß die Religion eine Wiſſenſchaft iſt, und es iſt mir immer unverſtändlich geweſen, wie jemand, der irgend etwas Verſtändnis für die Vergangenheit hat, glauben kann, er würde ſie je verſtehen, wenn er nicht die Religion kennt. Ob er ſie glaubt, iſt ſeine Sache, kennen muß ſie jeder; die ganze Ge⸗ ſchichte hat ſich darauf aufgebaut. VVerpflichtet ſind wir, das zu zahlen; das iſt das Geſetz, das ſchreibt die Verfaſſung vor, und ich glaube, es erübrigt ſich jede weitere Debatte dar⸗ über. Wir ſind einfach verpflichtet, wir ſind gar]ſ nicht in der Lage, über dieſen Betrag zu (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) wenn 12 Kinder vorhanden an welchen 92 bis 96 Stunden bereitſtellen müſſen, die 7 1.4 Sitzung am 29. Oktober 1919 Stadtv. Blum: Meine Freunde ſtehen dem Antrag Seidel ſehr ſympathiſch gegenüber. Auch wir ſtehen auf dem Boden der weltlichen Schule, nicht aus Fanatismus, und ich glaube, daß auch Herr Kollege Seidel dieſen Antrag nicht aus Fana⸗ tismus geſtellt hat. Wenn Fanatismus in der Be⸗ antwortung der Frage, ob Religion in der Schule gelehrt werden darf oder nicht, zu finden war, ſo war er ſtets auf jener Seite zu finden. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wir ſind der Ueberzeugung, daß die ſittliche Erziehung unſerer Kinder nicht leiden wird, wenn wir auf den Religionsunterricht verzichten. Die Kirche mag für den Religionsunterricht allein ſorgen. Die Schule den Pädagogen, die Kirche den Theologen! Leider ſind wir aber durch geſetzliche Beſtimmungen in unſeren Beſchlüſſen betreffs des Religionsunterrichts gebunden; wir dürfen heute den Religionsunterricht leider noch nicht völlig aus der Schule entfernen. Meiner Meinung nach ſteht uns aber ein Mittel zur Verfügung, um die Mehrausgabe, um die es ſich hier handelt, weſentlich zu mildern. Es iſt jetzt ſo, daß in den höheren Schulen nur 2 Religions⸗ ſtunden erteilt werden brauchen, während die Volksſchule 4 Religionsſtunden hat. Da möchte ich bitten, daß der Magiſtrat bei den maßgebenden Inſtanzen dafür eintritt, daß in der Anzahl der Religionsſtunden eine unbedingte Gleichſtellung der Volksſchulen mit den höheren Schulen erfolgt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir können es nicht verſtehen, daß für die Volks⸗ ſchulen 4 Religionsſtunden notwendig ſind, wäh⸗ rend für die höheren Schulen 2 Stunden ge⸗ nügen. Das Wort, daß die Religion „dem Volke“ erhalten bleiben ſoll, erhält durch dieſe Maßnahme eine ganz beſondere Beleuchtung. Der Meinung, daß Religion Wiſſenſchaft ſei, können wir nicht beipflichten. Religion iſt Glaube und ſteht mit der Wiſſenſchaft in großem Kontraſt. Aus dieſer Erkenntnis heraus ſind wir gegen den Religionsunterricht in der Schule. Religion iſt Privatſache; wir fordern die rein weltliche Schule. Trotzdem möchte ich Sie bitten, die Erhöhung nicht zu ſtreichen. Aus Gerechtigkeitsgründen ſoll die Erhöhung auch den Lehrern zukommen, die den Religionsunterricht heute noch erteilen müſſen. (Ein Antrag auf Schluß der Beſprechung findet nicht die genügende Unterſtützung.) Stadtv. Panſchow: Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß hier jadesmal in dieſer Verſamm⸗ lung die Gemüter aus Gründen aufeinanderplatzen, die eigentlich ganz außerhalb dieſes Raumes liegen. Die Frage, ob Religionsunterricht in un⸗ ſeren Schulen zu erteilen iſt, beſchäftigt die Stadt⸗ verordnetenverſammlung gar nicht; ſie hat gar keinen Einfluß darauf, hier Eingriffe vorzunehmen. Das Geſetz und die ganze Debatte darüber, gehört vor die Landesverſammlung. Daß wir 2 4 we: bei der