Sitzung am 29. Ottober 1919 — Ich meine, das iſt keine Phraſe, ſondern das iſt Tatſache. Unten ſtehen ſo und ſo viele, wie mir ge⸗ ſagt wurde, Kriegsbeſchädigte und Hinterbliebene von Männern, die ihr Leben im Kriege für Sie ge⸗ laſſen haben. (Rufe: Zur Geſchäftsordnung!) Sie verlangen, daß ſie jetzt über die außerordent⸗ lichen Notſtände, unter denen ſie leiden, gehört werden. Ich meine, wir können ſie nicht von der Tür weiſen, und wir müſſen einfach anſtands⸗ halber jetzt ſofort wenigſtens darüber beraten, ob wir die Leute hören wollen oder nicht. Stadtv. Horlitz (zur Geſchäftsordnung): Meine Damen und Herren! Ich glaube, es iſt hier keiner im Saal, der nicht ein warmes Herz für die Kriegs⸗ beſchädigten hat, (Allſeitige Zuſtimmuna) und wenn wir irgendeine Verpflichtung haben, ſo müſſen wir alle Mittel und Weae erſchöpfen, die dazu führen können, das traurige Los der Kriegsbeſchä⸗ digten zu erleichtern. — (Sehr richtial) Aber den Weg, der hier voraeſchlagen wird, können wir nicht gutheißen. (Zurufe bei den unabhängigen Sozialdemokraten: Warum nicht?) K Ich möchte dringend darum bitten, (Große Unruhe und lebhafte Zurufe bei den un⸗ abhängigen Sozialdemokraten. — Glocke des Vor⸗ ſtehers.) Vo Dr Borchardt (unterbrechend): Ich muß doch bitten, den Redner nicht zu unterbrechen; ich habe auch dafür geſorgt, daß Sie nicht unter⸗ brochen wurden. Stadtv. Horlitz (fortfahrend): Warum nicht, will ich verſuchen, Ihnen zu erklären, wenn Sie ſich die Mühe geben wollen, mich ein wenig anzuhören. Es iſt äußerſt ſchwer, ſich in dieſem Rahmen rein geſchäftsordnungsmäßig zu bewegen; ich bitte des⸗ halb um Nachſicht. — Ich empfehle den Kriegs⸗ beſchädigten, ihre Forderungen und Wünſche, die ſie haben, uns zu unterbreiten, und ich bin überzeugt, daß die Herren von der unabhängigen Partei ſo⸗ wohl wie wir ihr beſtes tun werden, um die Wünſche der Kriegsbeſchädigten, ſoweit ſie erfüllt werden konnen, zu befriedigen. gurufe bei den bürgerlichen Parteten) eés ſteut mich, auf Grund der Zurufe, die Sie gen ihre Wünſche und Forde⸗ nach beſten 2 , ſu eine ſehr ſchwerwiegende Entſcheidung, aber nicht lum eine letzte Entſcheidung ſachlicher Art, ſondern 515 Vorſteher Dr. Borchardt: Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin meinen Standpunkt da⸗ hin gekennzeichnet, daß ich es für unzuläſſig halte, daß wir hier Deputationen irgendwelcher Art von Leuten, deren Legitimation wir zu prüfen gar nicht in der Lage ſind, empfangen. (Sehr richtig! bei den bürgerlichen Parteien.) Wenn wir hier heute eine Deputation von Leuten empfangen, die ſich Kommiſſion der Kriegsbeſchädig⸗ ten und Hinterbliebenen nennen, ſo ſind wir gar nicht in der Lage, zu prüfen, inwieweit die Auftrag⸗ geber wirklich Kriegsbeſchädigte und Hinterbliebene ſind. (Zuruf von der Tribüne.) — Wenn auf der Trbiüne Zwiſchenrufe oder Zu⸗ rufe erfolgen, ſo werde ich die Tribünen räumen laſſen! (Lebhaftes Bravo. — Stadtv. Dr Hertz: Ich bitte ums Wort zur Geſchäftsordnung!) — Wenn wir heute eine ſolche Deputation hier empfangen, ſo würden wir ganz logiſcher⸗ und konſe⸗ quenterweiſe in der nächſten Sitzung vielleicht eine Deputation empfangen müſſen, die ſich Deputation der Bürohilfskräfte nennt, oder eine Deputation, die ſich Deputation von Arbeitsloſen nennt, ohne daß wir in der Lage wären, irgendwie die Legi⸗ timation zu prüfen. (Stadtv. Dr. Broh: Das iſt echt bürokratiſch!) Deswegen bin ich der Meinung, daß alle Depu⸗ tationen, die ſich an uns wenden, das auf dem ordnungsmäßigen Wege tun müſſen, (Sehr richtig!) daß wir nicht unter dem Eindruck einer überfüllten Tribüne, die ſich zu Kundgebungen irgendwelcher Art hinreißen läßt, unſere Beratungen pflegen, ſondern in vollkommener Ruhe, in vollkommener Ueberlegung ſämtlicher Momente. (Sehr richtig! bei den bürgerlichen Parteien.) Da ich aber, wie ich ſagte, meine Meinung nicht der Verſammlung aufzwingen will und aufzwingen darf, habe ich die Verſammlung fragen wollen, ob ſie dieſe Meinung teilt. Ich kann aber nicht zulaſſen, daß im Wege einer Geſchäftsordnungsdebatte ſachlich . dieſen hier vorliegenden Antrag verhandelt wird, Sehr richtigi — Stadtw. Dr Her E: Das iſt nicht geſchehen und nicht beabſichtigt!) der, wie ich bemerke, auch gar nicht formgerecht als dringlicher Antrag eingebracht iſt, weil die notwen⸗ digen zehn Unterſchriften fehlen. Stadto. Dr Hertz (zur Geſchäftsordnung): Meine Damen und Herren! Es handelt ſich zwar