Sitzung am 12. erlebten, als wir aus den Akten erſahen, daß die Tatſachen im weſentlichen voll und ganz ſtimmten. Doch hören Sie zuvor die Tatſachen. Feldmarſchall v. Bülow hat ſich als kranker Mann — er iſt ſchwer krank, das muß ohne weiteres zugegeben werden; er hat eine Nierenentzündung, er hat eine Lähmungserſcheinung dabei gehabt, er hat eine Arterienverkalkung, alſo er iſt ein ſehr ſchwer erkrankter Mann — mit einem Atteſte ſeines Vertrauensarztes an die Krankenernährungsſtelle mit der Bitte um Zuweiſung von 1 Liter Milch, Pfund Butter, 2 bis 3 Eiern täglich, 200 g Fleiſch, 1 Pfund Weizenmehl, Reis, Haferflocken und Grieß gewandt. Daraufhin iſt von dem Ver⸗ trauensarzt des Magiſtrats genau ſo verfahren worden, wie er nach Recht und Billigkeit gegen jeden verfahren wäre, der ſich in einem ſo ſchwer erkrankten Zuſtande befindet wie der Feldmarſchall von Bülow. Es iſt ihm nämlich zugebilligt wor⸗ den, was in ſolchen Fällen zugebilligt werden konnte: 1 Liter Milch, 3 Butterkarten und 500 2 Mehl. Soweit wäre die Sache vollkommen ihrer Rich⸗ tigkeit nach verlaufen. Doch dann iſt ſeitens des Herrn v. Bülow ein Beſchwerdebrief und ein Bitt⸗ ſchreiben an den Herrn Oberbürgermeiſter gerichtet worden, daß ihm Nahrungsmittel in einem erhöhten Maße gewährt werden müßten, und zwar vom 29. Jamuar 1917. Dieſes Schreiben iſt von dem Herrn Oberbürgermeiſter mit dem Vermerk verſehen worden: „Sehr eilig! Hier muß natürlich gehol⸗ fen werden.“ (Hört! hört! bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) Daraufhin iſt dann am 2. Februar 1917 eine Ver⸗ ordnung] des Herrn Oberbürgermeiſters folgenden Inhalts erlaſſen worden: Nach einer mündlichen Verordnung ſei⸗ tens des Herrn Oberbürgermeiſters, mitgeteilt durch Herrn Stadtrat Gottſtein an Herrn Stadtrat Röthig, aſ der Herr Generalfeld⸗ marſchall v. Bülow in bezug auf ſeine An⸗ ſprüche bezüglich der Gewährung von Lebens⸗ mittelzuſatzkarten ſo zu behandeln wie die Ge⸗ ſandten und Diplomaten. hört! bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) 2. Durch Rohrpoſt ſind ſofort abguſenden: J9 Eierkarten, 3 Butterkarten, 6 Fleiſchkarten, 3 Scheine zur Entnahme von Weizenmehl, 8 1 4 Reiskarten, täglich 1½ Liter 539 November 1919 ein Diplomat und ein Geſandter zu behandeln ſei und bei Diplomaten und Geſandten eine derartige Nachprüfung nicht zu erfolgen hat. Im Juli 1919 iſt dann die Familie wahrſchein⸗ lich verreiſt, ſie hat alle Lebensmittellarten einge⸗ ſchickt, und dann iſt bei der Rückkehr am 26. Sep⸗ tember 1919 wiederum ein Atteſt eingereicht, und ſeitdem iſt ſo verfahren worden, wie bei jedem Kranken zu verfahren iſt, d. 9., Herr v. Bülow be⸗ kommt nur diejenigen Portionen, die ihm als Schwer⸗ krankem zuſtehen. — Das iſt der Tatbeſtand. Dazu haben wir folgendes zu bemerken. Wir unterſtellen ſelbſtverſtändlich, daß Herr v. Bülow ſchwer krank iſt; das geht aus dem Atteſt hervor, und wir haben gar keünen Grund, zu bezweifelm, daß er es iſt. Wir ſagen ferner, daß es ſelbſtverſtänd⸗ lich iſt, daß ein ſchwerkranker Mann hier eine er⸗ höhte Lebensmittelzufuhr nötig hat, und wir wür⸗ den es jedem Kranken gönnen, daß es auch in den Mengen geſchieht, wie es ärztlicherſeits vielleicht er⸗ forderlich iſt und ſo, wie es Herrn v. Bülow zuge⸗ ſtanden worden iſt. Aler wenn wir daran denken, daß Hunderte und aber Hunderte von ebenſo Schwer⸗ erkrankten dieſe Lebensmittelkarten nicht bekommen können, ja niemals bekommen haben, daß ſie auch ein Leben von ſchwerer Arbeit und vielen Entbehrun⸗ gen hinter ſich haben, daß ſie elendiglich haben zu⸗ grunde gehen müſſen, dann, ſage ich mir, iſt ein Mann in der Stellung eines Herrn v. Bülow durch⸗ aus nicht berechtigt, mehr zu verlangen, und der Herr Oberbürgermeiſter hat auch nicht einmal aus einem Gefühl der moraliſchen Verpflichtung heraus ein Recht, hier dem Herrn Feldmarſchall mehr zu bewilligen, als jedem Kranken der Stadt zu bewilli⸗ gen iſt. (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) Wir ſind der Meinung, daß der Herr Ober⸗ bürgermeiſter derjenige zu ſein hat, der gleiches Recht für alle Bürger, aber keine Ausnahmen zu machen hat, (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten) ob es nun ein hoher Militär oder eine ſonſtige Per⸗ ſönlichkeit ſei. Und wenn man auf die Verdienſte des Herrn v. Bülow hinweiſen will, ſo muß ich ſagen, daß von einem Mann, der mit ſolchen hohen Ehren bedacht, mit ſolchen Vertraueneſtellungen innerhalb der Gemeinſchaft betraut worden iſt, ohne weiteres zu erwarten iſt, daß er in ſich das Pflichtgefühl be⸗ ſitzt, daß er nicht mehr beanſpruchen kann, als jeder andere zu beanſpruchen hat. Wenn in der Notlage, in der wir uns ſeit dem Jahre 1917 befinden, eben nicht mehr Lebensmittel gewährt werden können, ſo ſ hat er darauf zu verzichten, und das Oberhaupt unſerer Stadt, das darüber zu wachen hat, daß die Verordnungen innegehalten werden, hat die Pflicht, Anſprüche, wenn ſie an die Stadt heran⸗ cden —. teten. möglichſt abzuweiſen. Wir können den Byzantinismus vor den mili⸗ pru⸗ täriſchen Stellen nicht mitmachen, und nur das allein iſt das Gefühl, das es verſtändlich machen v 5 man 1— in 4 Weiſe einfach über die hinn Welches Gefühl, ja