Sitzung am 12. Nun, meine verehrten Damen und Herren, ich hätte es ja außerordentlich leicht, Ihnen zu ſagen: ich werde ſelbſt das Diſziplinarverfahren gegen mich be⸗ antragen. Das wäre eine ſehr bequeme Geſte, die ich, wenn Sie großen Wert darauf legen, auch aus⸗ üben kann. Aber ich halte es doch wirklich nicht für eines Mannes würdia, daß er, wenn er der abſolute⸗ ſten und felſenfeſten Ueberzeuaung iſt, daß er ſich gegen irgendwelche geſetzliche Vorſchriften — nur darauf könnte das Diſziplinarverfahren aufgebaut werden — nicht vergangen hat, dann eine derartige Farce ſeinerſeits unternimmt. (Sehr richtig! bei der Bürgerlichen Fraktion.) In dieſer Beziehung möchte ich Ihnen folgende Tat⸗ ſachen mitteilen. Der Antrag des Herrn Generalfeldmarſchalls v. Bülow iſt vom 30. Januar 1917 datiert. Zu dieſer Zeit gab es überhaupt iraendwelche Vorſchrif⸗ ten über die Krankenernährung nicht. Die Vor⸗ ſchriften, die die ganzen Grundlagen unſerer augen⸗ blicklichen Krankenernährung bilden, datieren vom 2. März 1917 und ſind Vorſchriften über die Rege⸗ lung der Krankenverſorgung, erlaſſen vom Staats⸗ kommiſſar für Volksernährung. Iraendwelche ae⸗ ſetzlichen Vorſchriften aibt es überhaupt, auch zurzeit, nicht. Alſo, wie geſagt, auch dieſe verord⸗ nungsmäßigen Vorſchriften ſind erſt 4 Wochen nach Vorliegen des Falles erlaſſen, d. h. die Gemeinde war damals in der Zubilligung von Krankenernährunas⸗ mitteſn durch keinerlei geſetzliche oder verordnunas⸗ mäßige Vorſchriften gebunden. Das bedeutet, daß gar keine Rede davon ſein kann, daß ich oder der Herr Dezernent oder der Maaiſtrat mit einer ſolchen Anordnung, auch mit einer noch viel arößeren Be⸗ willigung, in der Lage waren, irgendwelche aeſetz⸗ lichen Vorſchriften zu übertreten, daß infolgedeſſen von einer Verletzung der Amtspflicht aar nicht die Rede ſein kann. Aber, meine verehrten Damen und Herren, ich ſubſumiere ſelbſt nachträglich die da⸗ maligen Vorgänge unter die ſpäter erſchienene Vor⸗ ſchrift, und möchte Ihnen aus dieſer Vorſchrift, die Richtlinien darüber enthält, was im allgemeinen bei beſtimmten Krankheitsbildern aewährt werden kann, nur zwei Sätze, die in der Einleitung ſtehen, vor⸗ leſen. Es heißt da im Anfana: Für die Abaabe von Nahrunasmitteln uſw. ſind Grundſätze und Richtlinien aufge⸗ ſtellt worden. Dazu iſt zu bemerken, daß die hier angegebenen Sätze im allaemeinen Min⸗ deſtſätze bedeuten, durch welche eine etwa örtlich 1 an ſich wünſchenswerte, weiterae⸗ machalten werden ſoll. — m in einem wateren Sabe bent es: 2 — „In n4. ulet⸗ die 14. Berückſichtiaung der Kranken nicht Anmagſteler, en, nicht aut 5 nar⸗ 1 80 e⸗ ſaer in einer ganzen Reihe von Fällen, * 541 November 1919 verfahren beantragen. Aber ich alaube wirklich, Sie werden mit mir darin übereinſtimmen, es würde eine Farce ſein, wenn ich angeſichts dieſer aeſetzlichen Vorſch iften das tun wollte. Es iſt in das volle freie Belieben der Kommune aeſtellt geweſen und noch heute nach dieſen Richtlinien aeſtellt, wie weit ſie gehen will. Dieſe Richtlinien bedeuten allgemeine Anordnungen, eben Richtlinien im techniſchen Sinne des Wortes, über die die Gemeinde hinausgehen kann und in beſtimmten Fällen ſogar hinaus⸗ gehen ſoll. 3 Und nun zur allgemeinen Würdigung des Falles. Ich habe nach eingehender Rückſprache mit dem ärztlichen Dezernenten, der mir nach dem ganzen Krankheitsbild ſeine Auffaſſung dahin kund⸗ gab, daß bei der Art des Falles, bei dem hohen Alter des Patienten es unter Umſtänden von be⸗ denklichen Folgen ſein könnte, wenn man ſeinem Antrage nicht in weiterem Umfange nachkäme, als das von dem Vertrauensarzt beſcheinigt worden war, dahin entſchieden, daß der Herr Generalfeld⸗ marſchall v. Bülow, der jetzt, wenn ich nicht irre, 74 Jahr alt iſt und ſich bekanntlich im Kriege das ſchwere Leiden zugezogen hat, an dem er noch heute krankt, ein Mann, der ſo außerordentliche Ver⸗ dienſte um das Vaterland hat, ebenſo behandelt wird wie die auswärtigen Diplomaten, die in aller⸗ dings reichlicher Weiſe verſorgt werden. Daß da⸗ mit irgendeine Einreihung in dieſe Kaſte be⸗ abſichtigt worden wäre, iſt eine Unterſtellung, die ich durchaus zurückweiſen muß. Es war lediglich ein Anhalt für die Krankenernährungsabteilung, wie in Zukunft zu verfahren war. Meine Damen und Herren! Ich betone noch⸗ mals: in Erwägung aller Bedenken, die auch mir damals kamen, bin ich zu dem Entſchluß gekommen, dieſe Anordnung meines Dezernenten gutzuheißen, und ich vertrete heute wie damals die Auffaſſung, daß das richtig geweſen iſt. (Bravo! bei der Bürgerlichen Fraktion.) Ich möchte aber die Gelegenheit benutzen, den verehrten Herren Antragſtellern noch einige kleine Bekenntniſſe zu machen. Vielleicht benutzen ſie ſie zu einer erneuten Interpellation in der nächſten Stadtverordnetenſitzung. (Heiterkeit bei der Bürgerlichen Fraktion.) Ich möchte jedenfalls heute nicht von Ihnen gchea, ohne meine ſämtlichen Sünden auf dem Gebiet der Lebensmittelverſoraung Ihnen gebeichtet zu haben. Ich habe mir erlaubt — ein kleiner Fall —, als der General v. Lettow⸗Vorbeck aus dem Felde zurück⸗ kam, auf die beſcheidene, mich geradezu rührende Bitte ſeiner hier lebenden Schweſter zuzuſtimmen, daß der Dezernent der Lebensmittelabteilung dieſem alten Fräulein 3 Pfund Mehl zur Verfügung ſtellte, damit ſie einen Kuchen zum Empfang des Herrn v. Lettow⸗Vorbeck backen konnte. 3 (Bravo! bei der Ti Fraktion.) die minderbemittelte und die allermindeſtbe⸗ ſte Bevölkerung betreffen, mir erlaubt, auch beſtehenden Vorſchriften zum 50fährigen 3 4 den Betreffen⸗