5441 Sitzung am 12. Ja, meine Herren, bei Ihnen braucht ja kein Miß⸗ trauen wachgerufen zu werden; denn Sie ſind ja die Nutznießer dieſes Zuſtandes. (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten. — Lachen und Zurufe bei den übrigen Par⸗ teien. — Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Dr Borchardt (unterbrechend: bitte doch, die Zwiſchenrufe zu unterlaſſen! Stadtv. Dr Hertz (fortfahrend): Der Herr Oberbürgermeiſter hat geglaubt, die Verſammlung dadurch gegen uns einnehmen zu können, daß er die Form dieſes Antrags bemängelt hat. Wir haben in dieſem Falle den Weg beſchritten, der nach reif⸗ licher Prüfung ſich als notwendig herausgeſtellt hat. Wir haben das getan, was in parlamenta⸗ riſchen Körperſchaften üblich iſt. Wir haben vorher eingehende Unterſuchungen angeſtellt, ob die Nach⸗ richten, die uns zugegangen ſind, richtig ſind. Der Herr Oberbürgermeiſter hat ja auch ſelber zugeben müſſen, daß der geſchilderte Tatbeſtand im weſent⸗ lichen durchaus richtig war. Beſteht aber für den Tatbeſtand kein Zweifel, ſo hat man nicht nötig, um die Sache herumzugehen, ſondern kann aus⸗ ſprechen, was man denkt. Wir haben gegen die allgemeine Geſchäftsfüh⸗ rung des Herrn Oberbürgermeiſters bisher keine weſentlichen Einwendungen gehabt, und wir tragen auch gar kein Bedenken, das hier auszuſprechen. Aber um ſo arößer iſt das Recht. Verfehlunaen öffentlich zu kritiſteren, wenn ſie feſtgeſtellt ſind. Es iſt eigentlich außerordentlich bedauernswert, daß Sie es ſind, die dieſes Recht der Vertretung hier herabſetzen wollen. Die Rechtslagé iſt von dem Herrn Oberbürger⸗ meiſter nicht ganz zutreffend dargeſtellt worden. Wenn es auch richtig ſein mag, daß die Verord⸗ nung des Staatskommiſſars für Volksernährung erſt einige Wochen nach der erſten Bewilligung er⸗ gangen iſt, ſo bleibt doch beſtehen, daß bis dahin bereits in der Gemeinde Gepflogenheiten beſtanden haben, wie man Kranke behandelt; und es iſt ganz gleichgültig, ob gegen die allgemeinen Anordnungen des Staatskommiſſars verſtoßen iſt oder gegen die bisher allgemein geübten Gepflogenheiten der Stadt. Dann aber ein weiteres. Einen Monat nach der Bewilligung iſt die Verordnung des Staatskommiſſars ergangen, aber noch faſt dre i Jahre nachher iſt noch in vollem oder in weſent⸗ lichem Umfange dieſe Bewilliauna weitergco maen. Das iſt eine Verletzung der beſtehenden Beſtim⸗ mungen, die unſer Mißtrauen und den Antrag rechtfertigen. Das um ſo mehr, als keine Veran⸗ laſſung beſteht. iraendeinen deutſchen Reichsanage⸗ hörigen einem Ausländer gleichzuſtellen. Wir alle wiſſen, daß die Vorzugsbehandlung der Ausländer nicht dem Wunſche der deutſchen Behörden ent⸗ Ich ſpricht, ſondern eine Folge unſerer ausländiſchen Be⸗ ziehungen iſt. Hierbei komme ich gleich zu dem Punkt, der auch mit beſprochen werden muß und der, wie ich zugebe, eine gewiſſe Milderung für den Herrn Ober⸗ bürgermeiſter bedeutet. bürgermeiſter hat eine Handlungsweiſe begangen, Nicht nur der Herr Ober⸗ November 1919 Bülow. Es iſt eine eigenartige Auffaſſung von dem Durchhalten, von den Pflichten, die die Hochſtehen⸗ den während des Krieges hatten, daß ſie der übrigen Bevölkerung mit dem denkbar ſchlechteſten Beiſpiel vorangegangen ſind. (Lebhafte Zuſtimmung bei den unabhängigen So⸗ zialdemokraten.) Während Hunderttauſende nicht gewußt haben, wo⸗ her ſie das Stückchen trocknes Brot nehmen ſollten, Hunderttauſende von Kindern ganz geringe und un⸗ zureichende Mengen von Milch und dergleichen Lebensmitteln bekommen haben, da kommt einer aus der Schicht, die wahrlich imſtande geweſen iſt, ſich auf anderem Wege Nahrungsmittel zu verſchaffen, und nimmt die in erſter Linie für die minderbe⸗ mittelte Bevölkerung beſtimmten Mengen für ſich in Anſpruch. Wenn der Herr Oberbürgermeiſter nur dieſen Geſichtspunkt gegenüber dem Drängen der Familie hervorgehoben hätte, ſo hätte das bereits genügt. Das war das Mindeſte, was er hätte tun müſſen, ein Zurückziehen auf die Pflichten gegenüber der Allgemeinheit, deren Wahrung gerade dem Oberhaupt einer Gemeinde in erſter Linie oblieat. Die Rechtfertigung für die außerordentlich hohe Bewilliguna wird in der Tatſache aeſehen, daß es ſich um einen alten verdienten Krieger handelt, der Leben und Geſundheit für das Vaterland aufs Spiel geſetzt hat. Ich brauche in dieſem Kreiſe nicht zu betonen, daß das kein beſonderes Verdienſt, ſon⸗ dern die Pflicht jedes einzelnen war, der ſich auch die Millionen in Deutſchland unterzogen haben, und daß ich bisher nichts davon gehört, zum min⸗ deſten an den Taten nichts verſpürt habe, daß dieſes allgemeine Erfordernis auch gegenüber der Maſſe der namenloſen Krieger angewendet worden wäre. (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten.) die wir und mit uns, glaube ich, auch viele andere, geſtgeſtellt, da nicht gutheißen können, ſondern ein ſchweres Ver⸗] Angelege ſchulden — das betane ich trotz der gegenteiligen] deren An Aeußerungen des Herrn Dr Luther — liegt bei der Perſon oder der Familie des Feldmarſchalls von Lebenfalls