546 Sitzung am 12. eine klipp und klare Antwort auf die Frage gefun⸗ den, ob er nun meint, daß er geſetzlich gehandelt hat, oder ob er zugeben will, daß er ungeſetzlich ge⸗ handelt hat. Der Antrag fußt auf dem letzteren Stand⸗ punkte, und zwar, weil hier Grundſätze zur Anwen⸗ dung gebracht worden ſind, die ſich auf Diplomaten erſtrecken. Es iſt ſelbſtverſtändlich gar keine Rede davon — und das ſcheint ja auch der Herr Ober⸗ bürgermeiſter zugegeben zu haben —, daß Herr Ge⸗ neralfeldmarſchall v. Bülow unter die Diplomaten eingereiht werden könnte. Was Diplomaten ſind, das iſt im Gerichtsverfaſſunasgeſetz §§ 18 und 19, wie er als Juriſt ja ſehr wohl weiß, ausdrücklich geſagt. Das ſind die Mitalieder der beim Deutſchen Reiche beglaubigten Geſandtſchaften. Dieſe haben ſelbſtverſtändlich weitgehende Rechte, ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ſie überhaupt nicht der Straf⸗ gerichtsbarkeit und gar nicht unſerer Lebensmittel⸗ verſorgung und den betreffenden Verordnungen unterſtehen, weder materiell noch formell. Alſo dieſe Mitalieder der auswärtigen Geſandtſchaften ſtehen außerhalb der deutſchen Geſetze. Ich möchte deshalb die Frage beantwortet wiſſen, wieſo der Herr Oberbürgermeiſter alaubte, daß er einen Mann, der doch zweifellos deutſcher Staatsangehöriger iſt, unter dieſe Eximierten hat rechnen dürfen. Wenn er das nicht wollte, dann verſtehe ich nicht, was über⸗ haupt die Gleichſtellung mit den Diplomaten in den Akten beſagen ſollte. Ich verſtehe dann ferner nicht, welche Beden⸗ ken der Herr Oberbürgermeiſter gehabt hat, wie er uns ſelbſt zugeſtanden hat. Denn, hat er aeſetzlich gehandelt, ſo brauchte er gar keine Bedenken daben zu haben. (Lachen.) Hat er geſetzlich gehandelt, ſo brauchte er auch gar nicht hier an unſer menſchliches Gefühl zu appellie⸗ ren. Entweder ich handle geſetzlich — dann kann mir das alles egal ſein, und ich brauche nicht an ſolche abwegigen Gefühle hier zu appellieren, oder ich handle ungeſetzlich. Dann allerdings iſt es ver⸗ ſtändlich, wenn ich zur Entſchuldiaung dafür mich an das Menſſchlichkeitsgefühl und alles möaliche andere wende. Dieſer Punkt iſt für mich der maßgebende, um zu einer Entſcheidung zu kommen. Aber ein Wort möchte ich doch noch zu dem Appell an die Menſchlichkeit ſagen. Herr Luther hat von ſeinem Standpunkt ganz richtig geſagt: es war ritterlich. Gewiß, wenn man gegenüber einem Ge⸗ neral v. Bülow und einem General v. Lettow ſo handelt, ſo iſt das einem Grafen und Freiherrn ge⸗ genüber gewiß ritterlich. Ich verſtehe, daß man dieſer Klaſſe gegenüber ſich ſo benimmt, wie dieſe Klaſſe auch ihrerſeits von den anderen gewertet wer⸗ den will, nämlich als über dem Volke ſtehend. Die Frage iſt nur, ob der Oberbürgermeiſter einer Stadt gerade hier dieſen ritterlichen Standpunki walten laſſen darf. Vor allen Dingen richte ich an den Herrn Oberbünaermeiſter die Frage, ob er dieſe Menſchlichkeit, von der er hier ein ſo beſonderes Weſen, möchte ich ſagen, macht, auch gegenüber Nicht⸗Rittern beobachtet hat. (Zuruf: Hätten Sie doch zugehört!) 9 umgeht doch die Hauptſache: ſauch über die Jetzlt r. 2 Er hat zwar ausaeführt, er habe in verſchiedenen 5 Fällen auch einmal helfend eingeariffen, aber das] w kann er den D0 Kr November 1919 weis erbringen, oder auch nur, was mir genüaen würde, die Behauptung aufſtellen, daß er auch aanz gewöhnlichen Menſchen, ganz aewöhnlichen Kriegsbe⸗ ſchädigten aegenüber ebenſo viel Karten ausgegeben hat wie für den General v. Bülow? (Andauernde Unruhe. — Rufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Iſt denn kein Vorſteher da?) Vorſteher Dr Borchardt (unterbrechend): Ich muß doch um ein wenig Ruhe bitten! (Der Redner macht eine Pauſe.) Sie ſind jetzt durchaus verſtändlich. Wenn Sie nicht weiterſprechen, muß ich annehmen, 4. Sie zu Ende ſind. Stadtv. Dr Broh: Nein. Bloß da der Stadt⸗ verordnetenvorſteher nicht für Ruhe geſorgt hat — Vorſteher Dr Borchardt (unterbrechend): Ich muß mir dieſen Tadel durchaus verbitten. (Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Ich habe für Ruhe aeſorgt. Sie ſind durchaus ver⸗ ſtändlich, und ich erſuche Sie, fortzufahren. Stadtv. Dr. Broh: Ich will nur feſtſtellen, daß die Stadtverordneten der Leitung nicht gefolat ſind. Vorſteher Dr Borchardt (unterbrechend): Dieſe Feſtſtellung iſt erſtlich irrig und zweitens geht ſie über den Rahmen Ihrer Befugniſſe hinaus. Stadtv. Dr Broh: ich will. Vorſteher Dr Vorchardt (unterbrechend): Sie mögen feſtſtellen, was Sie wollen. Wenn es aber über den Rahmen Ihrer Befugniſſe hinausgeht, Dach ich mir erlauben, Sie e aufmerkſam zu machen. (Stadtv. Dr. Broh: Das iſt ganz unverſtändlich und ungeſetzlich!) Ich erſuche Sie jetzt, zur Sache zu ſprechen! Stadtv. Dr Broh (fortfahrend): Sobald die Ruhe wiederhergeſtellt iſt, will ich gern wieder zur Sache ſprechen. (Sehr richtia! bei den Unabhänaigen Scgial⸗ demokraten.) Ich kann feſtſtellen, was Alſo mich beſteht — das iſt ger ane „eke außer der Frage der Geſetzlichkeit — 22 dringende Verdacht, daß die Grundſätze der Menſch⸗ lichkeit, die der Herr Oberbürgermeiſter ern von ihm in einem ſo ausſchweif wie gegenüber dem General v. Bülow wöhnlichen Sterblichen geger tung gekommen ſind. Das iſt würde über die ganze Sache