Menſchlichkeit hören. Solange dieſe Menſchlichkeit aber nur geübt wird gegenüber jener höchſt ritter⸗ lichen Klaſſe, von der wir wiſſen, wie ſie im Kriege gelebt und gleichzeitig zum Durchhalten der an⸗ deren aufgefordert hat, (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten) ſolange dieſer Verdacht beſteht und von dem Herrn Oberbürgermeiſter nicht beſeitigt wird, ſo lange kann er nicht den Anſpruch erheben, daß wir auf dieſen Milderungsgrund überhaupt eingehen. Vorſteher Dr Borchardt: gender Antrag: Die Stadtverordnetenverſammlung bedauert die Entſcheidung des Oberbürgermeiſters m Falle Bülow, erachtet jedoch die Angelegenheit durch die heute abgegebene Erklärung des Herrn Oberbürgermeiſters für erledigt. Dr. Roſenfeld, Skaller, und eine Reihe anderer Unterſchrifte.. Stadtv. Dr Luther (zur Geſchäftsordnung): Ich ziehe meinen Antrag auf Uebergang zur Tagesord⸗ nung zurück zugunſten des Antrages Otto, den An⸗ trag abzulehnen. Vorſteher Dr Borchardt: Die Rednerliſte iſt erſchöpft. Ich gebe das Schlußwort im Namen der Antragſteller Herrn Kollegen Dr Löwenſtein. Eingegangen iſt fol⸗ Blum Stadtv. Dr. Löwenſtein. Ich muß zunächſt zu⸗ rückweiſen, daß der Herr Oberbürgermeiſter uns unterſchieben will, daß wir unſerem Antrage eine per⸗ ſönliche Zuſpitzung gegen ihn gegeben haben. (Lachen.) Wir richten den Antrag gegen den Oberbürgermeiſter als Oberhaupt der Stadt. Die Perſon des Herrn Oberbürgermeiſters iſt uns in dieſem Falle ſo gleich⸗ gültig, wie überhaupt in ſolchen Fällen uns die Per⸗ ſonen zu ſein pflegen. (Zuruf: Dann hätten Sie ihn anders formulieren ſollen!) Vorſteher Dr. Borchardt (unterbrechend): Ich bitte, keine Zwiſchenrufe! 2 Sitzung am 12. Dann würde ich auch auf die Ausrede bezüglich der November 1919 44 Andererſeits möchte ich auch bedauern, daß der Kollege Horlitz eine Sache benutzt hat, ſie hier in die Debatte hineingeworfen hat, die mit unſerer Sache gar nichts zu tun hat. Aber ich muß zur Richtigſtellung eins ſagen. Es iſt mir wohlbekannt, daß in einem unſerer Parteibureaus Lebensmittel angeſammelt worden ſind. Es ſind zwar keine Schinken geweſen — das iſt eine Lüge —, aber dieſe Lebensmittel ſind für Schutzhäftlinge geweſen, die Ihre mehrheitsſozialiſtiſche Regierung ohne alles Recht dort hineingetan hat (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten) und die dort hungern müſſen. Darum iſt das ge⸗ ſchehen. Wenn Sie darin eine moraliſche Verfeh⸗ lung ſehen wollen, ſo muß ich ſagen, daß in den weiteſten Kreiſen der Bevölkerung nur eine Mei⸗ nung ſein kann, daß, wenn Schutzhäftlinge hungern und ſie ſeit Wochen nicht zu ihrem Recht gekommen ſind, indem ſie nicht vernommen ſind, wir dann Hochachtung vor denen haben müſſen, die ſich von ihren knappen Lebensmitteln noch etwas abknapſen, um dieſen Schutzhäftlingen zu helfen. (Lebhafte Zuſtimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Ich muß es höchlichſt bedauern, daß aus dem Munde eines Vertreters der Sozialdemokratie ein derartiges Wort gefallen iſt. Es hat mir wohlgetan, und ich habe es gar nicht anders von den demokratiſchen Ueberzeugungen, die hier wiederum den Herrn Kollegen Horlitz be⸗ ſchämen können, erwartet, daß man es als berechtigt anerkennt, daß hier nicht ein Verfahren eingeſchlagen worden iſt, das vom allgemeinen Standpunkte aus zu wünſchen wäre. Der Herr Kollege Otto hat als die Grundbedingung ſeines Verhaltens angeſehen, daß nicht in differentieller Weiſe bei dieſer Lebens⸗ mittelüberweiſung gegenüber ſonſtigen Zuweiſungen verfahren worden ſei. (Stadtv. Otto: Formell!) Auch formell iſt ganz anders verfahren worden. Es iſt mir kein Fall bekannt, und ich glaube, es wird auch keiner vorgekommen ſein, daß ein Menſch, der wegen Krankheit um Erhöhung der Lebens⸗ mittelrationen eingekommen iſt, in die Liſte der Diplomaten einrangiert worden iſt. (Stadtw. Otto: Das iſt ja materielll) Dann iſt die Ungerechtiakeit noch weit arößer. Denn die Einreihung in die Liſte der Diplomaten hat noch die weſentliche Folge, daß ohne irgendwelche Nachprüfung fortlaufend 2½ Jahre hindurch — und wer weiß, wenn die Familie nicht verreiſt wäre, viel⸗ leicht noch länger hindurch — dieſe Zuwendungen weiter gemacht worden ſind, auch in einer Zeit, in der es Herrn von Bülow ſicher möalich war, nicht bloß auf dem Wege des Schleichhandels, ſondern auf ganz reellem öffentlichem Wege mit Hilfe ſeines doch immerhin ſehr beträchtlichen Einkommens und ſeines Vermögens ſich Lebensmittel in Hülle und Fülle zu beſchaffen, beſonders Eier. Darum ſcheint e] wir gerade wegen dieſer differentiellen Behandluna ſein Unrecht geſchehen zu ſein, über das alle die vor iehen] gebrachten Geſchichten nicht hinweahelfen; denn es ſilft uns nicht darüber hinwea, daß ein Lettow⸗