590 Alſo mit Rüſicht auf die Tendenz des Antrages, mit Rückſicht auf die Empfindungen der Betroffenen werden meine Freunde ſich wohl dazu entſchließen, auf ihr Bewilligungsrecht zu verzichten. Wohl aber müſſen wir wiſſen, in welcher Weiſe künftig dieſe Anträge erlediat werden ſollen, und da iſt „ wenn der Antrag angenommen würde — ein Vakuum vorhanden. Wir wiſſen ja gar nicht, was nachher werden ſoll! Der Maaiſtratsdirigent hat es even⸗ tuell in der Hand, ſeinerſeits die Unterſtützung zu beſtimmen, oder er hat es in der Hand, einen Ma⸗ giſtratsbeſchluß darüber herbeizuführen. Er könnte auch noch anders verfahren, er könnte die Anae⸗ ſtellte nausſchüſſe, die Beamtenaus⸗ ſchüſſe heranziehen: er brauchte ſie auch nicht her⸗ anzuziehen. Alle dieſe Fragen müſſen noch geklärt werden, ehe wir zu einem Aufaeben unſeres Bewilli⸗ gungsrechtes kommen. Sehr zu bedenken iſt auch folgendes — der Herr Antraaſteller hat das ſelber ſchon erwähnt —, ob man wohl für alle Unterſtützungen auf das Be⸗ williaungsrecht verzichten ſoll oder ob man eine obere Grenze einführen ſoll. Dazu kommt, daß auch nach dem, was wir gehört haben, manche Beamte und Lehrer durchaus nicht ſo ſehr davon begeiſtert ſind, wenn von ihren Kollegen, alſo von den Beamten⸗ ausſchüſſen, die Sache behandelt wird. Verſchiedenen dieſer Beamten und Lehrer iſt es lieber, wenn von ganz Unparteiiſchen, alſo von Stadtverordneten — unter denen ja auch unter Umſtänden ein Lehrer, ein Beamter ſein kann, die aber im allgemeinen doch als Unparteiiſche anzuſprechen ſind — derartige Fälle behandelt werden. Ueber alle dieſe Fragen müſſen wir uns, glaube ich, klar werden, ehe wir endaültig zu dem Antrage Stellung nehmen. Ich beantrage daher im Namen meiner Freunde, den Antrag einem Ausſchuſſe von 15 Mitaliedern zu überweiſen. Stadto. Scharnberg: Meine Herren! Wir empfinden ja auch mit den Beamten das Unange⸗ nehme, was ſie zu dieſem Antrag veranlaßt hat, aber wir können uns ebenfalls nicht ohne weiteres damit einverſtanden erklären. Ich kann Ihnen nur aus meiner Praxis — ich gehöre dem Wahlausſchuß bereits ſeit 1902 an — mitteilen, daß die Annahme des Antrags für die Beamten, die Unterſtützungen nachſuchen, ein Nachteil wäre. Wir haben z. B. ver⸗ ſchiedene Male bei den Unterſtützungsgeſuchen den Wunſch geäußert, daß der Magiſtrat nochmals die Angelegenheit wohlwollend prüfen möchte, um die Unterſtützung höher zu geſtalten, oder den betreffen⸗ den Bittſteller aufgefordert, noch ein zweites Geſuch einzureichen. Auch das Gegenteil iſt für die Stadt⸗ verordneten wichtig; es iſt z. B. vorgekommen, daß der Wahlausſchuß dem Magiſtrat nahegelegt hat, nebſt der Unterſtützung eines Beamten die Pen⸗ ſionierung vorzunehmen. Meine Freunde ſehen abſolut keinen Anlaß dazu, daß die Stadtverord⸗ metenverſammlung auf dieſes Recht verzichten ſoll. Ich möchte der Beamtenſchaft — das gehört eigent⸗ lich nicht zur Sache — empfehlen, daß ſie ſich zu⸗ fammentut, eine Organiſation bildet und in den ällen, wo der eine oder andere in Not gerät, die Tahe ſelbſt in die Hand nimmt. Der Magiſtrat und die Stadtverordneten werden ſicherlich nicht die letzten ſein, einen beſtimmten Betrag in den Etat mithineinzunehmen, und dann hat die Stadtverord⸗ netenverſammlung mit dem Unterſtützungsgeſuche] auf nichts zu tun. Sitzung am 3. Dezember 1910 Wir ſchließen uns im übrigen dem Antrage des Kollegen Stadthagen an, die Sache einem Ausſchuß zur weiteren Beratung zu überweiſen. Stadtv. Hilſe: Meine Damen und Herren! Obwohl wir ſehr ſtarke Bedenken gegen dieſen An⸗ trag haben, haben wir doch nichts dagegen und wer⸗ den dafür ſtimmen, daß die Angelegenheit einem Ausſchuß überwieſen wird. (Die Verſammlung beſchließt die Ueberweiſung des Antrags der Stadtv. Herzog und Gen. an einen Ausſchuß von 15 Mitgliedern.) — Vorſteher Dr Borchardt: Es iſt nunmehr ein weitere Anfrage eingegangen: (Heiterkeit) Was gedenkt der Magiſtrat zu tun, um die zum verfloſſenen 1. Dezember angeordnete Räumung der Reichsgetreideſtellebüros durch⸗ zuführen? Ich frage den Magiſtrat, ob und wann er die Anfrage zu beantworten gedenkt. Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: Ich bin bereit, ſie heute zu beantworten. (Zuruf: Von wem iſt die Anfrage eingebracht?) Vorſteher Dr Borchardt: Die Anfrage iſt ge⸗ ſtellt von den Stadtv. Marcuſe, Dr Luther, Dr Stephan u. a. Wir kommen zu Punkt 12: Anträge der Stadtv. Dr. Roſenfeld und Gen. und Meyer 1 und Gen. betr. Kinobetrieb. Druck⸗ ſache 276. Die Anträge lauten: a) Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat, mit möglichſter Beſchleunigung eine Vorlage zu machen, durch die dem gegen Geſchmack und Sittlichkeit verſtoßenden Kino⸗ ſchund bis zu einer Kommunaliſterung der kinematographiſchen Theater durch poſttive Maßnahmen, insbeſondere durch Veranſtal⸗ tung und Förderung muſtergültiger Darbie⸗ tungen, entgegengewirkt wird. 8 Stadtverordnetenverſammlung möge unter Ablehnung des Antrages der Stadtverord⸗ neten Dr. Roſenfeld und Gen. beſchließen: 2 Die Stadtverordnetenverſammlung er⸗ ſucht den Magiſtrat, mit möglichſter Be⸗ ſchleunigung eine Vorlage zu machen, durch die zur Bekämpfung des Kma⸗ ſchundes ſolchen kinematagraphiſchen The. atern, die unter Ausſchluß ſittlich an⸗ ſtößiger Vorführungen überwiegend künſt⸗ leriſch wertvolle oder bildende Beranſtal⸗ tungen darbieten, ſteuerliche Vergünſti⸗ gungen gewährt werden. b)