592 Saitzung 1919 Im übrigen will ich mich nach dem löblichen Beiſpiele des Herrn Kollegen Blum richten und nicht allzu ausführlich werden, da meine Freunde damit einverſtanden ſind, daß die Anträge einem Ausſchuß überwieſen werden. Wenn der Herr Kollege Blum gemeint hat, wir ſollten gleichzeitig beſchließen, daß der Ausſchuß andere ſachkundige Perſönlichkeiten hinzuziehen ſoll, ſo verſtehe ich das ſo, daß dem Ausſchuſſe die Ermächtigung gegeben werden ſoll, nach ſeinem Bedürfnis ſolche Perſön⸗ lichkeiten hinzuzuziehen. Bei dieſer Auslegung ſtimmen meine Freunde auch dem zu. Ich möchte nur noch bemerken, daß ich zu den ſachkundigen Perſönlichkeiten natürlich auch Vertreter der betei⸗ ligten Induſtrie⸗ und Handelskreiſe rechnen würde. Stadtv. Marcuſe: Meine Damen und Herren! Wir ſind erfreut, daß dieſer Antraa gerade von der linken Seite ausgeht, denn unſere rechtsſtehenden Parteien haben von Anfana an den Kampf gegen die Kinoauswüchſe ſcharf aufgenommen. Ich möchte von vornherein ſagen, daß wir für den Ausſchuß zu haben ſind. Es handelt ſich um eine wichtige er⸗ zieheriſche Frage, und die iſt ſicher eines Ausſchuſſes wert. Wir können uns aber weniaſtens zum Teil nicht den Ausführungen und dem Antrage der De⸗ mokratiſchen Fraktion anſchließen, eine ſteuerliche Vergünſtigung für die Kinodirektoren vorzuſehen. Das ſieht doch mehr wie eine bezahlte Ethik aus. Meine Damen und Herren, verhehlen Sie ſich nicht, daß der Direktor eines Kinos es ſich wohl überlegt und überſchlägt, ob die Summe, die er durch die Aufführung eines Senſationsfilms erreicht, nicht höher iſt als die ſteuerliche Veraünſtigung. Das kann man bei dieſen Herren doch ſicher vorausſetzen. Wir möchten aber auch dem Antrage der Mehr⸗ heitsſozialdemokraten nicht darin entgegenkommen, daß wir unbedingt für die Kommunaliſterung ſind. Wir können ja das im Ausſchuß noch beſprechen, da⸗ für iſt ja der Ausſchuß da. Ich möchte nur folgen⸗ des noch betonen. Nicht nur die Parlamente haben die Aufaabe, gegen die jetzige Kinomoral einzuſchreiten, ſondern auch die Preſſe. Die Preſſe hat das in ihrem re⸗ daktionellen Teil ziemlich umfanareich getan. Ich muß anerkennen, daß gerade der „Vorwärts“ ſich von Schmutzanzeigen freigehalten hat. Dasſelbe kann man leider nicht von einem Charlottenburger Organ ſagen, der „Neuen Zeit“. Sie finden darin ſeitenweiſe Filmanzeigen, die in Senſation ſchwelgen, auch die berüchtigte Anzeige von dem § 175 mit der Anpreiſung: „der Film der Filme“ — „auf viel⸗ ſeitiges Verlangen wiederholt“ — — (Stadtv. Orto: Haben Sie ihn geſehen?) — Nein, ich habe ihn nicht geſehen. Otto: Sehen Sie ſich ihn an und dann revidieren Sie Ihr Urteil!) (Stadtv. — Ich hade von Profeſſor Brunner, der doch in dieſer Beziehung zuverläſſia iſt, ſagen hören, daß dieter Film nur unter der Maske einer Sozialhnaiene arbeitet. (Zuruf: Das iſt ein großer Irrtum!) Die Anzeigen in der „Neuen Zeit“ haben auch 9 Dieſer Film „Anders als die anderen angeſtoßen. anderen“ arbeitet in erhöhtem Naße auf der Grund⸗ lage des Seruellſenſationellen, alſo nicht in der Auf⸗ klärungsabſicht. (Zurufe.) — Der Zenſor Profeſſor Brunner, der jetzt vom Wohlfahrtsminiſterium übernommen iſt, muß doch nicht ſo ungeeignet ſein als Zenſor; er iſt noch literariſcher Sachverſtändiger des Polizeipräſtdiums. Alſo, Herr Kollege Otto, ich kann mich auf deſſen Erfahrungen beſſer ſtützen als vielleicht auf meine eigenen. (Heiterteit. Zurufe bei den Demokraten und links.) — Gewiß, ich würde ihm doch den Vorzug geben, denn er hat mehr Vergleiche zur Hand als ich. Ich will betonen: es iſt doch ſtadtbekannt, daß eine Menge derartiger Dinge im Annoncenteil der Zeitungen erſcheinen, die nicht erſcheinen ſollten. Glauben Sie mir, daß, wenn ſolche Anzeige ſich in unſer Oraan einſchleicht — und das iſt vorüber⸗ gehend möalich —, die Frauen die erſten ſind, die auf den Plan treten, um dagegen Einſpruch zu er⸗ heben, und ich wünſche das bei allen Parteien. Stadtv. Dr Hertz: Meine Damen und Herren! Mit der Ausſchußberatung dieſes Antraas, ſedenfalls des Antrags zu a, ſind wir einverſtanden. Der An⸗ trag b kann unſere Zuſtimmung nicht finden. Er ſchlägt einen Weg ein, der nach unſerer Ueberzeugung völlig in die Irre führt und unganabar iſt. Wenn ich einer Beſtätigung für dieſe Anſchauung bedürfte, ſo glaube ich mich mit Recht auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Mener berufen zu können, der ſie ſelbſt gegeben hat. Er hat zwar die ſteuerliche Begünſtigung befürwortet, aber doch vorher ausae⸗ führt, daß man dem kranken Wirtſchaftskörper keine Belaſtungen auferlegen dürfe und daß man ſich der größten Sparſamkeit zu befleißigen hätte. Will die ſteuerliche Vergünſtiaung aber irgendeinen wirklichen Zweck erreichen, ſo muß ſie ſehr weſentlich ſein und muß die Stadt eines aroßen Teils ihrer Einnnahme aus der Kino⸗, überhaupt der Veranügaunasſteuer berauben. Iſt die Ermäßiaung aber von geringem Umfang, dann wird der Zweck der ſteuerlichen Ver⸗ günſtigung ja in keiner Weiſe erreicht. Das wird um ſo weniger eintreten, als ja doch die Urſachen — und darauf möchte ich beſonderen Nachdruck legen — für die aroßen Mißſtände in den Kinodarbietungen nicht an irgendwelchen Aeußerlich⸗ charakter der Kinos ſelber liegen, in der Tatſache, daß die Kinos kapitaliſtiſche Unternehmungen ſind. nicht gegründet mit der Abſicht, irgendwie, wie die der Kinoinduſtrie und auch der Herſteller von Filmen — heraus. Dieſer Charakter der Kinos kann i keiner Weiſe durch ſteuerliche munger aendwie abaeſchwächt werden. Seine Abſchwächung iſt außerordentlich K und wird mur 1 erreich daß die, Kinos keiten hängen, ſondern hauptſächlich in dem Erwerbs⸗ Theater, künſtleriſche Vorführungen mit bildenden Zwechen zu veranſtalten, ſondern ledialich aus dem Geldbedürfnis der ſie betreibenden Unternehmer