598 Sitzung am 3. Stadtrat Goeritz: Ich alaube, namens des Ma⸗ giſtrats erklären zu können, daß wir gern bereit ſind, in gemiſchter Deputation über dieſe Frage zu ver⸗ handeln. Die Sache berührt ſich mit einem Antraa, den wir ohnehin in der bisher beſtehenden Deputa⸗ rion für die Kriegsbeſchädigtenfürſorge ſtellen woll⸗ ten, dieſe Deputation auch auf die Krieashinterblie⸗ benen zu erſtrecken. Es wird nun, wenn eine ſolche gemiſchte Deputation für die Krieashinterbliebenen und Kriegsbeſchädigten, wie dieſer Antraga ſie wünſcht, beſchloſſen wird, zweckmäßig ſein, die beſtehende De⸗ putarion für die Kriegsbeſchädigtenfürſorge eingehen und an ihre Stelle dieſe erweiterte Deputation treten zu laſſen. Stadtv. Dr. Roſenfeld: Meine Damen und Her⸗ ren! Ich will mich kurz faſſen. Ich alaube, auch Sie werden der Meinuna ſein, daß es nicht unzweck⸗ mäßig ſt, daß wir uns mit dieſer Frage wieder ein⸗ mal beſchäft-gen. Die Sache liegt nun einmal ſo, daß, ſo wenig ſich jeder einzelne der unverſchuldeten Not⸗ luge der Kriegsbeſchädigten und Kriegshinterbliebenen entzieht, es doch in der allgemeinen menſchlichen Natur begründet iſt, daß auf die Dauer die Empfin⸗ dungsfähigkeit etwas abſtumpft, und wenn ich mich auch mit der Form, in der vor wenigen Wochen hier die Kriegsbeſchädigten und hinterbliebenen bei uns demonſtriert haben, nicht einverſtanden erklären konnte, ſo muß ich doch ſagen, daß, wenn man dieſe Perſonen von Anaeſicht zu Angeſicht aeſehen hat, eine tiefe und wahrheitsgemäß empfundene Erbitte⸗ rung in vielen von ihnen ſtecht, die ſte zu dieſen Ausbrüchen veranlaßt hat. Deshalb alaube ich, daß es bei den zahlreichen Möalichkeiten, die eine Stadt⸗ verwaltung wie Charlottenburg bietet, auch immer möalich ſein wird, irgendwelche Mittel und Wege zu finden, um den berechtigten Wünſchen der Kriegs⸗ hinterbliebenen und beſchädiaten noch weiter ent⸗ gegenzukommen, als es bisher geſchehen iſt. Sie werden wohl alle mit mir darüber einig ſein, daß eine Winterbeihilfe, wie ſie jetzt beſchloſſen iſt, die für ½ Jahr 300 ℳ und für ein weiteres Vierteljahr wiederum 300 ℳ bietet, nicht viel mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein iſt. Wenn wir uns vorſtellen, daß eine Mutter, die 3 oder 4 Kinder um ſich ſieht und heute gezwungen iſt. ein Paar Schuhe oder ein Röckchen für ihr Kind zu be⸗ ſchaffen, damit eine Ausaabe von 60, 80 ℳ auf ſich nehmen muß, dann wiſſen wir, wie wenig da mit ein paar hundert Mark geholfen iſt. Es iſt viel wichtiger, daß der Magaiſtrat in noch viel höherem Maße als bisher Arbeitsgelegenheit für die Krieas⸗ hinterbliebenen und beſchädigten ſchafft. Nach einer Aufſtellung, die mir bekanntneworden iſt, iſt die Zahl der Perſonen, die aus dieſen Kategorien beim Maaiſtrat ſelbſt beſchäftiat werden, eine recht geringe, und es würde wohl möalich ſein, bei inten⸗ ſiver Beſchäftiauna mit dieſer Frage für die bedau⸗ ernswerten Opfer des Krieges noch manche Arbeits⸗ gelegenheit mehr im Maaiſtrat ꝛu ſchaffen. Es aibt aewiſſe Wünſche der Kriegsbeſchädigten, die wohl an alle Fraktionen herangetreten ſind, denen wir nicht ohne weiteres durchwer bewilligend aegen⸗ überſtehen. Dorr wird z. B. der Wunſch ausage⸗ ſprochen, daß die Bevorzugung auf dem Gebiete der Kommunalſteuern, die die Kommunalbeamten ae⸗ nießen, auch ihnen allgemein zuteil werden ſoll. Vom Standpunkt meiner Freunde aus iſt das nicht zu be⸗ muß fürworten. Wir treten gegen die Steuerpripileafen Dezember 1919 auch der Kommunalbeamten auf und würden nicht dafür zu haben ſein, dieſes Privileg nun noch zu erweitern. Aber es iſt eine Reihe anderer Wünſche von den Kriegsbeſchädigten laut geworden, die durch⸗ aus beachtenswerter ſind als gerade dieſer; es ſind dieſe Anträge wohl in den Händen der Fraktionen ſelbſt. Sie bieten eine Grundlage, um ſich an der Hand der einzelnen Punkte nun einmal zu fraaen, wie weit hier noch ein Entgegenkommen möalich iſt. Zu dieſem Zweck beantragen meine Freunde, einen Ausſchuß von 15 Perſonen zu wählen, der ſich mit dieſer Frage befaßt. (Zuruf.) — Ich höre eben, daß eine gemiſchte Deputation an⸗ geregt worden iſt. Dann habe ich nichts dagegen und bin auch durchaus dafür zu haben. ( Erneuter Zuruf.) — Nein, ich bin dafür, daß die Sache einer gemiſch⸗ ten Deputation überwieſen und dort zur Beratung geſtellt wird. Es iſt zu erwarten, daß ſich auf geſetz⸗ lichem Wege durch das Mannſchaftsverſorgungsaeſetz, das demnächſt zur Beratung kommt, dauernde Vor⸗ teile auch mit rückwirkender Kraft für die Krieasbe⸗ ſchädigten und hinterbliebenen eraeben. Aber es handelt ſich um Maßnahmen, die im Rahmen der Stadtverwaltung ſehr wohl möalich ſind und die zu unterlaſſen für uns alle eine Sünde wäre. Ich bitte Sie deshalb, unſeren Antrag anzunehmen. Stadtv. Dr. Broh: Ich will meine „wüſte Brandrede“, die ich nach dem Zeugnis der „Neuen Zeit“ neulich gehalten habe, nur in einigen Punkten ergänzen. Nach dem Verſprechen, das hier von allen Seiten, auch von der Rechten, gegeben worden iſt, dürfen wir ja ohne weiteres annehmen, daß Sie dem Ausſchußantrag zuſtimmen, und wir dürfen dann auch weiter annehmen, daß Sie im Ausſchuſſe ſelbſt für die Witwen und die Kriegshinterbliebenen ein⸗ treten. Wir haben inzwiſchem gearbeitet, um das nötige Material in die Hand zu bekommen; die Kriegshinterbliebenen haben ſich an uns gewendet. Wir haben eine Reihe von ganz unglaublichen Fällen feſtſtellen müſſen, bei denen in der Tat ein ſofortiges Einſchreiten auf das dringendſte erforderlich iſt. Ich glaube, wenn wir im Ausſchuß über dieſe Fälle be⸗ raten werden, werden ſämtliche Mitglieder Rer Stadtverordnetenverſammlung, welcher Partei ſte auch angehören, dem zuſtimmen. Ich kann mich hier alſo kurz faſſen und bitte Sie, ſich dieſes Material im Ausſchuß vortragen zu laſſen;, ich bin dann über⸗ zeugt, daß Sie mit uns helfen werden. Stadtv. Otto: Auch meine Freunde ſind gern bereit, dem Antrag zuzuſtimmen. Nach jenen Vo gängen, auf die ich nicht näher zurückkommen wi die Herr Kollege Roſenfeld hier ſchon an hat, iſt uns eine ſehr aus 8 Reichsbundes der Krieg 23 2