605 Sitzung am 3. Dezember 1919 unſerer Beſchlaanahme und entaegen unſerer Er⸗ klärung, daß wir auf Grund des uns vom Wohl⸗ fahrtsminiſter verliehenen Mietvertraggenehmi⸗ gungsrechtes die Unterbrinaung anderer Behörden in dieſen Räumen nicht zulaſſen würden, in das Landwehrkaſino mit der Eiſenbahndirektion Brom⸗ berg hineingeſetzt und damit noch mehrere hundert Beamte nach Charlottenburg und Groß⸗Berlin ae⸗ bracht, die uns weiterhin die Wohnungsnot ſteigern. Und entgegen unſeren klaren Befuaniſſen und An⸗ ordnungen hat ſich neuerdinas das Reichswirtſchafts⸗ miniſterium — eine Behörde, die bisher nicht in Eharlottenburg anſäſſia geweſen iſt — in das Haus Tanneck am Reichskanzlerplatz hineingeſetzt: die von uns vorgeſchlagenen Räume ſind alſo belegt, aber nicht von Behörden, die bisher in Charlottenburger Wohnungen geſeſſen haben, ſondern die von auswärts hierher gekommen ſind. Dadurch iſt natürlich das Gegenteil von dem erreicht, was erreicht werden ſollte. Die Wohnunasnot iſt weiter verſtärkt un⸗ mittelbar und mittelbar dadurch, daß ein Heer von Beamten hierhergekommen iſt. Wir haben darauf Räumungsverfügungen zu⸗ gehen laſſen zunächſt den ſämtlichen Kriegsgeſell⸗ ſchaften, beſonders auch der Reichsaetreideſtelle, mit der Aufforderung, die von ihr beſetzten Wohnräume mit dem 1. Dezember zu räumen — das war am 31. Oktober —, ebenſo den in den Wohnungen ſitzen⸗ den Behörden die Aufforderung, die Wohnungen bis zum 1. Januar zu räumen. Der Erfola dieſer Räumungsanordnuna iſt ein ſehr ageringer geweſen. Die Reichsgetreideſtelle hat eine Wohnung von acht Räumen freigemacht, die anderen Behörden und Kriegsgeſellſchaften zum Teil mehr, zum Teil we⸗ niger. Unſere Aufforderung hat natürlich aroße Aufregung bei den beteiligten Zentralbehörden her⸗ vornerufen, und es war auch klar, daß es, nachdem die von uns zur Verfüauna aeſtellten Erſatzräume anderweitig verwendet worden waren, platterdings unmöglich war, die Kriegsgeſellſchaften aus den Woh⸗ nungen ſofort vollſtändia herauszubringen. In⸗ folgedeſſen iſt zunächſt im Reichskabinett der Ver⸗ ſuch gemacht worden, die Befuaniſſe der Gemeinden, die ihnen auf Grund des § 9 der Wohnungsnotver⸗ ordnung, einer Reichsverordnung, vom vorigen Jahre verliehen worden ſind, beiſeite zu ſchieben, und n dadurch, daß dem Reichsſchatzminiſter durch Be⸗ ſchluß des Reichskabinetts ein Recht zur diktatoriſchen Anordnung in der Unterbringung der Kriegsaeſell⸗ ſchaten und Behörden verliehen worden iſt. Es war unklar, ob das nur ein perſönliches Recht gegenüber Behörden und Krieasgeſellſchaften ſein ſollte oder ein dingliches Recht bezüglich der Räume, das die Be⸗ ſchlagnahmebefuaniſſe der Gemeinden beſeitigen ſollte. Wir haben mit allem Nachdruck den Stand⸗ punkt vertreten, daß unſere Befuaniſſe hiervon nicht rührt werden können, und in einer Konferenz, die wenigen Tagen im Reichswirtſchaftsminiſterium n wir die Genugtuung des Vertreters des unſere Rechtsanſchau⸗ Alſo unſere Befuaniſſe Recht zu ſolchen Anordnungen haben, daß aber die Staats⸗ und Reichsbehörden dieſen Anordnungen nicht ſtattgeben, — alſo ein Zuſtand, der mit der Rechtslage nicht vereinbar iſt. Zum Ausgleich dieſes widerſtreitenden Rechts⸗ zuſtandes und tatſächlichen Zuſtandes und zum Aus⸗ gleich der in der Tat widerſtreitenden Intereſſen ſoll nunmehr ein Schiedsausſchuß, eine Art Schieds⸗ gericht, eingeſetzt werden, das aus einem Vertreter der Reichsregierung, einem Vertreter des Wohnungsver⸗ bandes und einem Vertreter des Wohlfahrtsminiſte⸗ riums beſtehen ſoll. Dieſer Ausſchuß ſoll demnächſt ſeine Tätigkeit aufnehmen und dann beſtimmen, welche Wohnungen die Krieasaeſellſchaften und Be⸗ hörden räumen ſollen oder nicht. Die Sache hat für Charlottenbura eine ganz be⸗ ſonders hohe Bedeutung, wie Sie daraus entnehmen wollen, daß noch heute nicht weniaer als 937 Wohn⸗ räume in unſerer Stadt, alſo annähernd 1000 Wohn⸗ räume, von Behörden oder Kriegsgeſellſchaften be⸗ ſetzt ſind. (Stadtv. Dr Eyck: Ungefähr 3000 ſind aeräumt?) — Die Höchſtzahl betrua etwa 3200 vor Jahresfriſt, die übrigen ſind geräumt. — Wir müſſen das aller⸗ größte Gewicht darauf legen, daß auch dieſe Räume geräumt werden. Denn wir haben von der Reichs⸗ und Staatsregierung die Pflicht auferleat erhalten, für die hierher verſetzten Beamten und ſonſtigen Flüchtlinge Wohnungen zu ſchaffen. In der Be⸗ ziehung darf ich mitteilen, daß in der Zeit ſeit An⸗ fang Oktober d. I. uns nicht weniger als etwa 400 verſetzte Beamte und Flüchtlinge von der dazu ge⸗ ſchaffenen Zentralſtelle für Groß⸗Berlin überwieſen ſind, mit dem Dringlichkeitsſchein ausaeſtattet, mit mit der Auflage, ſie hier ſo ſchnell wie möglich in Woh⸗ nungen in Charlottenburg unterzubringen. Es iſt ganz klar, daß wir dieſer Aufgabe nicht gerecht werden können, wenn wir nicht auf der andern Seite von den Reichs⸗ und Staatsinſtanzen in den Punkten, wo es ihnen möalich iſt, mit allen Kräften unterſtützt werden. Und der Punkt, wo es am erſten möalich iſt, Wohnräume zu ſchaffen, das iſt die Freimachuna der von den Kriegsgeſellſchaften und Behörden be⸗ ſetzten Wohnungen. Ich benutze daher die Gelegen⸗ heit gern, um auch von dieſer Stelle aus einen Appell an die Staats⸗ und Reichsinſtanz zu richten, daß ſie endlich mit allen Kräften dafür ſorgen muß, daß eheſtens ſämtliche Wohnungen in Charlotten⸗ burg von den Behörden und Kriegsgeſellſchaften freigemacht werden. (Bravo!) (Auf Antrag des Stadtv. Marcuſe erfolgt die Beſprechung der Anfrage.) 7 Stadtv. Irhr. v. Rechenberg: Meine Damen und Herren! Sie haben ja eben gehört, mit welchen Schwierigkeiten die Stadtwerwaltung zu kämpfen hat. Wir könnten ihr dankbar ſein für die Mühe, die ſie aufgewandt hat, um etwas zu erreichen, wenn ihr auch Erfolge nicht in dem verdienten Maße be⸗ ſchieden ſind. Eins iſt mir aber doch aufgefallen. s] Der Herr Stadtſyndikus ſowohl wie Herr Kollege it Marcuſe ſprachen von der Eiſenbahndirektion Brom⸗ ſei. berg, die im Landwehrkaſino untergebracht