66 Spülkloſets wollte man alſo zulaſſen, und es wurde beſtimmt, mit Vorbehalt von Aus⸗ nahmen, welche von der Polizei nachgelaſſen werden dürften, daß die Reinigung der Gruben ohne Spülkloſets von 3 zu 3 Monaten, der Gruben mit Spülkloſets allmonatlich, der Tonnen wöchentlich erfolgen ſolle. Die Königliche Polizeidirektion verſagte dieſem Entwurfe zu einem Orteſtatute ihre Zu⸗ ſtimmung, verlangte vielmehr, daß bei Neu⸗ und Umbauten nur noch Tonnenabtritte, alſo keine Gruben, eingerichtet werden dürften. Hiergegen erklärten ſich Magiſtrat und Stadtverordnetenverſammlung, weil ſie fürchteten, beim reinen Tonnenſyſtem auf Spülkloſets ganz verzichten zu müſſen, und ſie reichten deshalb das entworfene Ortsſtatut, in Verbindung mit einem neu bearbeiteten Entwäſſerungsprojekte, an die Negierung in Potsdam mit dem Erſuchen um Genehmigung ein. Um zu zeigen, wie die Auffaſſung über die Aufgaben, welche die Kanaliſation erfüllen ſollte, immer mehr wuchs, ſei erwähnt, daß dieſes Entwäſſerungsprojekt bereits 570 ha umfaßte, ſchon faſt 8,5 deutſche Meilen Leitungen, wenn auch nur von kleiner Dimenſion, aufwies und zu 2 262 000 Mark veranſchlagt war. Die Regierung verwarf gleichfalls das gemiſchte Syſtem, indem ſie hervorhob, das Gruben⸗ ſyſtem mit Beibehaltung der Spülkloſets rücke die Gefahr zu nahe, daß von den Gruben nach den unterirdiſchen Entwäſſerungen Ueberlaufleitungen gemacht würden trotz aller poltzeilichen Kontrole und trotz nach Maßgabe des Statuts geregelter Abfuhr. Bezüglich des Entwäſſerungsprojekts wurde beſtimmt erklärt, daß die Haus⸗ und Wirthſchafts⸗ wäſſer, auch nach erfolgter Organiſation und Einführung der Abfuhr, ungereinigt nicht in den Flußlauf gelaſſen werden dürften, daß man vielmehr, da man ſich auf die Reinigung und Klärung des Hauswaſſers in den Schlammfängen jedes einzelnen Hauſes nicht verlaſſen könne, centrale Klärungsanlagen vor Einmündung der Hauptſammler in die Spree bezw. in den Landwehr⸗Kanal fordern müſſe. Ein dem Beſcheide beigegebenes Gutachten der wiſſenſchaft⸗ lichen Deputation für das Medicinalweſen vom 21. Juni 1882, welches die obigen Forderungen begründet, ſchließt mit dem Satze: „Unter dieſen Umſtänden können wir uns der Ueberzeugung nicht verſchließen, daß die Einrichtung einer Schwemmkanaliſation allein im Stande wäre, die Forderungen zu erfüllen, welche vom ſanitären Standpunkte aus geſtellt werden müſſen.“ Der Magiſtrat wie die Bürgerſchaft waren jedoch noch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß das Schwemmkanaliſationsſyſtem finanziell undurchführbar ſei, und man arbeitete deshalb das Ortsſtatut auf Tonnenzwang um. Die Stadtverordnetenverſammlung nahm die entſprechende Vorlage am 7. Februar 1883 mit der ausdrücklichen Erklärung an: „die Stadt befindet ſich in einer Zwangslage und ſieht aus dieſem Grunde von Ein⸗ wendungen gegen die Vorlage ab“ und beſchloß außerdem: „die Einrichtung des Liernur'ſchen Syſtems finanziell und der Anlage nach zu prüfen, da ſie das Rohrſyſtem, als der Zukunft Charlottenburgs entſprechend, nicht aus den Augen verlieren möchte.“ Dieſer letztere Beſchluß entſtand nur, weil man in der Verſammlung vom Liernur'ſchen Syſtem nicht viel mehr als den Namen kannte. Er hat nie eine praktiſche Bedeutung gewonnen, wurde vielmehr, nachdem im Laufe des folgenden Jahres den Mitgliedern Zeit und Gelegenheit zur Aufklärung geboten war, wieder aufgehoben.