— 12 — Aus der Unfallverſicherung erwächſt der Stadtgemeinde eine von Jahr zu Zahr ſich ſteigernde erhebliche Arbeitslaſt durch die uns laut Geſetz obliegende zwangsweiſe Einziehung der Beiträge und Einforderung der nach dem Bauunfallverficherungsgeſetz von den einzelnen Bauunternehmern aufzuſtellenden monatlichen Regiebau⸗Lohnnachweiſungen. Ganz beſonders umfangreich ſind dieſe Arbeiten für die Nordöſtliche Baugewerks⸗Berufs⸗ genoſſenſchaft. Bedauerlich iſt hervorgetreten, daß die Feſtſetzung der Renten immer noch in vielen Fällen ſich ſehr verzögert, ſo daß von den Verunglückten längere Zeit die Armenpflege in Anſpruch genommen werden muß, oder die Rente iſt ſo niedrig, daß die Armenpflege weiter eintreten muß. Die Stadtgemeinde iſt mit den Arbeitern des Tiefbauamts bei der Tiefbau⸗ Berufsgenoſſenſchaft als Genoſſenſchafts⸗Mitglied, mit den Arbeitern des Hochbauamts und der Straßenreinigungs⸗Deputation bei der Nordöſtlichen Baugewerks⸗Berufsgenoſſenſchaft als Regiebau-Unternehmer betheiligt. Die Invaliditäts⸗ und Altersverſicherung verurſacht der Stadtgemeinde ebenfalls eine erhebliche Arbeitslaſt. Zwar hat die Zahl der wegen unrichtiger Marken von der PNolizei-Direktion angehaltenen und beſtimmungsmäßig uns zur Berichtigung überſandten Quittungskarten im Berichtjahre gegen früher abgenommen, dennoch waren die Fälle der Ver⸗ wendung minderwerthiger oder ſonſt unrichtiger Marken verhälnißmäßig zahlreich. Namentlich häufig werden immer noch für weibliche Dienſt⸗ boten minderwerthige Marken 1. Klaſſe, anſtatt II. Klaſſe, verwendet, ob⸗ gleich wiederholt öffentlich bekannt gemacht iſt, daß ſeit 1. Januar 1893 Marfken der 11. Klaſſe einzukleben ſind. Außer der Kartenberichtigung liegt der Stadtgemeinde geſetzlich die Entſcheidung über die Verſicherungspflicht ein⸗ zelner Perſonen, die Entſcheidung von Streitigkeiten zwiſchen Arbeitern und Arbeitgebern über die Berechnung und Anrechnung der Verſicherungsbei⸗ träge ſowie endlich die Aufnahme der Rentenanträge und die hiermit ver⸗ bundenen Recherchen ob. Die Zahl der Altersrentenanträge iſt im Berichtjahre nur unerheblich geſtiegen, weil noch häufig die dem Lebensalter nach zwar rentenberechtigten Perſonen die für die Bewilligung der Altersrente geſetzlich vorgeſchriebenen Ausweiſe über ihre verſicherungspflichnge Beſchäftigung pp. während der feſtgeſetzten Wartezeit nicht beizubringen vermögen und deshalb von vorn⸗ herein den Rentenantrag unterlaſſen. Die Zahl der Invalidenrentenanträge iſt dagegen auf mehr als das doppelte des Vorjahres geſtiegen. Auch hier hat ſich die endgültige Entſcheidung auf die Anträge zum Theil erheblich verzögert. Im vorigen Jahre blieben 13 Altersrentenanträge unerledigt, hinzu⸗ gekommen ſind 35, mithin waren zu erledigen zuſammen 48 Alters⸗ rentenanträge. Hierauf wurden in 28 Fällen Altersrenten im Jahres⸗ betrage von 106 Mk. 80 Pf. bis höchſtens 191 Mk. 40 Pf. ſeitens der Ver⸗ ſicherungs⸗Anſtalten bewilligt, während 12 Anträge von denſelben abgelehnt wurden bezw. von uns an dieſelben nicht weiter gegeben werden konnten, weil die Antragſteller die geſetzlich vorgeſchriebenen Nachweiſe für die Rentenberechtigung gar nicht oder nur unvollſtändig beizubringen vermochten. Ein Antrag wurde in Folge Verzuges des Antragſtellers nach außerhalb an die zuſtändige Verwaltungs⸗Behörde abgegeben. Die übrigen 7 Anträge blieben unerledigt. Zu den im Vorjahre unerledigt gebliebenen 5 Invalidenrenten⸗ Anträgen ſind 73 hinzugekommen, ſo daß im Ganzen 78 Anträge zu er⸗ ledigen waren. Hierauf wurden in 36 Fällen Invalidenrenten im Jahres⸗ berrage von 113 Mk. 40 Pf. bis 135 Mk. 60 Pf. bewilligt. Vierzehn Anträge wurden von den Verſicherungs⸗Anſtalten abgelehnt bezw. konnten an dieſelben nicht weiter gegeben werden, weil auch hier die Antragſteller die geſetzlich vorgeſchriebenen Rachweiſe für die Rentenberechtigung gar nicht oder nur unzureichend beizubringen vermochten. In 2 Jällen ferner ſind die Antragſteller vor Beendigung des Rentenfeſtſtellungs⸗Verfahrens ver⸗ ſtorben und von etwaigen berechtigten Erben Anſprüche nicht erhoben. In einem Falle befand ſich der Antragſteller bereits im Genuß einer aus be⸗ ſonderen Gründen höheren Altersrente und hat deshalb ſeinen Invaliden⸗ renten⸗Antrag wieder zurückgezogen. Zwei Anmäge wurden in Folge Ver⸗ zuges der Antragſteller nach außerhalb an die zuſtändigen Berwaltungs⸗ Behörden abgegeben. Die übrigen 23 Anträge blieben am Jahresſchluß unerledigt. Die Zahl der Innungen iſt im Berichtjahre unverändert geblieben. Von den vorhandenen 14 Innungen find nach Maßgabe des Geſetzes vom 18. Juli 1881 betr. die Abänderung der Gewerbe⸗Ordnung 5 neu errich⸗ tet und 9 umgeformt. Den Innungen gehörten am 1. Dezember 328 Mitglieder an, von welchen 291 Lehrlinge beſchäftigt wurden. Es wurden 79 Lehrlinge geprüft bezw. ausgeſchrieben und 13 Geſellen legten die Meiſterprüfung ab. Fachſchulen unterhalten nur 3 Innungen, nämlich die Barbier⸗ und Friſeur⸗Innung, die Schmiedemeiſter⸗Innung und die Maler⸗Innung. Das Privilegium aus § 100 e Ziff. 1—3, wonach auch Nichtinnungsmeiſter im Stadtbezirk Charlottenburg dei Streitigkeiten aus den Lehrverhältniſſen dem Schiedsſpruch der Innung (Ziff. 1) bezw. den von der Innung bezüglich des Lehrlingsweſens namentlich betreffs der Prüfungen, erlaſſenen Vorſchriften (Ziff. 2) unterworfen ſind und ihnen das Halten von Lehrlingen verboten iſt (Ziff. 3), haben bisher nur 3 Innungen er⸗ halten und zwar die Maler⸗ und die Schmiedemeiſter⸗Innung in vollem Umfange und die Barbier⸗ und Friſeur⸗Innung nur dasjenige aus Ziffer 3. Eine Krankenunterſtützungskaſſe für Innungsmitglieder iſt nur für die Barbier⸗ und Friſeur⸗Innung errichtet. Eine Innungs⸗Krankenkaſſe für die von Innungsmitgliedern beſchäftigten Perſonen (§ 73 Kr. Verf.⸗Geſ.) hat nur die Bäcker⸗Innung, und zwar mit dem 1 Januar 1895, errichtet. Die von dem hieſigen Innungs⸗Verein (Innungs⸗Ausſchuß) gleichfalls be⸗ antragte Errichtung einer ſolchen Innungs⸗Krankenkaße iſt als geſetzlich unzuläſſig von dem Herrn Regierungs⸗Präfidenten zu Potsdam unterm 3. April 1894 abgelehnt. Geſellenausſchüſſe haben 11 Innungen in ihren Statuten vorgeſehen; 8 gehören weiteren Innungs⸗Verbänden, 6 dem hieſigen Innungs⸗Verein (Ausſchuß) an. Die im Berichtjahre ge⸗ legentlich von uns wieder angeregte, aus naheliegenden Gründen vortheil⸗ hafte Verſchmelzung der beiden hier beſtehenden Schuhmacher⸗Innungen iſt an dem Widerſtreben beider Innungen geſcheitert. Der Stadtausſchu ß hat im Jahre 1894 8 Sitzungen abgehalten. Von den aus dem Vor⸗ jahre als unerledigt übernommenen 9 und den neu eingegangenen 267, zuſammen 276 Streitſachen, ſind 39 durch Endurtheil, 195 ohne münd⸗ liche Verhandlung durch Beſcheid und 37 durch Anerkenntniß oder Ver⸗ gleich oder auf andere Weiſe erledigt, während 5 Sachen als unerledigt in das nächſte Jahr übernommen werden mußten. Es ſind ferner Konzeſſio⸗ nen ertheilt: 10 zur Gaſtwirthſchaft, 296 zur Schankwirthſchaft mit und 144 ohne Branntweinausſchank, 91 zum Kleinhandel mit Branntwein, 6 zum Handel mit Giften, 2 zu Schauſtellungen pp, 7 zur Aufſtellung von Dampfkeſſeln und 7 zu gewerblichen Anlagen. Der Stadtaus ſchuß fungirt außerdem auf Grund des Geſetzes über die landwirthſchaftliche Unfallverficherung als Sektions⸗Vorſtand der den Stadtkreis Charlottenburg umfaſſenden Sektion vI der brandenburgiſchen landwirthſchaftlichen Berufsgenoſſenſchaſt. Als ſolcher liegt ihm neben anderen ſtatutariſchen Verpflichtungen namentlich ob die Wahl der Ver⸗ trauensmänner, die nothwendigen Feſtſtellungen bei Unfällen, die Ver⸗ anlagung der verſicherungspflichtigen Betriebe, die Einziehung der jährlichen Umlagebeträge u. ſ. w. Im Berichtjahre ſind 2 Unfälle zur Anzeige ge⸗ kommen, welche aber nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit von kurzer Dauer für die Verletzten zur Folge hatten. Seitens der hieſigen Königlichen Polizei⸗Direktion wurden im Jahre 1894 982 Bauerlaubnißſcheine, 268 Paßkarten, 357 Reiſepäſſe, 348 Jagdſcheine, 878 Geſindedienſtbücher und zwar: 172 für männliche Perſonen, 706 für weibliche Perſonen, 1013 Arbeitsbücher und zwar 664 für männliche Perſonen, 349 für weibliche Perſonen, 7003 Schiffsausladeſcheine und zwar: 2997 für die Spree und 4006 für den Kanal ausgefertigt. Es wurden ferner an 66 Tagen 2731 Unterſuchungen von Nahrungs⸗ und Genußmitteln ausgeführt und zwar: 78 bei Milchhändlern, wobei 2 Kontraventionen ermittelt ſind, 2653 ber Händlern auf den Märkten, bei welchen 1 Uebertretung ermittelt iſt. Ferner wurden an 24 Tagen 330 Waarenproben zur Unterſuchung durch einen vereideten Chemiker von Ge⸗ werbetreibenden entnommen, wobei 72 Kontraventionen ermittelt ſind. Die Zahl der vorläufigen Straffeſtſetzungen betrug 10464 gegen 11 280 im Vorjahre, iſt demnach bei einem Steigen der Einwohnerzahl von 112343 auf 129494 um 1,96 % gefallen. Insbeſondere ſind Strafmandate wegen groben Unfugs 687, wegen Uebertretung des Straßen⸗Polizei⸗Reglements 4260, wegen Meldekontravention 1005, wegen Maaß⸗ und Gewichts⸗ kontravention 75, wegen Schul⸗ bezw. Impfverſäumniſſe 666 bezw. 1, wegen Landſtreichens und Bettelns 4 und wegen Verletzung der Militär⸗ meldepflicht 82 erlaſſen. Im Jahre 1894 ſind 246 Verhaftungen und 257 Feſtnahmen und zwar: 53 auf Befehl und 204 aus eigener Veranlaſſung ausgeführt. Ver⸗ wahrungen im öffentlichen Intereſſe waren 47 wegen Trunkenheit und 79 wegen Obdachlofigkeit erforderlich. Wegen Bettelns und Vagabondirens ſind 828 Perſonen gegen 531 im Vorjahre eingeliefert und davon keine gegen 19 im Vorjahre einer Korrektionsanſtalt überwieſen. Zur Zwangserziehung ſind 6 Kinder unter⸗ gebracht. Es ſind verfolgt wegen Vergehens gegen §§ 80—109 des Strafgeſetzbuches 2, Widerſtandes gegen die Staatsgewalt 40, Verletzung der öffentlichen Ordnung 30, Meineids 15, falſcher Anſchuldigung 13,