I. Organiſation der Derwaltung. 1. Das Magiſtratskollegium. Das für die Verwaltung der Stadt wichtigſte Er⸗ eigniß im Berichtsjahre war höchſt trauriger Art. Am 16. März 1898 verſchied nach neunwöchentlichem ſchweren Leiden der Oberbürgermeiſter Hans Fritſche. Am 4. September 1832 zu Stendal geboren, beſuchte er in Danzig die Schule, in Berlin 1852 bis 1855 die Univerſität. Sein Dienſtalter als Ge⸗ richtsaſſeſſor datirte vom 2. Oktober 1860. Bis zum Jahre 1870 war er Kreisrichter in Strasburg i. Wpr. und in Graudenz. Dann ging er zur Kommunal⸗ verwaltung über und war angeſtellt als Bürgermeiſter 1870 bis 1872 in Bernburg, 1872 bis 1876 in Guben. Anfang des Jabres 1877 trat er das Amt als Bürgermeiſter von Charlottenburg an. Durch Allerh. Kab.⸗Ordre vom 18. Mai 1887 wurde ihm der Titel Oberbürgermeiſter verliehen; unter dem 6. Juni 1888 wurde er faft einſtimmig auf eine weitere zwölfjährige Amtsperiode vom 1. Jannar 1889 ab wiedergewählt. Sein Ableben wurde der Bürgerſchaft durch die Zeitungen und Säulenanſchlag ſofort wie folgt bekannt gemacht: Mitbürger! Unſer Oberbürgermeiſter Fritſche iſt in der Nacht vom 16. zum 17. d. Mts., 10½% Uhr, von ſeinem ſchweren und ſchmerz⸗ vollen Leiden durch den Tod erlöſt worden. Mit uns trauert die geſammte Bürgerſchaft Charlottenburgs. Ein Mann von hervorragenden Eigenſchaften des Geiſtes, wie des Herzens, von einer un⸗ ermüdlichen, hingebenden Arbeitskraft und Arbeitsluſt, von einer unantaſtbaren Uneigen⸗ nützigkeit und Lauterkeit hat er mehr als 21 Jahre an der Spitze unſeres Gemeinweſens geſtanden; ſein Beſtes hat er zu jeder Stunde in den Dienſt der Stadt geſtellt; ſeine Arbeit war reich geſegnet. Mitten aus dieſem arbeitsreichen Leben hat ihn des Herrn Wille hinweggerufen. In der Geſchichte unſerer Stadt aber iſt ihm für alle Zeit ein Ehrenplatz geſichert und ſtets werden die Einwohner Charlottenburgs ihm ein treues von innigſter Dankbarkeit er⸗ fülltes Andenken bewahren. Charlottenburg, den 17. März 1898. Der Magiſtrat. Matting. Die Stadtverordneten⸗Verſammlung. Dr. Jaffé. Wie ſehr er es verſtanden hatte in den 21 Jahren ſeiner Thätigkeit die allgemeine Anerkennung und Liebe erwerben, dafür legte die tiefe Trauer der Bürger⸗ chaft Zeugniß ab. Und auch über die Gemeindegrenzen hinaus bis zu den Stufen des Thrones erweckte derſchwere 4 7. 4 . 4. feier für die ſtädtiſche Ver m Magiftra und einer Leichenfeier in der Kaiſer⸗ 8 Eanen⸗odach Krce fand die Beerdigung auf dem alten Luiſenkirchhofe ſtatt. Die Kirche und die Trauerſtraße waren in ernſter Weiſe geſchmückt. Aber auch über ſeinen Tod hinaus ſorgte die Bürgerſchaft dafür, daß das Andenken dieſes hervorragenden Mannes künftigen Geſchlechtern bewahrt bleibe. Ein Denkmal ſoll ſeine Grabſtätte, ſein Bildniß die Stätte ſeiner Wirkſamkeit, den Magiſtratsfitzungsſaal zieren. Außerdem iſt mit einem Kapital von 50000 eine „Fritſche⸗Stiftung“ begründet worden zum Beſten der Hinterbliebenen von Gemeindebeamten. „Jede Stunde ſeines Lebens“ — ſo äußerte ſich der Bürgermeiſter Matting bei der Trauerfeier — „geyörte der Stadt Charlottenburg. Als er in die Verwaltung eintrat, war die Stadt ſoeben kreisfähig geworden, jetzt iſt ſie eine anerkannte Großſtadt. Nicht dieſe äußere Ausgeſtaltung iſt ſein Werk, wohl aber hat er ein unvergängliches Verdienſt an der inneren Entwickelung; nicht immer leicht iſt die⸗ ſelbe vor ſich gegangen. Man vergegenwärtige ſich nur die kurze Spanne Zeit und die hemmende Macht der Gewohnheit. Sein Verdienſt iſt es, daß er die richtige Erkenntniß für die kommende Entwickelung gehabt und die jahrelangen Kämpfe der Vorbereitung der⸗ ſelben in der vielfach widerſtrebenden öffentlichen Meinung nicht geſcheut hat, und dies zu einer Zeit, wo die Mittel karge waren, und ſeine Zeit und Kraft mit dem Kleinkram der Geſchäfte nahezu aufgerieben wurde. Wir Jüngeren, die wir reiche Mittel zur Verfügung haben, denen eine aufgeklärte öffentliche Meinung zur Seite ſteht, und denen ein wohlgeſchultes Heer von Beamten die Arbeit erleichtert, wir können uns kaum eine Vorſtellung machen von der Schwierig⸗ keit der Aufgabe jener früheren Zeit. Aber die Akten zeigen es uns, und in der Erinnerung der älteren Geſchlechter lebt das Gedächtniß davon fort. Das aber, was er in jener Zeit gewohnt war, hat er er⸗ halten noch bis in die letzten Tage ſeines Amtes. Selten iſt die nächtliche Lampe an ſeinem Arbeits⸗ tiſch vor Mitternacht erloſchen, und bekannt iſt es, wie ſelbſt in den Ferien die Akten ihn begleiten mußten. Dieſer Energie und Gründlichkeit ſeiner Arbeit entſprach die Stärke ſeiner Initiative und ſeines Wollens. Wohl war er zurückhaltend und vorfichtig gegen neue Erſcheinungen, ſeiner Verantwortung, welche gründliche Prüfung gebot, ſich wohl bewußt, aber das, was er förderſam erkannt hatte, führte er mit zäher Ausdauer und ungeachtet allen Wider⸗ ſtandes zum Ziele. Nicht zum Mindeſten ſeinem hartnäckigen Widerſtand gegen den Gedanken einer theilweiſen Eingemeindung unſerer Stadt iſt es zu verdanken, daß das Projekt der Eingemeindung ge⸗ ſcheitert iſt. SEs iſt ſelbſtwerſtändlich, daß ein Mann von ſeiner Sicherheit des Urtyeils und von der Feſtigkeit ſeiner Thatkraft damit auch das Gefühl der Be⸗ deutung ſeiner Stellung verband. Ein anderes wäre ein Mangel geweſen. Aber er iſt trotzdem nie ein Amtokrat oder Büreaukrat geweſen. Er hatte in ſeiner mehr als 25 jährigen kommunalen Thätigkeit das Weſen der Selbſtverwaltung in der Werthſchätzung 1