— 78 VII. Armenpftegt. 1. Allgemeines. Die am Schluſſe des Vorjahres gebildeten 23 Armenkommiſſionen, deren Zahl eine weitere Ver⸗ mehrung nicht erfahren hat, ſind in der neuen Zu⸗ ſammenſetzung im Auguſt 1897 in Thätigkeit ge⸗ treten. In ihnen ſind außer den Vorſtehern 182 Armenpfleger thätig geweſen, während 7 Pfleger⸗ ſtellen anfangs unbeſetzt waren. Im Laufe des Jahres iſt eine Vermehrung der Zahl der Armen⸗ pfleger in einer Kommiſſion um 3 eingetreten, ſo daß am Jahresſchluſſe 192 Pfleger vorhanden waren. Die Zahl der Empfänger laufender Unterſtützungen, die im Allgemeinen einen Maßſtab für den Umfang der Thätigkeit der Armenpfleger zu geben geeignet iſt, hat am 1. April 1897 1267, am 1. April 1898 1400 betragen. Da am 1. April 1897, wie im letzten Bericht mitgetheilt, 155 Armenpfleger in Thätigkeit waren, entfielen auf den einzelnen damals durchſchnittlich 8,18 Pfleglinge, während ſich als Durchſchnittszahl für das Ende des Jahres 7,29 ergiebt. In der der Armendirektion gleichfalls unterſtellten Waiſenpflege ſind, nachdem ſchon im vorigen Jahre die Zahl der Waiſenrathsbezirke in An⸗ gliederung an die Stadtbezirke auf 31 vermehrt worden war, 31 Waiſenräthe und ihnen zur Seite je eine Waiſenpfleaerin in Thätigkeit geweſen. Das Amt der Waiſenpflegerin iſt in einzelnen Bezirken zeitweiſe unbeſetzt geweſen, weil Vorſchläge geeigneter Damen nicht eingingen. Wenn auch die Geſammtzahl der Unter⸗ ſtützungsfälle hinter der des Vorjahres ſogar noch etwas zurückbleibt, ſo iſt doch die Thätigkeit der Armenverwaltung auch im abgelaufenen Jahre ſehr ſtark in Anſpruch genommen worden. Dies ergiebt ſich nicht nur aus der weſentlichen Erhöhung der Zahl der laufend Unterſtützten, ſondern, ſoweit es ſich um die Thätiakeit der Verwaltung im engeren Sinne handelt, auch aus der Höhe der vereinnahmten Erſtattungen auf Armenpflegekoſten, die ſich auf 69962 ℳ belaufen haben und zum größten Theil in kleinen, oft minimalen Theilbeträgen, einzuziehen geweſen find. Auch die Zahl der Anträge auf Er⸗ theilung von Armenatteſten hat ſich, wie die unten mitgetheilten Zahlen zeigen, um etwa 30 % gegen das Vorjahr vermehrt. Aus der Thätigkeit der Armenverwaltung im Allgemeinen iſt hervorzuheben: a) Seit dem 1. April 1897 erſcheinen im Selbſt⸗ Verlage der Armendirektion, nach dem Vor⸗ gange der Städte Breslau und Hamburg, in regelmäßig monatlichen Zwiſchenräumen als amtliches Organ der Armenverwaltung „Amt⸗ liche Nachrichten der Charlottenburger Armen⸗ verwaltung“. Sie werden allen ehrenamtlich in der Armen⸗ und Waiſenverwaltung thätigen Perſonen, außerdem den Mitgliedern des Magiſtrate und der Armen⸗ Direktion, den hauptſächlichſten Wohlthätigkeitsvereinen, einer Reihe hieſiger und auswärtiger Behörden, ſowie auf Antrag einzelnen anderen Perſonen koſten⸗ 1os zugeſtellt. Sie dienen zur Bekanntmachung aller Perſonalnachrichten und allgemeinen Ver⸗ fügungen und Mittheilungen. v) Die Verbindung mit den hieſigen Kranken⸗ kafſen, über die im vorigen Bericht Näheres ) d) mitgetheilt worden iſt, iſt fortgeſetzt worden. Auf Grund der getroffenen Vereinbarungen ſind den Stadtärzten 110 ausgeſteuerte Kaſſen⸗ mitglieder überwieſen worden, von denen 55 von der ihnen freigeſtellten unentgeltlichen ärztlichen Behandlung Gebrauch gemacht haben. Die ent⸗ ſtandenen Arzneikoſten haben 153,18 ℳ betragen. Aus dem gleichen Geſichtspunkt der vor⸗ beugenden Armenpflege iſt der Fürſorge für Lungenkranke eine erhöhte Aufmerkſamkeit ge⸗ widmet worden. Die Verwaltung iſt mit dem Kuratorium der Berliner Heimſtätten für Ge⸗ neſende, ſowie mit der Volksheilſtätte des Rothen Kreuzes am Grabow⸗See (andere Heil⸗ ſtätten für Lungenkranke beſtehen in der Nähe bis jetzt nicht) wegen Aufnahme hieſiger Kranken in Verbindung getreten. Beide haben ſich zur Aufnahme ihnen überwieſener Kranken gegen Zahlung der tarifmäßigen Sätze, die in den Berliner Anſtalten 2 , in der Anſtalt am Grabow⸗See 3 .ℳ täalich betragen, bereit er⸗ klärt. Leider ſind die Anſtalten, die nur für verhältnißmäßig wenig Kranke Raum bieten (für Frauen kommt z. Zt. überhaupt nur die einzige Anſtalt in Blankenfelde in Frage) ſo ſtark in Anſpruch genommen, daß regelmäßig lange Friſten bis zur Aufnahme vergehen, nicht ſelten auch eine Aufnahme überhaupt für ab⸗ ſehbare Zeit unmöglich iſt. Im abgelaufenen Jahre ſind von uns 7 Auträge auf Aufnahme zeſtellt worden, denen in 4 Fällen (3 Männer, 1 Frau) ſtattgegeben worden iſt. Die ent⸗ ſtandenen Koſten, die im Uebrigen wie die einer Unterbringung in allgemeinen Krankenan⸗ ſtalten behandelt werden, bei der eine Beein⸗ lrächtigung der politiſchen Rechte nach einem Beſchluſſe des Magiſtrats nicht eintritt, haben 670 ℳ. betragen. Von den Aufgenommenen iſt einer verſtorben, einer als nicht beſſerungs⸗ fähig entlaſſen worden, während zwei gebeſſert entlaſſen worden ſind. Der Vorſtand der In⸗ validitäts⸗ und Altersverficherungsanſtalt der Provinz Brandenburg, mit dem wir behufs Uebernahme des Heilverfahrens auf Grund des § 12 des Invaliditäts⸗ und Altersverſicherungs⸗ geſetzes für ſolche Fälle verhandelt haben, hat ſich die Entſchließung für jeden einzelnen Fall vorbehalten, es jedoch dankbar zu begrüßen erklärt, wenn derartige Anträge von uns ihm übermittelt werden würden. In der offenen Armenkrankenpflege hatte ſich disher als weſentlicher Mangel das Fehlen einer den Stadtärzten jederzeit zur Verfügung ſtehenden Hilfe für die Krankenpflege ergeben. Namentlich bei chroniſch Kranken, für die eine Anfnahme in das Krankenhaus nicht erforderlich erſchien, wurde es ärztlicherſeits als dringend wünſchenswerth erachtet, Pflegerinnen zur Hilfe bei Anlegung der Berbände, Lagerung der Kranken u. ſ. w. zur Seite zu haben. Wenn auch die in der kirchlichen Krankenpflege thätigen Schweſtern ſich bereitwilligſt der ihnen von den Stadtärzten angezeigten Kranken annahmen, ſo waren ſie doch durch ihre ſonſtige Thätigkeit ſo ſtark in Anſpruch genommen, daß ſehr oft dem Erſuchen der Stadtärzte nicht en werden konnte.