IX. die Kädtiſche Armenpilegt. A. Allgemeines. Die Thätigkeit der Armenverwaltung iſt auch in dem abgelaufenen Jahre in unver⸗ änderter Weiſe außerordentlich ſtark in Anſpruch genommen worden. Die Urſachen, die zum Eingreifen der Armenpflege Anlaß gegeben haben, ſind, wie die ſtatiſtiſchen Tabellen zeigen, auch in dieſem Jahre überwiegend Krankheit und Altersſchwäche geweſen. Beſtätigt wird dies auch durch die außerordentlich hohe Zunahme der Ausgabe für Arzneien pp., die eine Erhöhung von mehr als 40 pCt. gegen das vorige Jahr aufweiſt; in den hier aufge⸗ wendeten Beträgen ſind allerdings auch die Koſten der auf ärztliche Anordnung als diätetiſches Mittel beſchafften Milch, im Geſammtbetrage von 7261 ℳ enthalten. Auch die Zahl der Stadtärzte hat wegen der geſteigerten Inanſpruchnahme der bisher thätigen 9 Herren ſchon ſeit Beginn des Berichtsjahres auf 12 vermehrt werden müſſen. In verſtärktem Maße hat ſich der Einfluß der Wohnungsfrage bemerkbar gemacht. Schon in den letzten beiden Jahresberichten iſt darauf hingewieſen worden, daß die Zahl der leer ſtehenden kleinen Wohnungen immer mehr zurückgegangen iſt. In dem abgelaufenen Jahre iſt dies in noch höherem Grade der Fall geweſen. Bei der Zählung im Mai 1900 ſtanden nur 8 Wohnungen von einem Zimmer und § von 2 Zimmern und Küche leer; die Aufnahme im Januar 1901 ergab ſogar nur 3 leerſtehende Wohnungen von einem Zimmer, während die Zahl der Wohnungen von 2 Zimmern auf 25 geſtiegen war Hand in Hand mit dieſer Verminderung des Angebots iſt aber eine außerordentlich ſtarke Erhöhung der Miethen gegangen, die in vielen Fällen auch eine Erhöhung der laufenden Unterſtützungen nothwendig gemacht hat. Die Armenverwaltung iſt gezwungen geweſen, mit Hauswirthen fortgeſetzt in Verhandlungen einzutreten, um Zwangs⸗Ausweiſungen zu vermeiden, und in zahlreichen Fällen mit baaren Unterſtützungen ſowohl zur Abwendung der Zwangsausweiſung als auch zur Erlangung eines neuen Unterkommens einzugreifen. Sowehl die vorhandenen Wohnbaracken am Fürſtenbrunner Wege als auch alle übrigen zur Unterbringung von Obdachloſen beſtimmten Räume waren ſchon in dem Sommerhalbjahr ſtändig, nahezu bis zur äußerſten Grenze beſetzt. Im Oktober 1900 wurde es, um die zahlreichen zu dieſem Zeitpunkt obdachlos gewordenen Familien unterbringen zu können, nothwendig, weitere Unterkunftsräume zu ſchaffen. Es geſchah in der Weiſe, daß von dem deutſchen Central⸗Comité vom Rothen Kreuz 5 Döckerſche Baracken leihweiſe erworben und im Garten des Familienhauſes in der Sophie⸗Charlotten⸗Straße aufgeſtellt wurden. Aber auch ſie reichten nicht aus, und es mußte deshalb noch eine feſte Holzbaracke mit 5 Räumen für etwa 40 Perſonen auf dem⸗ ſelben Grundſtück errichtet werden. Inzwiſchen hat nach Abſchluß des Berichtsjahres, wie gleich erwähnt ſei, die Wohnungsnoth einen noch ſchlimmeren Charakter angenommen. Im April 1901 und jetzt im Oktober 1901 erneut haben neue Räume zur Unterbringung verfügbar gemacht werden müſſen. Die Zahl der untergebrachten obdachloſen Familien iſt von 23 mit 113 Köpfen am 1. April 1900 bis auf 66 mit 369 Köpfen am 1. April 1901 angewachſen und jetzt am 3. Oktober 1901 bis auf 101 mit 583 Köpfen geſtiegen. Unter den obdachlos gewordenen Familien haben ſich auch im Berichtsjahre eine große Anzahl ſolcher befunden, deren Haupt ſtändige Beſchäftigung hatte, denen es aber wegen großer Kinderzahl unmöglich war, eine Wohnung zu erhalten. um ein Bild über die Wohnverhältniſſe der armen Bevölkerung zu gewinnen, hat im November 1900 an der Hand einer von der Armenverwaltung gemeinſam mit dem ſtatiſtiſchen Amt entworfenen Zählkarte eine ſtatiſtiſche Aufnahme aller in dieſem Monat laufend unterſtützten Familien ſtattgefunden. Die Ergebniſſe ſind vom ſtatiſtiſchen Amt bearbeitet und auf Seite 322ff. der amtlichen Nachrichten der Armenverwaltung veröffentlicht worden. Die eingetretene Erhöhung der Armen⸗Ausgaben auf den Kopf der Bevölkerung, — die übrigens im Vergleich mit anderen gleichgroßen Städten immer noch keineswegs über⸗ mäßig hoch ſind, — iſt außer auf die vorſtehend charakteriſierten Umſtände zu denen noch die nicht unerheblichen Mehraufwendungen für die Unterbringung Geiſteskranker, ſowie an Erſtattungen an auswärtige Armenverbände hinzutreten, zu einem Theile auch darauf zurück⸗ zuführen, daß die Armenverwaltung mehr und mehr bemüht geweſen iſt, in ihrem eigenen Intereſſe vorbeugende Armenpflege zu üben und geeignetenfalls durch Gewährung ein⸗ maliger größerer Unterſtützungen Familien vor dem möglicher Weiſe ſonſt dauernden Anheim⸗ fallen an die Armenpflege zu ſchützen. Den erhöhten Ausgaben ſtehen übrigens mehr als 107 000 ℳ Wiedererſtattungen, 7000 ℳ mehr als im vorigen Jahre, gegenüber. Auch die Zahl der Pflegekinder hat wiederum nicht unerheblich zugenommen. Auch hier iſt der Wohnungsmangel nicht ſelten von Einfluß geweſen. Eine große Zahl von Kindern hat ſich übrigens auch im abgelaufenen Jahre nur vorübergehend in ſtädtiſcher Pflege befunden. Die Beſchaffung von Pflegeſtellen hat namentlich bei Säuglingen und größeren Knaben dauernd große Schwierigkeiten gehabt. Sie haben, zugleich mit Rückſicht