— 107 — loſigkeit beſtehe, daß dieſelbe aber zur Zeit nicht den Charakter eines drückenden Nothſtandes trage. Dieſe Ueberzeugung erhielt gegen Ende des Berichtsjahres eine gewiſſe Beſtätigung durch die von den vereinigten Gewerkſchaften Berlins und Umgebung veranſtaltete Arbeits⸗ loſenzählung, bei welcher Charlottenburg von allen in Betracht kommenden Ortſchaften ver hältnißmäßig die geringſte Ziffer von Arbeitsloſen aufwies. Der Magiſtrat hat unter dieſen Umſtänden den Standpunkt feſtgehalten, daß bei einer jungen, in ſtarker Entwickelung begriffenen Stadtgemeinde, wie Charlottenburg, ſog. Nothſtandsarbeiten zunächſt entbehrlich ſeien, da an ohnedies erforderlichen Arbeiten genügender Vorrath vorhanden iſt. Von dieſem Standpunkte aus ſind alle bereits bewilligten Arbeiten, ſoweit erforderlich, nach Möglichkeit beſchleunigt worden. So0 konnten bei den Erdarbeiten zum neuen Krankenhauſe, bei der im Bau begriffenen höheren Mädchenſchule in der Nürn⸗ berger Straße, ſowie beim Abbruch des alten Rathhauſes zuſammen 132 ungelernte Arbeiter beſchäftigt werden, die in erſter Linie aus den Charlottenburger Arbeitsloſen genommen wurden. Auf dem Steinſchlageplatz am Nonnendamm wurden täglich etwa 50 Mann mit Steineſchlagen beſchäftigt und zwar nicht beſtändig dieſelben, ſondern abwechſelnd verſchiedene Arbeitsloſe. Die Beſchäftigung von 62 Arbeitern bei der Rohrlegung in der Gauß⸗ und Kepler⸗ Straße ꝛc. iſt nicht vollſtändig hierher zu rechnen, weil die Beſchäftigten zum Theil ſolche Arbeiter waren, deren Beſchäftigung in der ſtädtiſchen Gasanſtalt aufgehört hatte Für die Beſchäftigung von Arbeitsloſen beim Schneeſchippen wurde zwiſchen der Straßen⸗ reinigungs⸗ und Arbeitsnachweis⸗Verwaltung ein Einvernehmen geſchaffen, durch welches wiederholt und zwar namentlich in den Tagen vom 9.—14. Februar 2—300 Mann mit einem Tagelohn von 3 ℳ beſchäftigt und zum weitaus größten Theile aus ſolchen Char⸗ lottenburger Arbeitsloſen entnommen wurden, die auf dem Arbeitsnachweis eingeſchrieben waren. Ein Verzeichniß von Arbeiten, die bei geeigneter Witterung in Angriff zu nehmen ſind, wurde bereits bei Beginn des Winters feſtgeſtellt und durch ein beſtändiges Einver⸗ nehmen der Arbeitsnachweis⸗Verwaltung mit den einzelnen Dezernenten dafür geſorgt, daß vorkommendenfalls durch Berathung darüber, welche Arbeiten in Angriff zu nehmen ſeien, nicht Zeit verloren gehe. Die Ausführung dieſes Planes einer möglichſten Verfrühung der Arbeiten je nach dem vorhandenen Arbeitsbedürfniß wurde durch die ausnahmsweiſe Gunſt der Witterung im Winter 1901/02 in hohem Maße befördert. Gleichzeitig hat auch das Vorgehen des Magiſtrats wie der öffentlichen Behörden überhaupt auf die private Bau⸗ thätigkeit anregend gewirkt, wie ſich denn im Allgemeinen beobachten läßt, daß die kürzere oder längere Ausdehnung der herbſtlichen Bauzeit bis in den Winter hinein nicht bloß von der Witterung, ſondern zum Theil von dem Einfluß abhängt, den das Vorgehen der öffent⸗ lichen Bauthätigkeit auf die private ausübt. Infolge einer regierungsſeitigen Anregung hat der Magiſtrat durch Rundſchreiben an Charlottenburger Gewerbetreibende darauf hinzu⸗ wirken geſucht, daß ſie Arbeiterentlaſſungen nach Möglichkeit durch geeignete Herabſetzung der Arbeitszeit vermeiden. Endlich iſt der Magiſtrat beſtrebt geweſen, nach Möglichkeit darüber zu wachen, daß bei den von der Stadt vergebenen Arbeiten in erſter Linie anſäſſige Charlottenburger Arbeiter zur Beſchäftigung gelangen. In der Stadtverordneten⸗Verſammlung wurde in den Sitzungen vom 19. Februar und 5. März eine Anfrage betreffend die Arbeitsloſigkeit und die dagegen unternommenen Schritte verhandelt und vom Magiſtrat im vorſtehenden Sinne beantwortet. Die Mitglieder der Verſammlung, die ſich an der Beſprechung betheiligten, ſprachen ſich im All gemeinen zu ſtimmend aus; von einer Seite wurden weitergehende Maßregeln verlangt. Die verminderte Arbeitsgelegenheit hatte in dieſem Jahre noch mehr als in den Vorjahren zur Folge, daß im Arbeitsnachweis trotz der Beſchränkung auf ungelernte Arbeiter⸗ ſich eine große Anzahl gelernter Arbeiter meldeten, die jede ſich bietende Beſchäftigung an⸗ nehmen wollten, und denen daher das Recht, ſich zu melden, nicht abgeſprochen werden konnte. In der Deputationsſitzung vom 24. Juli 1901, in welcher der Beſchluß des Magiſtrats über die Ablehnung der Ausdehnung des Arbeitsnachweiſes auf gelernte Arbeiter und Dienſtboten zur Mittheilung gelangte, wurde der Beſchluß der Deputation vom 19. März 1901 wiederholt mit der Begründung, daß jede Beſchränkung des Arbeitsnachweiſes in der Vermittelungsthätigkeit ſich als hinderlich erweiſt. Dieſer Antrag iſt nunmehr von den ſtädtiſchen Behörden genehmigt worden und vom 1. April in Kraft getreten. Mit der Aus⸗ dehnung der Geſchäftsthätigkeit wurde auch zugleich eine Verſtärkung der Deputation für nothwendig erachtet. Die Berathungen hierüber haben erſt nach Abſchluß des Berichtsjahres ein endgültiges Ergebniß gezeitigt. 2 2 Mit der Ausdehnung des Arbeitsnachweiſes auf gelernte Arbeiter wird im Laufe der Zeit vorausſichtlich auch die Lehrlingsvermittelung größere Erfolge gewinnen können. In dem Berichtsjahre ſuchten auch bei uns die meiſten Lehrlinge Lehrſtellen als Mechaniker, Schloſſer und Maſchinenbauer, während gerade für dieſe nur wenige offene Lehrſtellen vorhanden waren. Ebenſo dürfte die beſchloſſene Ausdehnung auf Dienſtboten das Mißverhältniß zwiſchen Angebot⸗und Nachfrage, wie es in dieſem Jahre in der weiblichen Abtheilung her⸗ vortrat (ſ. o.), in Zukunft erheblich verringern.