— 112 — Mietherhöhung die bisher ernährten Schwiegereltern weiter koſtenlos bei ſich zu behalten, ſo daß dieſen eine laufende Unterſtützung bewilligt werden mußte. Auch die erhöhte In⸗ anſpruchnahme ärztlicher Hilſe iſt zum Theil, wie die Berichte der Stadtärzte erkennen laſſen, auf die Wohnungsnoth und das dadurch bedingte Zuſammendrängen zahlreicher Per⸗ ſonen in unzulänglichen Räumen zurückzuführen. Die in erhöhtem Maße eingetretene Obdachloſigkeit hat dahin geführt, daß neben den bisherigen Obdachräumen, dem Familien⸗ hausgrundſtücke Sophie⸗Charlotten⸗Straße 113, auf dem zur weiteren Unterbringung Obdach⸗ loſer noch 5 Döcker ſche Baracken und eine feſte Holzbaracke aufgeſtellt worden waren (von denen 4 Döcker'ſche Baracken im Sommer 1902 wieder entfernt worden ſind) ſowie den Wohnbaracken am Neuen Fürſtenbrunner Wege, im Laufe des Jahres noch die Räume der ſtädtiſchen Grundſtücke Kirch⸗Straße 4/5 zur Unterbringung obdachloſer Familien einge ichtet werden mußten. Infolge etwas vermehrten Bauens kleiner Wohnungen und des Aufhörens des weiteren Zuſtrömens der Arbeiterbevölkerung nach Charlottenburg hat ſich die Zahl der obdachlos Gebliebenen jetzt nicht unerheblich vermindert. Der Höhepunkt iſt jedenfalls über⸗ ſchritten. Trotzdem befinden ſich in unſeren Unterkunftsräumen noch jetzt eine große Zahl Familien und kaum weniger als in dem zehn Mal größeren Berlin. Die Stärke der Belegung der Räume zeigt folgende Ueberſicht: Männer Frauen Kinder zuſ. Köpfe I Tutrit 120“.. 25 49 203 277 1. Iut 120. 27 51 220 298 1. Ottuber 1390... 63 103 407 573 1. Jannar 1902 57 97 395 5419 4. AIrit 1902:. 52 93 357 504 44 Iult 198s2: 40 65 244 349 1. Itober 1992: 39 73 265 377 1. Movember 1992: 28 56 202 286 Zur Beſchaffung eines neuen Unterkommens ſind in dem Berichtjahre von den Armenkommiſſionen in 64 Fällen zuſammen 1103,75 ℳs zur Abwendung der Ermiſſion in 320 Fällen zuſammen 9346,33 ℳ bewilligt worden. In wie weit daneben durch die Ver⸗ mittelung der Organe der Armenpflege, denen wir für ihre nicht leichte Thätigkeit hierbei beſonderen Dank ſchulden, ohne ausdrückliche Bewilligungen Ermiſſionen verhindert worden ſind, entzieht ſich der Schätzung; daß es geſchehen iſt, ſteht außer Zweifel. In dem laufen⸗ den Rechnungsjahre haben in der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober bereits in 64 Fällen 1495,25 ℳ zur Beſchaffung eines neuen Unterkommens und in 169 Fällen 5063,72 ℳ zur Vermeidung der Ermiſſion bewilligt werden müſſen. Der bisherige Zuſtand dauert nach dieſer Richtung alſo unverändert fort, wie auch die Miethpreiſe bisher ein Sinken nicht erkennen laſſen. Daß für die Armenverwaltung außerordentliche Aufwendungen nothwendig werden mußten, zeigen die von uns auf Seite 610 ff. der Amtlichen Nachrichten veröffentlichten Zahlen über die Durchſchnittspreiſe der Wohnungen in Charlottenburg und anderwärts, über die leerſtehenden und die neu entſtandenen kleinen Wohnungen (neu entſtanden ſind 1901 nur 0,82 %, leerſtehend waren im Mai 1901 ſogar nur 0,109% der Wohnungen von Stube und Küche) und über die thatſächlich von einzelnen unterſtützten Familien gezahlten Miethspreiſe. Auf wie hoch ſich die Geſammtbelaſtung des Armenetats durch die aus An⸗ laß der Zuſtände auf dem Wohnungsmarkte nothwendig gewordenen Maßnahmen von dem Anwachſen der Arbeitslaſt ſowohl in den Armenkommiſſionen als in der Centralſtelle ganz abgeſehen — ſtellt, läßt ſich nur ſchätzen. Die Annahme einer dadurch herbeigeführten Steigerung der Ausgaben um etwa 100000 ℳ jährlich dürfte hinter der Wirklichkeit noch zurückbleiben. Auch die Arbeitsloſigkeit hat ſich mehr als bisher bemerkbar gemacht, wenngleich ein eigentlicher Nothſtand in größerem Umfange nach dieſer Richtung bei uns kaum zu Tage getreten iſt. Allerdings dürfte ein nicht unerheblicher Theil der wegen zu geringen Verdienſtes gewährten Unterſtützungen gleichfalls auf die durch die Zuſtände auf dem Arbeits⸗ markte bedingte allgemeine Arbeitsnoth zurückzuführen ſein. Auf dem Gebiet der Waiſenpflege iſt außer durch die ſchon im letzten Bericht erwähnte, am 1. Januar 1901 in Kraft getretene Erhöhung der Pflegeſätze, die ſich nach der finanziellen Seite erſt in dem abgelaufenen Jahre voll bemerkbar gemacht hat, eine nicht unerhebliche Neubelaſtung durch das neue Geſetz ülen die Fürſorgeerziehung Minder⸗ jähriger eingetreten, bezüglich der Ausgaben inſoferr, als die Koſten der Ueberführung und der erſten Ausſtattung der Fürſorge⸗Zöglinge von dem Armen⸗Verbande des Unterſtützungs⸗ wohnſitzes zu tragen ſind. Auch die Zahl der Pflegekinder hat, zum Theil gleichfalls unter dem Einfluß der Wohnungsfrage zugenommen. Die Schwierigkeit, insbeſondere für Säug⸗ linge geeignete Pflegeſtellen zu finden, hat übrigens nach Schluß des Berichtsjahres dazu geführt, den Pflegegeldſatz für ſie, der bei der letzten Erhöhung unverändert gelaſſen war, auf 21 ℳ. monatlich zu erhöhen. Die durch das Anwachſen der Geſchäfte in allen Zweigen der Armen und Waiſen⸗ pflege bedingte ſehr erheblich ſtärkere Inanſpruchnahme nicht nur der Beamten der Ge⸗