XI. Bechtayfiege, polizei, Militürangelegenheiten. 1. Das Gewerbegericht. Das Gewerbegericht für den Stadtkreis Charlottenburg wurde auf Grund des Reichsgeſetzes vom 29. Juli 1890 am 1. April 1892 errichtet und kann ſomit auf eine zehnjährige Thätigteit zurückblicken. Seit dem Beſtehen deſſelben ſind in der örtlichen Zu⸗ ſtändigkeit Veränderungen nicht eingetreten. Die ſachliche Zuſtändigkeit dagegen iſt durch Geſetz vom 30. Juni 1901 zur Abänderung des Geſetzes, betreffend die Gewerbegerichte, vom 29. Juli 1890 nicht unerheblich erweitert. Dieſe Erweiterung kann aber im vor⸗ liegenden Bericht wenig zum Ausdruck gelangen, da das neue Geſetz erſt mit dem 1. Januar 1902 in Kraft getreten iſt. Dagegen machte ſich in ſehr erfreulicher Weiſe bemerklich, daß die Beſtimmungen des Bürgerlichen Geſetzbuches in den betheiligten Kreiſen völlig Ein⸗ gang gefunden haben. Durch das neue Geſetz wurde auch eine Aenderung des Ortsſtatuts für das Ge⸗ werbegericht nothwendig. Bei Abfaſſung deſſelben haben wir uns die Vorſchläge des Herrn Miniſters für Handel und Gewerbe nicht zu eigen gemacht, vielmehr danach geſtrebt, durch möglichſte Kürze und Vermeidung jeder Wiederholung des bereits im Geſetz Geſagten das Statut recht überſichtlich und verſtändlich zu geſtalten. Ebenſo haben wir von der Ein⸗ führung der Verhältnißwahlen in Uebereinſtimmung mit den betheiligten Gewerbetreibenden und Arbeitern abgeſehen. Es iſt jedoch die Genehmigung des Statuts ſeitens der Königl. Regierung noch nicht erfolgt. Die auch jetzt noch nicht überwundene ſchlechte Geſchäftslage in Induſtrie und Handwerk machte ſich dadurch geltend, daß in einer Reihe von Fällen Arbeitnehmer infolge von Arbeitsloſigkeit ſchon vor langer Zeit entſtandene Forderungen zur gerichtlichen Ent⸗ ſcheidung ſtellten, auf die ſie bei ausreichender Beſchäftigung wohl nicht zurückgegriffen hätten, und daß die (Geneigtheit zur gütlichen Erledigung der Rechtsſtreitigkeiten bei beiden Theilen erheblich abgenommen hatte. Hiernach erſcheint der Schluß zuläſſig, daß die Parteien der Rechtſprechung des (Gewerbegerichts großes Vertrauen entgegenbringen und durch eine Ent⸗ ſcheidung oft in höherem Maße befriedigt werden, als dies bei Herbeiführung eines Vergleichs der Fall ſein würde. Vorſitzender des Gewerbegerichts iſt Stadtrath Boll. An Stelle des nach Ablauf ſeiner Wahlzeit ausgeſchiedenen erſten Stellvertreters des Vorſitzenden — Kaufmann Wöllmer — iſt der Stadtverordnete und Handelsrichter Guſtav Boerner gewählt und beſtätigt, zweiter Stellvertreter iſt Stadtrath Horn, dritter Magiſtratsaſſeſſor Walger. Die ſtatutenmäßige Neuwahl der Beiſitzer für die am 1. April beginnende zwei⸗ jährige Amtsperiode hat am 20. Jannar d. Is. ſtattgefunden. Die Stadt iſt für dieſen Zweck in 8 Wahlbezirke eingetheilt, welche mit den Stadtverordneten⸗ Wahlbezirken der III. Wäghler⸗Abtheilung zuſammenfallen. Im 1. bis 4. Wahlbezirk wurden je 2 Arbeitgeber und 2 Arbeitnehmer, im 5. bis 8. Wahlbezirk je 1 Arbeitgeber und 1 Arbeitnehmer gewählt. Die Wahlen wurden noch nach den Beſtimmungen des bisherigen Statuts vor⸗ genommen, weil — wie bereits erwähnt — für das neue Ortsſtatut die Genehmigung noch ausſteht. Die Betheiligung an der Wahl war mäßig und iſt nur bei den Arbeitnehmern um 19 % geſtiegen, während bei den Arbeigebern eine geringe Abnahme, von 9 %, zu ver⸗ zeichnen iſt. Die nachſtehende Tabelle veranſchaulicht einen Geſammtüberblick über die ſeit Errichtung des Gewerbegerichts abgegebenen Stimmen. Es haben gewählt: Im Jahre 1892 1894 1894 1898 1900 1902 Arbeugeber ⸗ „4 8 76] 298 280] 412 378 Arbeimhmer 110 1s41] 1420 180 188 2247 Urſprünglich betrug die Zahl der Beiſitzer 18, am 1. April 1898 wurde ſie auf 24, und zwar 12 von jeder Gattung, erhöht. Das neue Ortsſtatut ſieht 36 Beiſitzer vor.