— 253 — dienen ſoll, geziemt es ſich wohl, an dieſc geſchichtlich ange Verbindung unſerer Stadt mit unſerm Könighauſe zu erinnern im Sinne einer Mahnung zur Treue für alle Zukunft, und dies umſomehr, als auch die Ge chichte unſerer Rathäuier von dieſer engen Verbindung Kunde gibt. Als König Friedrich 1., der Gründer und fördernde Gönner Charlottenburgs, dem Orte am 5. April 1705 Stadtrechte verliehen hatte, ſchenkte er auch bald der jungen Stadt, um ihr Anſehen zu heben, ein Rathaus. Er kaufte dazu das in der Schloß⸗Straße ſtehende, dem früheren Oberſtallmeiſter der Königin Sophie Charlotte, dem Marquis d Auſſon de Villarnour gehörige Haus für einen Kaufpreis von 8500 Thalern, und ließ es mit einem Turm verſehen. „Denn ein Rathaus“, ſo ſagt der Chroniſt unſerer Stadt, „muß einen Turm haben, um damit anzudeuten die Wachſamkeit derer, die darin arbeiten, auf das Wohl der Bürger“. Dieſes Haus hat bis zum Jahre 1882 geſtanden, als es abgebrochen und an ſeiner Stelle die jetzige Gemeindeſchule 1I1 errichtet wurde. Aber als Rathaus hat es nur bis 1860 gedient, in welchem Jahre die ſtädtiſche Verwaltung in das Haus Berliner Straße 73 verlegt wurde, das die Stadt für einen Kaufpreis von 19000 Thalern erwarb. In dieſem Gebäude, einem alten vornehmen Wohnhauſe, das hier für die Zwecke eines Rathauſes um⸗ geſtaltet wurde — zu welchem Umbau der damalige Prinzregent, der ſpätere Kaiſer Wil⸗ helm I. im Jahre 1859 der Stadt 400 Thaler geſchenkt hatte —, hatte die damals noch kleine Verwaltung zwei Jahrzehnte hindurch genügende Räume. Das änderte ſich aber bald, als nach dem großen Kriege 1870/71 durch die Errichtung des geeinigten Deutſchen Reiches alle Kräfte in unſerm deutſchen Vaterlande zu einer glücklichen Entfaltung gelangten und ſo auch für unſere Stadt eine ungeahnte Entwickelung eintrat. Mit der Vermehrung der Einwohnerzahl, die 1875 noch 35000, 1885 ſchon 42000 betragen hatte, 1595 aber be⸗ reits auf 131000 angewachſen war, ging Hand in Hand die Erweiterung der Ziele der Auf⸗ gaben der Verwaltung, die Vergrößerung und Vermehrung der Verwaltungsſtellen und des Beamtenkörpers. Die Verlegung zahlreicher und bedeutender Verwaltungszweige in Miet⸗ häuſer wurde je länger je mehr notwendig. So mußte das Standesamt, die Armenver⸗ waltung, die Gewerbeverwaltung, die Schulverwaltung, das Hoch⸗ und Tiefbauamt, ein Teil der Steuerverwaltung, die Sparkaſſe und andere mehr, auch der Stadtverordneten⸗Sitzungs⸗ ſaal aus dem Rathaus verlegt und von der Zentralverwaltung getrennt werden, worunter die Einheitlichkeit der Verwaltung, deren Ordnung und Geſchäftsgang, ja auch die Disziplin der Beamten empfindlich litt. Allmählich führte dieſe Zerreißung der Verwaltung zu immer ſchwereren Mißſtänden, welche — wie es in einem Bericht des Magiſtrats heißt zu ſchrei⸗ enden Notſtänden und zu einem räumlichen Elend heranwuchſen. Schon bei den Anleihen von 1885 und 1889 war unter den Verwendungszwecken „der Neubau von Dienſtgebäuden der ſtädtiſchen Zentralverwaltung“ vorgeſehen, freilich ohne, daß tatſächlich für den oben angegebenen Zweck etwas verwendet wurde, denn die bald nach Aufnahme der 1885er Anleihe in Angrif genommene Kanaliſation abſorbierte — abgeſehen von dringend nötigen Schulbauten — jedes andere Intereſſe. Um ſo zwingender wurde die Notwendigkeit für die ftädtiſchen Körperſchaften, in die nächſte Anleihe von 1895 zum Neubau des Verwaltungs⸗ gebäudes den Betrag von 1½ Millionen einzuſtellen, und im Herbſt 1895 wird endlich nach langen Erwägungen über die Auswahl des Bauplatzes beſchloſſen, auf dem Grundſtück Ber⸗ liner Straße 72/73, das inzwiſchen durch den Erwerb des Grundſtücks Berliner Straße Nr. 72 erweitert war, ein neues Rathaus in zwei Bauperioden zu erbauen und die Mittel für die erſte Bauperiode mit 1) Millionen bewilligt. Gleichzeitig wurde eine gemiſchte Deputation r Vorberatung des Bauprogramms gewählt, auf Grund deren Arbeiten nach anderthalb ren unter dem 17. April 1897 ein allgemeiner Wettbewerb für die Anfertigung von Entwürfen zum Neubau eines Rathauſes in Charlottenburg unter Architekten deutſcher Zunge ausgeſchrieben wurde. Unter den 52 Entwürfen, die daraufhin eingingen, erkannte das Preisgericht am 11. Dezember 1897 den von den Architekten Reinhardt “ Süßenguth in Charlottenburg angefertigten Entwurf Nr. 33 den erſten Preis von 10000 ℳ zu Im Frühjahr 1898 wurde beſchloſſen, den Bau nach den Entwurfen von den Architekten Rein⸗ hardt « Süßenguth auszuführen und zu dieſem Zwecke 3 100000 ℳ. zu bewilligen. Nach⸗ dem die Spezialprojekte im Juni 1898 den Körperſchaften vorgelegt und von dieſen ge⸗ nehmigt waren und die Bauſumme infolge der inzwiſchen wieder außerordentlich geſtiegenen Einwohnerzahl und Vergrößerung der Verwaltung auf 4 Millionen erhöht war, wurde mit dem Bau am 17. Juni 1899 begonnen. Inzwiſchen iſt der Bau der erſten Periode vollendet Beim Beginn der zweiten legen wir heute den Grundſtein unter den vorderen ſtolzeſten Teil des Baues, in die Grund⸗ mauern des Turmes, genau an der Stelle, auf welcher das alte Rathaus ſich erhob, das erſt im Winter d. I. ſeinen Platz geräumt hat. So erwächſt auf dem Boden des alten Hauſes der neue Bau. Das foll uns eine gute Vorbedeutung ſein. Das Neue erhebt ſich auf dem Boden des Alten. Möge denn auch der alte Geiſt der nie raſtenden Arbeit und des vorausſchauenden klugen Fortſchritts, der die Periode der letzten 25 Jahre auszeichnete, hinüber ziehen ins neue Haus. Das iſt der Geiſt, in welchem in dem alten Hauſe hier an dieſer Stelle 21 Jahre hindurch der frühere Leiter der ſtädtiſchen Verwaltung gewirkt hat: „Das iſt der