GGegenwärtige Urkunde haben wir in zwei Ausfertigungen vollzogen, von denen die eine in den Grundſtein niedergelegt, die andere im ſtädtiſchen Archiv aufbewahrt wird. Caharlottenburg, den 19. Juni 1902. Der Magaiſtrat. Die Stadtverordneten⸗Verſammlung. gez. Schuſtehrus, gez. Ströhler, Oberbürgermeiſter. Stadtverordneten⸗Vorſteher. So möge denn unter des Staates Schutz, der Selbſtverwaltung zu Nutz dieſer ſchöne Bau dazu beitragen, daß unſere herrliche Stadt auch in weiter Zukunft blühe und gedeihe. In dieſem Sinne bitte ich die Feſtverſammlung, mit mir einzuſtimmen in den Ruf: „Die Stadt Charlottenburg, ſie lebe hoch, hoch, hoch!“ Im Laufe des Sommers 1902 wurde der Bau ſchnell gefördert, auch im Winter konnte mit Ausnahme einer ſechswöchigen Unterbrechung durch Froſtwetter gearbeitet werden, ſodaß im Frühjahr 1903 die Faſſade, ausſchließlich des Turmes nahezu fertig geſtellt wurde. Im 1. Bauteil wurde in den Monaten Auguſt bis Dezember 1902 an der Fertigſtellung des Magiſtrats⸗Sitzungsſaales und des Stadtverordneten⸗Sitzungsſaales gearbeitet, beide wurden im Jannar 1903 in Benutzung genommen, nachdem am 7. Jamuar der Stadtverordneten⸗ Sitzungsſaal der Stadtverordneten⸗Verſammlung vom Magiſtrat übergeben worden war, bei welcher Gelegenheit der Oberbürgermeiſter folgende Anſprache hielt: „Sehr geehrte Herren! Aus kleinen Anfängen hat ſich Charlottenburg in kurzen Jahrzehnten an der Hand der Mutterſtadt Berlin zur Großſtadt emwickelt. Aber ſchon lange dehnte der junge groß⸗ ſtädtiſche Rieſe ſeine weiten Glieder, als die ſtädtiſchen Körperſchaften ihre Beratung noch immer in einfachen und beſcheidenen, ja unzulänglichen Räumen pflogen. Die Stadtverord⸗ neten⸗Verſammlung entbehrte gerade in der Zeit, in der die Entwickelung der Stadt ſich am meiſten entfaltete, eines eigenen Heims. In dieſem Sichbeſcheiden, in dieſer Selbſtbeſchrän⸗ kung liegt eine anerkennenswerte Tugend, und das umſomehr, als die Unzulänglichkeit der Beratungsräume keinen Eintrag getan hat der Bedeutung der Ziele und der ſchließlichen Erfolge dieſer Beratungen ſelbſt. In jenen einfachen Räumen ſind große und weittragende Beſchlüſſe gefaßt worden, die der Stadt Charlottenburg zum Segen gereicht haben und die Grundlage gelegt haben zu ihrer mächtigen Entfaltung, die ſieghaft immer weiter greift. Deshalb gedenken wir wohl alle mit wohltuendſten Empfindungen an jene ein⸗ fachen Räume, die uns bei unſeren gemeinſamen Beratungen beherbergten und wenden noch einmal auf ſie den freundlichen und dankbaren Blick am heutigen Tage, an dem wir ſie verlaſſen haben, um in den neuen ſtolzen Saal einzuziehen. Von den Architekten des Rathausbaues, den Herren Reinhardt & Süßenguth, iſt mit außerordentlichem Fleiße und mit erſtaunlicher Sorgfalt, die überall bis ins Einzelne geht, in dieſem neuen Stadtverordneten⸗Sitzungsſaal ein Kunſtwerk geſchaffen, in dem wohliges Behagen mit ſtolzer Würde ſich glücklich vereint, in dem trotz aller Verſchiedenheit der Formen die Einheitlichkeit derſelben, die Harmonie des Ganzen, das Auge des Be⸗ ſchauers entzückt. Ich weiß, daß ich einem einſtimmigen und ungeteilten Urteil folge, wenn ich den Herren Reinhardt “ Süßenguth für dieſe künſtleriſch vollendete Leiſtung die warme Anerkennung und den aufrichtigen Dank der Stadt an dieſer Stelle ausſpreche. Mögen denn die Beratungen in dieſem neuen, prächtigen Saal getragen werden von demſelben ſchaffenden Geiſte, der den alten, einfachen Raum zierte. Sub umbra alarum tuarum: Unter dem Schutze der mächtigen Fittige des Hohenzollernaar, deſſen Bildnis die Glasdecke dieſes Saales ſchmückt, werden nun die Bürger Charlottenburgs in den kommenden Jahrhunderten — nach Menſchengedenken und Menſchenvermuten — über die Geſchicke der Stadt beraten. Möge der Hohenzollernaar uns und dem Vaterlande immer den inneren und äußeren Frieden bewahren, daß die Arbeit des Bürgers gedeihen kann, denn ernſte und ſegensreiche Arbeit ſoll hier in dieſem Bürgerſaale getan werden, wie der Spruch ſagt, der ſich um das Geſims der Wände dieſes Saales zieht: „Arbeit iſt des Bürgers Zierde, Segen iſt der Mühe Preis, 7 Ehrt den König ſeine Würde, Ehret uns der Hände Fleiß.“ Mögen weiſe, gerechte und kundige Männer mit edlem Sinn in dieſem Saale die Führer ſein, daß hier ſowohl wie draußen bei der Bürgerſchaft „Jedem das Seine werde, wie der Spruch über den Sitz des Stadtverordneten⸗Vorſtehers lautet. Möge den maß⸗ gebenden Männern dieſes Saales neben dem hellen Kopf es niemals fehlen an dem warmen Empfinden eines edlen Herzens, denn die großen Gedanken, die die Welt vorwärts bringen auf dem Wege der Kultur, auf dem Wege der Ordnung, Freiheit und Geſittung, die großen Gedanken, ſie kommen aus dem Herzen. 4 4 Und endlich, möchte doch das alte Erbübel des deutſchen Volkes, das ihm ſchon ſo zahlreiche und ſchwere Wunden geſchlagen hat, möchte die Zwietracht in dieſem Saal keine Stätte finden. Richt, als ob ich wünſchte, daß der ſachliche Kampf hier verſchwände. Im Gegenteil. Das iſt eine der beſten Gaben Gottes. Der muß ſein. Der treibt die Dinge vorwärts. Aber Hader und Haß, den der perſönliche Kampf erzeugt, weiche hier dem Ver⸗ trauen und der Treue. Wenn nur immer jeder bereit wäre, auf dieſem Wege zu beginnen. Vertrauen erweckt Vertrauen. Das übrige Gute folgt dann von ſelbſt nach 42