4226 — und ſo übergebe ich denn dieſen Saal ſeiner Beſtimmung. Ich tue es mit dem Wunſche, daß die Kraft dieſer Sinnſprüche, die ich nannte, ſich allezeit bewähren mögen. Mögen die Arbeiten denn beginnen im neuen Jahre, im neuen Saale, zum neuen Segen, zum Heile unſerer Stadt Charlottenburg, zur Freude allen denen, die an ihnen teilhaben. Das walte Gott.“ Der Stadtverordneten⸗Vorſteher nahm hierauf das Wort und führte Fol⸗ gendes aus: „Im Namen der Verſammlung danke ich dem Herrn Oberbürgermeiſter für die freundlichen Worte, die er uns bei der Übergabe dieſes neuen Sitzungsſaales gezollt hat und nehme den Saal im Namen der Stadtverordneten⸗Verſammlung in Empfang. Ja, meine ſehr geehrten Herren, bei dem heutigen Einzug in den Sitzungsſaal ſtreift uns eine Anzahl von Erinnerungen. Wenn wir auch im Jahre 1905 eine größere Feier des Gedenkens voll⸗ ziehen werden, ſo iſt doch auch der heutige Tag für die Stadtverordneten⸗Verſammlung ge⸗ eignet, auf das zurück zu blicken, was unſere Stadt war, was ſie heute iſt und was ſie mit Gottes Hilfe noch werden wird. Es war am 17. April 1705, als Friedrich 1 einen Erlaß gab in welchem er ſagte: „Nachdem Wir allergnädigſt reſolvieret, Charlottenburg zum An⸗ denken an weiland Unſere hoch⸗ und herzgeliebte Gemahlin, die Königin, mit der Stadt⸗ gerechtigkeit in Gnaden zu verſehen, alſo befehlen Wir in Gnaden, die gewöhnliche Ge⸗ nehmigung deshalb auszufertigen. An die Lehn⸗Kanzlei Köln an der Spree!“ Damals hatte Charlottenburg, hervorgegangen aus dem früheren Lützenburg, nur eine geringe Einwohnerzahl. Aber die Hoffnung, daß aus dieſer kleinen Einwohnerzahl bald eine größere werden würde, war eine ſehr verbreitete. Dieſelbe kommt auch in einem Ge⸗ dicht von Leibniz, wovon ich zwei Strophen vortragen möchte, zum Ausdruck. Sie lauten: Ich lag vor kurzer Zeit im Staube noch verſteckt In deiner Hand, die mehr als irdiſch mich erweckt, Ich Lietzow, war ein Dorf, bin nun zur Burg geworden, So daß ich nunmehr ſteh mit in der Städte Orden, Kann zwar mit London. Petersburg und Rom mich nicht vergleichen, So hoff ich künftig doch, daß ſie mir ſollen weichen. Bleibt mir die Gnade Gottes zugewendet unverdroſſen, So ſteh ich bald im höchſten Flor, eh hundert Jahre ſind verfloſſen. Zwar iſt das nicht eingetroffen, zwar iſt die Weisſagung, daß ſchon nach hundert Jahren Eharlottenburg in ſo hohem Flor ſtehen werde, nicht in Erfüllung gegangen, aber die Hoffnung auf die Vergrößerung war berechtigt. Nach hundert Jahren hatte Charlotten⸗ burg etwa 2500 Einwohner. Die ſchnellere Entwickelung der Stadt Charlottenburg trat erſt ſpäter ein, eine Wandlung vollzog ſich im Jahre 1809. Das war zur Zeit, als kurz vorher die Stein-Hardenberg'ſche Städteordnung gegeben wurde. Hier in Charlottenburg wurde am Königs⸗Geburtstage deshalb eine größere Feier veranſtaltet. Dieſe Städteordnung war recht dazu angetan, daß Männer von Anſehen in die Verwaltung eintraten, um den Geiſt der Bürger bei der Durchführung der ſtädtiſchen Geſchäfte mitwirken zu laſſen. Die Städte⸗ ordnung wurde im geſamten preußiſchen Staat mit hoher Befriedigung aufgenommen. In Charlottenburg fand am 3. Auguſt 1809 die Feier anläßlich der Verleihung der Städte⸗ ordnung ſtatt. Damals hatte unſere Stadt 3000 Einwohner und einen Etat in Einnahme von 783 Reichsthalern und in Ausgabe von 2502 Thalern und 17 gute Groſchen und 5 Pf. Bald aber beſſerten ſich dieſe Zahlen, im Jahre 1820 hatte unſere Stadt 4715 Einwohner, nach den Angaben des Stadtverordneten⸗Vorſtehers Wolff, im Jahre 1840 hatte ſie 6925 Einwohner, ſowie 313 Militärperſonen. Im Jahre 1848 hatte Charlottenburg 24 Stadt⸗ verordnete, 8159 Einwohner und 1057 Militärs. Im Jahre 1850 waren es 9000 Ein⸗ wohner mit einem Etat von 20623 Reichsthalern, im Jahre 1860 12000 Einwohner mit einem Etat von 55000 Thalern. Im Jahre 1875 hatten wir 25678 Einwohner mit einem Etat von 526000 ℳ Meine ſehr geehrten Herren! Daraus erſieht man deutlich, was das Jahr 1870 für die Entwickelung unſerer Stadt gebracht hat. Die Folgen des Jahres 1870/71 haben ſich in guter Weiſe in unſerer Stadt bemerkbar gemacht. Im Jahre 1880 hatten wir 30483 Einwohner mit einem Etat von 38 955 Im Jahre 1890 waren es bereits 42000 Einwohner, im Jahre 1895 132000 Einwohner, im Jahre 1900 189000 Ein⸗ wohner und heute ſind es über 200000 Einwohner. Das Ordinarium des Hauptetats für 1902/03 ſchließt mit 12 495 800 ℳ., das Extraordinarium mit 7 701 900 ℳ ab. Zwei beſondere Abſchnitte ſind es, die für uns hier beſonders von Intereſſe ſein werden: die Zeit nach 187%/71 und die Zeit vom Jahre 1890 1895. Wir hatten vom Jahre 1705 bis heute 15 Bürgermeiſter. Der Bürgermeiſter Bullrich war 28 Jahre und Oberbürgermeiſter Fritſche 20 Jahre bei uns tätig. Die Sitzungen ſind nun ſeit dem Jahre 1809, wo die Stadtverordneten⸗Verſammlung geſchaffen wurde, bis 1860 in dem alten Rathauſe in der Schloßſtraße abgehalten worden und vom Jahre 1860—1890 im Rathauſe in der Berliner Straße. In dieſem Jahre ſiedelte die Stadtverordneten⸗Verſammlung nach dem Realgymnaſium in der Schillerſtraße über und heute ſind wir nun zum erſten Male in dieſem neuen Saale. An dem Vorſtandstiſch finden Sie die Worte eingraviert: „Einig⸗ keit macht ſtark“. Laſſen Sie uns dieſe Worte bei allen unſeren Beratungen beherzigen, laſfen Sie uns für immer eingedenk ſein, daß, wenn wir auch die notwendigen rechtlichen