, 120 II. Die fädtiſche Armenpftege. A. Allgemeines. Die Tätigkeit der Armenverwaltung iſt auch im Jahre 1902 außerordentlich ſtark in An⸗ ſpruch genommen worden, ſodaß die durch den Etat zur Verfügung geſtellten Mittel um 88 044,74 ℳ (gegen 90 263,28 ℳ im Jahre 1901) überſchritten werden mußten. Die Zahl der in irgend einer Form Unterſtützten iſt ſowohl an ſich als im Verhältnis zur Ein⸗ wohnerzahl wiederum, wenn auch nicht übermäßig und bei weitem nicht ſo wie im Vor⸗ jahre, geſtiegen, und auch die Höhe der geſamten Ausgaben weiſt ſowohl abſolut als auf den Kopf der Einwohnerzahl bezogen wiederum eine Steigerung auf; die Steigerung auf den Kopf der Einwohnerzahl bleibt indes gleichfalls gegen die im vorigen Jahre ein⸗ getretene ſehr weſentlich zurück. Die Geſamtausgabe einſchließlich der nach den vollen Selbſtkoſten berechneten Auf⸗ wendungen für die Verpflegung von Armenkranken im ſtädtiſchen Krankenhauſe und von Hospitaliten und Siechen im ſtädtiſchen Bürgerhauſe hat 956 926 ℳ gegen 850115 ℳ im vorigen Jahre betragen, hat alſo um etwa 12,6 vom Hundert zugenommen. Dieſer Ausgabe ſtehen an Erſtattungen 147074 ℳ gegen 133 906 ℳ im vorigen Jahre gegenüber, ſodaß 15,4 (im vorigen Jahre bei gleicher Art der Berechnung 15,7) vom Hundert der geſamten Ausgabe durch Wiedererſtattungen gedeckt ſind. Die Mehrausgaben gegen das vorige Jahr entfallen in der Hauptſache auf die Po⸗ ſitionen: Bare Unterſtützungen mit rund 4 4000 ℳa, Pflegegelder mit rund 16000 ℳ., Arzneien, Milch und ſonſtige Heilmittel mit etwa 15000 ℳJ, Unterbringung von Geiſtes⸗ kranken uſw. mit etwa 4000 ℳd, Verpflegung der Siechen und Hospitaliten im Bürgerhauſe mit 8000 ℳ., Erſtattungen an andere Armenverbände mit 6000 ℳ und ſchließlich Koſten für die von Armenkranken in nicht ſtädtiſchen Heilanſtalten aller Art mit 17000 ℳ. Die Zahl der Unterſtützungsgeſuche einſchließlich der die Waiſenpflege betreffenden iſt gegen das vorige Jahr von 6930 auf 8053, alſo um mehr als 16 vom Hundert geſtiegen. Wie die unten abgedruckten Tabellen zeigen, haben (von den Pflegekindern abge⸗ ſehen) zum Eingreifen der Armenpflege auch in dieſem Jahre hauptſächlich Krankheit, Altersſchwäche und Gebrechen, allein oder in Verbindung mit andern Urſachen, Anlaß gegeben. Von den insgeſamt 5742 Unterſtützungsfällen ſind nicht weniger als 4653, alſo über 81 vom Hundert, auf dieſe Urſachen zurückzuführen. Damit übereinſtimmend weiſt auch die Tabelle über die Inanſpruchnahme der Stadtärzte in der offenen Armenkrankenpflege gegen das vorige Jahr eine außerordentliche Steigerung auf. Die Zahl der Kranken iſt um nahezu 1000, d. h. 25 vom Hundert, die Zahl der Konſultationen um nahezu 4500, d. h. etwa 33 vom Hundert, die Zahl der Beſuche im Hauſe um mehr als 900, d. h. etwa 20 vom Hundert gewachſen; daß auch die ſchweren Fälle nicht unerheblich zugenommen haben, zeigt das Anwachſen der Krankenhausüberweiſungen durch die Stadtärzte um 80, d h. um etwa 25 vom Hundert. Auch die Zahl der im ſtädtiſchen Krankenhaus auf Armenkoſten ver⸗ pflegten Perſonen iſt um 239, die der dort verpflegten Perſonen, die lediglich durch dieſe Krankenhauspflege unterſtützt worden ſind, um faſt 100 gewachſen. Ein kleiner Teil der vermehrten Inanſpruchnahme der Stadtärzte darf wohl auf die vermehrte Fürſorge für Lungenkranke zurückgeführt werden; von den von den Stadt⸗ ärzten erſtatteten Gutachten, die um 201 gegen das vorige Jahr geſtiegen ſind, betreffen ſicher eine größere Zahl ſolche Perſonen. Die vermehrte Fürſorge für ſie allein reicht aber nicht aus, die außerordentliche Erhöhung der Zahl der Armenkranken zu begründen. Neben dem Umſtande, daß in der Tat wohl bei dem Teil der Bevölkerung, mit dem es die Armenpflege zu tun hat, Krankheitsfälle in weſentlich vermehrtem Umfange vorgekommen ſein dürften, wird die erhöhte Inanſpruchnahme der ärztlichen Tätigkeit, wie wir ſchon früher mehrfach betont haben, in erſter Reihe darauf zurückzuführen ſein, daß ſich auch die ärmere Bevölkerung, vor allem unter dem Einfluß der Arbeiterverſicherungs⸗Geſetze, mehr und mehr daran gewöhnt hat, den Arzt rechtzeitig und auch in den Fällen aufzuſuchen, wo es früher vielfach unterblieben, und dadurch nicht ſelten der Grund zu dauerndem Siechtum gelegt worden iſt. Auch das Vorhandenſein der Schulärzte hat einen nicht unweſentlichen Ein⸗ fluß auf die Inanſpruchnahme der Stadtärzte ausgeübt. Wie ſich gezeigt hat, leidet ein großer Prozentſatz der Gemeindeſchüler an chroniſchen Krankheiten, die bisher nicht beachtet worden waren. Jetzt wird von dem Befunde der Schulärzte den Eltern Mitteilung gemacht und auf die Notwendigkeit ärztlicher Hilfe hingewieſen. In ſehr vielen Fällen erwerben die Eltern zwar ſoviel, um den notdürftigen Lebensunterhalt ohne Armenunterſtützung beſtreiten zu können, ſind aber außer Stande, daneben noch einen Arzt zu bezahlen. Sie ſind daher genötigt, einen Armenſchein zu erbitten, um die Hilfe des Stadtarztes nachzuſuchen. Neben der erhöhten Inanſpruchnahme der Armenpflege infolge von Krankheit muß auch in dieſem Jahre die notwendig gewordene erhöhte Ausgabe mindeſtens bei der Haupt⸗ Poſition der baren Unterſtützungen auf den Einfluß der Wohnungsfrage zurückgeführt werden. Allerdings darf die Wohnungsnot in dem Sinne, daß kleine Wohnungen überhaupt