* —94 — Weite Kreiſe der Bevölkerung hatten die Überzeugung gewonnen, daß die auf den bisherigen höheren Mädchenſchulen gewonnene Bildung nicht mehr in vollem Maße dem Bildunasbe⸗ dürfnis aller derjenigen Schichten entſpricht, die bisher ihre Töchter nach höheren Mädchen⸗ ſchulen zu ſchicken pflegten. Aus dem Wunſche, die begabten und lernfreudigen jungen Mädchen zu einem recht tiefen Wiſſen und zu möglichſt ſelbſtändigem Denken zu führen und ihnen eine Bildung zu gewähren, die der an höheren Knabenſchulen erworbenen ebenbürtig iſt, waren hier von privater Seite bereits vor einiger Zeit zwei Schulzirkel gegründet worden, in welchem 12⸗ bis 14 jährige junge Mädchen in etwa 6 Jahren zur Reife für die Ent⸗ laſſungsprüfung einer 9 klaſſigen Lateinſchule vorbereitet werden ſollten. Um ſolchen Beſtrebungen unſerer Mitbürger entgegenzukommen, wurde nach Ein⸗ holung der Genehmigung des Herrn Miniſters von den Gemeindebehörden am 17.“/22. Oktober 1902 die verſuchsweiſe Errichtung von 6 Realgymnaſialklaſſen für Mädchen zu Oſtern 1903 beſchloſſen, und zwar wurden Oſtern 1903 ſogleich die beiden Klaſſen U 111 und 0 111 eröffnet. Die Schülerinnen der beiden hier beſtehenden Privatzirkel wurden in dieſe Klaſſen aufgenommen. Dem Lehrplan wurde mit geringen Abweichungen derjenige der Frankfurter Muſter⸗ ſchule zugrunde gelegt. Der Aufbau der Anſtalt erfolgt in folgender Weiſe: Die 6 unterſten Klaſſen der höheren Mädchenſchule, die in ihren Lehrpenſen — abgeſehen von der Mathematik — mit den 3 Vorſchulklaſſen und den Klaſſen vI1, v, IV der Frankfurter Muſterſchule überein⸗ ſtimmen, bilden den gemeinſamen Unterbau. Auf dieſen ſetzen ſich erſt die eigentlichen Realgymnafialklaſſen, entſprechend der Unter⸗Tertia bis Ober⸗Prima der Muſterſchule auf. Während des 4. bis 6. Schulfahres wird nur 1 fremde Sprache, die franzöſiſche, getrieben, im 7. (Kl. U I1I) tritt das Lateiniſche und im 9. (U I1) das Engliſche hinzu. Für die Reifeprüfung ſind in ſämtlichen Fächern die Penſen der Realgymnafſien verbindlich. 5 Schülerinnen, die in Realgymnafialklaſſe v1 eintreten wollen, müfſen das Mindeſt⸗ 5% 14 12 Jahren und die Reife für die Klaſſe III einer neunſtufigen höheren Mädchen⸗ ule haben. Die Leitung der Geſamt⸗Anſtalt wurde vom 1. April ab dem Direktor Profeſſor Dr. Dammholz, dem bisherigen Direktor der höheren Mädchenſchule und des Lehrerinnen⸗ Seminars an den Franckeſchen Stiftungen zu Halle a“S., übertragen. In das Lehrer⸗ kollegium traten gleichzeitig ein die Oberlehrer Dr. Lenſchau von der hieſigen höheren Mädchenſchule 1 und Dr. Jaenſch von der Margaretenſchule zu Berlin, ſowie die Oberlehrerin Scott⸗Preſton Außerdem waren mehrere Hilfskräfte beſchäftigt. Die Lehrerin Goldmann war 6 Wochen vor den Sommerferien beurlaubt, um ſich während dieſer Zeit und den daran anſchließenden Ferien im Auslande im Franzöfiſchen zu vervollkommnen. 6 Der Bau des neuen Schulhauſes in der Nürnberger Straße 63, in welchem 24 Klaſſen mit den üblichen Nebenräumen vorgeſehen ſind, wurde ſo gefördert, daß dasſelbe ſchon zu Neujahr 1904 bezogen werden konnte. b) Bürgermädchenſchule. Der auf Grund der Umwandlung der Bürgermädchenſchule in eine Mittelſchule eingeführte Lehrplan wurde auf die Klaſſe 1II ausgedehnt. Anſtelle der Lehrerin Tomaſchky, welche auf ihren Antrag zum 1. April 1903 in den Ruheſtand trat, wurde die Lehrerin Weltzien von der hieſigen IV. Gemeindeſchule an der Bürgermädchenſchule angeſtellt. Dem Lehrer Werbke wurde probeweiſe die Leitung einer Gemeindeſchule übertragen; ſeine Vertretung erfolgte durch eine Hilfslehrerin. Für das Winterhalbjahr war an der Bürgermädchenſchule noch eine zweite Hilfslehrerin mit wöchentlich 12 Stunden beſchäftigt. Auch hier waren die Klaſſen ſämtlich voll beſetzt. (0. Gemeindeſchulen. Mit Beginn des Schuljahres 1903 wurde die Gemeindeſchule XXIII/ XXIV geteilt. Die Gemeindeſchule XXIII erhielt die Räume Bismarck⸗Straße 43/44, die Gemeindeſchule XXIV diejenigen des Mietshauſes Sophie Charlotten⸗Straße 31½/2 zugewieſen. Beide Schulen hatten Knaben⸗ und Mädchenklaſſen. Es waren ſomit im Berichtejahre 10 voll entwickelte Knabenſchulen (1, III, v, vII, IX, XI, XIII, XV, XVII, XIN), 10 voll entwickelte Mädchenſchulen (11, Iv, vI, vIII, X, XII, XIV, XVI, XVIII, X) und drei in der Entwickelung begriffene Schulen (XXI/XXII, XXIII und XXIV) mit Knaben⸗ und Mädchen⸗ klaſſen vorhanden. Zwei der voll entwickelten Gemeindeſchulen — eine Knaben⸗ und eine Mädchen⸗ ſchule — ſind katholiſch. Für diejenigen katholiſchen Kinder, welche nicht katholiſche Gemeinde⸗ ſchulen beſuchen. waren wie bisher beſondere katholiſche Religionsabteilungen an den Gemeinde⸗ ſchulen vIII, XX, XVII und XVIII eingerichter und zwar je eine obere und je eine untere Abteilung im Oſten und Weſten der Stadt. Die Zahl der Klaſſen betrug im Sommerhalbjahr 415, im Winterhalbjahr 423. Von den Klaſſen waren untergebracht im Sommer: in ſtädtiſchen Schulhäuſern 370, in Mietshäuſern einſchließlich Bismarck-Straße 4/44 45 im Winter: in ſtädtiſchen Schul⸗ häuſern 372, in Mietshäuſern und anderen ſtädtiſchen Gebäuden 51.