— 191 — X. Die üffentliche Geſundheitayflege 1. Die Städtiſche Fleiſchbeſchan. Das Jahr 1903 war für die Fleiſchbeſchau deshalb von beſonderer Bedeutung, weil am 1. April 1903 das Reichsgeſetz betr. die Schlachtvieh⸗ und Fleiſchbeſchau vom 3. Juni 1900 in Kraft trat, welches die Fleiſchbeſchau im ganzen Deutſchen Reiche einheitlich regelte. Seit dieſem Zeitpunkt iſt es Gemeinden ohne Schlachthaus nicht mehr geſtattet, eingeführtes, bereits auswärts unterſuchtes und abgeſtempeltes Fleiſch einer nochmaligen Unterſuchung gegen Ent⸗ gelt zu unterwerfen, ſondern die Nachunterſuchung muß koſtenfrei ausgeführt werden und hat ſich lediglich auf das etwa inzwiſchen eingetretene Verdorbenſein zu erſtrecken. Die aus der Fleiſchbeſchau entſtehenden Obliegenheiten ſind nach § 17 des Preußiſchen Ausführungsgeſetzes vom 28. Juni 1902 von der Ortspolizeibehörde wahrzunehmen. Im Wege der Ausführungs⸗ Beſtimmungen können jedoch die Befugniſſe der Polizeibehörden anderen Behörden oder Be⸗ amten übertragen werden. Von dieſem geſetzlichen Recht iſt in Charlottenburg dann auch Gebrauch gemacht worden; durch Vertrag vom 2. Juni/z. Juli 1903 zwiſchen der Königlichen Polizei⸗Direktion und der Stadtgemeinde ſind dieſe ortspolizeilichen Befugniſſe der letzteren übertragen worden. Die Gründe hierzu ſind folgende geweſen: Die Fleiſchbeſchau, welche ſeit 1897 in Charlottenburg beſteht, hat ſich in allen ihren Einrichtungen (ſpeziell das Fleiſch⸗ und Trichinenſchauamt mit dem dazu gehörigen Laboratorium ꝛc.) als ſehr praktiſch erwieſen, ſodaß es als durchaus wünſchenswert erſchien, dieſe bewährten Einrichtungen zu erhalten. Würde die Fleiſchbeſchau von der Stadtgemeinde abgegeben und als ortspolizeiliche Ein⸗ richtungen neu zu ſchaffen geweſen ſein, ſo hätte man alle dieſe Einrichtungen erſt wieder von neuem mit erheblichen Koſten herrichten müſſen. Die Stadtgemeinde ſelbſt aber hat das größte Intereſſe daran, eine ſo wichtige hygieniſche Einrichtung, wie es die Fleiſchbeſchau iſt, in denkbar vollkommenſter Weiſe zu befitzen. Sie kann, wenn ſie ſelbſt die Fleiſch⸗ beſchau hat, mit Leichtigkeit jeden Wunſch in dieſer Hinſicht realiſieren, und daher haben auch die Erwägungen dazu geführt, die Fleiſchbeſchau in Händen der Stadt zu belaſſen. Ferner iſt durch Polizei⸗Verordnung vam 7. Ottober 1903 betr. die Schlachtvieh⸗ und Fleiſchbeſchau, einſchl. der Trichinenſchau, bei Hausſchlachtungen in den Stadtkreiſen Charlottenburg, Schöne⸗ berg und Rirdorf (Amtsblatt S. 444) beſtimmt worden, daß auch bei Schlachtungen, welche lediglich für den eigenen Haushalt unternommen find, das Schlachtvieh vor und nach dem Schlachten unterſucht werden muß. Bei den großſtädtiſchen Verhältniſſen unſerer Stadt iſt es ganz unmöglich, falls eine derartige Unterſuchung nicht beſtimmt wäre, den Verbleib des ſogenannten „Hausſchlachtungsfleiſches“ auch nur einigermaßen zu überwachen. Im Berichtsjahre ſind in den 7 hier konzeſſionierten Schlachthäuſern 755 Rinder (im Vorjahre 655), 1493 (1457) Kälber, 6849 (6234) Schweine, 1 (2209) Schaf, 1955 (0) Lämmer, 11 (5) Ziegen geſchlachtet. Es handelt ſich dabei in folgenden Fällen um Not⸗ ſchlachtungen: 12 Rinder (im Vorjahre 22), 90 (256) Schweine, 1 (0) Ziege. Lediglich zum eigenen Bedarf geſchlachtet wurden 19 (77) Schweine. Die Zahl der Schlachtungen hat zugenommen mit Ausnahme der Zahl der geſchlachteten Schafe, welche von 2209 auf 1 zurückgegangen iſt. Dieſe Erſcheinung iſt zurückzuführen auf eine Preisfrage. Vor Inkrafttreten des Fleiſchbeſchangeſetzes war die Unterſuchungsgebühr für Lämmer und Schafe die gleiche. Nach Inkrafttreten des Fleiſchbeſchaugeſetzes iſt die Gebühr für Hammelſchlachtungen auf 1 ℳ und für Lämmer auf 60 Pfennige feſtgeſetzt. Daraus erklärt ſich, daß die Schlächter nunmehr meiſtens Lämmer kaufen und ſchlachten und Hammel geſchlachtet kaufen. — Zurückgewieſen und beanſtandet wurden: (Die in Klammer angegebenen Zahlen ſind die Zahlen des Vorjahres). Wegen Tuberkuloſe: 2 (2) Rinder, 37 (31) Rinderlebern, 98 (81) Rinderlungen, 20 (20) Schweinelebern, 81 (59) Schweinelungen, 2 (5) Hammellungen, 1 (0) Euter, 1 (0) Ziegenlebern; wegen Blutfäule 2 (1) Rinder; wegen Waſſerſucht: 1 (0) Rind; wegen Echinococcen: 8 (9) Rinderlebern, / (15) Rinderlungen, 6 (2) Schweinelebern, 18 (9) Schweinelungen, 3 (0) Hammelebern, 4 (0) Hammellungen; wegen Leberegel: 2 (2) Rinderlebern, 3 (0) Hammellebern; wegen Entzündung: 5 (5) Rinder⸗ lebern, 9 (4) Rinderlungen, 15 (0) Schweinelebern, 13 (0) Schweinelungen, 1 (0) Hammel⸗ lunge, 1 (0) Rindermagen, 1 (0) Rinderherz, 1 (0) Rinderniere; wegen Verſtopfung: 1 (0) Rindereingeweide; wegen chroniſcher Entzündung: 3 (0) Rinderlebern; wegen Paraſiten: 1 (25) Hammellunge; wegen Vereiterung: 1 (0) Schweinekopf; wegen Schweineſeuche: 34 (1) Schweine, 1 (17) Schweinelebern, 17 (202) Schweinelungen, 58 (0) Eingeweide; wegen Gelbſucht: 3 (0) Schweine; wegen Rotlauf: 1 (0) Schwein; wegen Harngeruch: 1 (0) Schwein; als minderwertig: 1 (0) Rind, 1 (0) Schwein; als bedingt tauglich: 64 (0) Schweine. Durch das Reichsfleiſchbeſchaugeſetz ſind neue Begriffe für die Beurteilung des Fleiſches geſchaffen. Während man früher lediglich „tauglich“ und „untauglich“ entſchieden hat, kennt das Reichsfleiſchbeſchaugeſetz 4 Urteile und zwar: 1. tauglich, 2. minderwertig, 3. bedingt tauglich und 4. untauglich. Minderwertig iſt Fleiſch von Tieren, welche nicht gut ausgeblutet ſind, oder nicht die Schlachtreife haben ꝛc. Es handelt ſich alſo um Fleiſch, welches zwar die menſchliche Geſundheit in keiner Weiſe beſchädigen kann, welches aber deshalb minderwertig iſt, weil es ſich nicht lange hält, alſo ſchnell verbraucht werden muß. Solches Fleiſch muß nach dem Fleiſchbeſchaugeſetz unter Deklaration verkauft werden. Dem Käufer muß die