— 113 — G. Das Fortbildungsſchulweſen. Auf dem Gebiete des Fortbildungsſchulweſens wurden im Jahre 1904 2 kräftige Schritte vorwärts getan. Oſtern wurde eine zweite Mädchenfortbildungsſchule im Oſten der crepn 0 0 und Michaelis die obligatoriſche Fortbildungsſchule für männliche Perſonen eröffnet. Bezüglich der letzteren kamen die mehrjährigen Verhandlungen der Stadtgemeinde mit der Staatsregierung endlich zum Abſchluß. Der Staat erklärte ſich bereit, zu den laufenden Unterhaltungskoſten der Schule ein Viertel bis zu einem Höchſtbetrage von 15000 ℳ jährlich beizutragen. Dafür willigte die Stadtgemeinde in die von dem Herrn Miniſter gemachten Vorbehalte, daß 1. die Feſtſetzung der Lehr⸗ und Stundenpläne nach wie vor der Genehmigung des Miniſters unterliegt, 2. ebenſo deſſen Beſtätigung zur Auswahl des Leiters und der hauptamtlich beſchäftigten Lehrkräfte einzuholen iſt, 3. in den Schulvorſtand ein von dem Herrn Miniſter ernanntes Mitglied mit vollem Stimmrecht eintritt, 4. der Haushaltsplan der Schule dem Herrn Miniſter in Abſchrift vorzulegen iſt, ſobald er erneut wird, 5. nach Beginn eines neuen Schulhalbjahres dem Herrn Miniſter eine Uberſicht über die eingerichteten Klaſſen mit Angabe der Schülerzahl eingereicht wird. Auf dieſer Grundlage wurde von den ſtädtiſchen Körperſchaften die Einführung der Fortbildungsſchulpflicht zum 1. Oktober 1904 beſchloſſen und mit Genehmigung des Bezirks⸗ Ausſchuſſes das nachſtehende Ortsſtatut betreffend die Verpflichtung zum Be ſuche der Fortbildungsſchule in Charlottenburg erlaſſen: Auf Grund der §§ 120, 142 und 150 der Gewerbeordnung für das Deutſche Reich in der Faſſung der Bekanntmachung vom 26. Juli 1900 (R. G. Bl. 871 ff) wird nach Anhörung beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter mit Zuſtimmung der Stadwwerordneten⸗ Verſammlung nachſtehendes feſtgeſetzt: 1. Alle im Bezirke der Stadt Charlottenburg wohnhaften und im Gewerbebetriebe eines hieſigen Gewerbetreibenden nicht nur vorübergehend beſchäftigten männlichen gelernten Arbeiter (Lehrlinge, Geſellen, Gehilfen uſw. aller Gewerbebetriebe einſchließlich der Handels⸗ geſchäfte) ſind bis zum Beginn des Schulhalbjahres (31. März, 30. September), in welchem ſie das 18. Lebensjahr vollenden, verpflichtet, die ſtädtiſche Fortbildungsſchule an den vom Magiſtrat feſtgeſetzten Tagen und Stunden zu beſuchen und an dem Unterrichte teilzunehmen. § 2. Dauernd befreit von der Fortbildungsſchulpflicht ſind ſolche Perſonen, welche 1. die Berechtigung zum einjährig⸗freiwilligen Dienſt erworben haben, oder 2. den vom Magiſtrat als hinreichend erachteten Nachweis führen, a) daß ſie die Kenntniſſe und Fertigkeiten beſitzen, deren Aneignung das Lehrziel der Fortbildungsſchule bildet, oder b) daß ſie eine Innungs⸗ oder andere Fortbildungs⸗ oder Fachſchule beſuchen, deren Unterricht von der höheren Verwaltungsbehörde als aus⸗ reichender Erſatz des Fortbildungsſchulunterrichts anerkannt iſt, oder c) daß ſie am Zeichenunterricht in der hieſigen Kunſtgewerbe⸗ und Hand⸗ werkerſchule regelmäßig und in ausreichender wöchentlicher Stundenzahl teilnehmen. 2 Bei den unter 2 b aufgeführten Perſonen kann auch teilweiſe eine Befreiung für einzelne Lehrgegenſtände vom Beſuch der Fortbildungsſchule ſtattfinden. Die unter 2% vor⸗ geſehene Befreiung erſtreckt ſich nur auf den Zeichenunterricht. § 3. Die fortbildungsſchulpflichtigen Arbeiter einzelner Gewerbe, deren Beſchäftigung ſich auf eine beſtimmte Jahreszeit zuſammendrängt, der ſogenannten Saiſongewerbe, können während der Saiſon vom Wochentagsunterricht befreit werden; dieſelben müſſen jedoch an den Sonntagen mindeſtens 2 Stunden den Zeichenunterricht beſuchen und an dem angeord⸗ neten Ergänzungsunterricht teilnehmen. Die Feſtſtellung der in Frage kommenden Saiſon⸗ gewerbe ſowie die Beſtimmungen über die Befreiung vom Unterricht trifft der Magiſtrat. Der Schluß und der Beginn des Unterrichts ſind für dieſe Gewerbe nach Anhörung der beteiligten Innungsvorſtände oder ſonſtigen Vertreter durch den Magiſtrat von Fall zu Fall feſtzuſetzen. § 4. Die Unterrichtszeit, die in die Tagesſtunden (7—7 Uhr) zu verlegen iſt, wird vom Magiſtrat feſtgeſetzt.